Bei den Terra Wortmann Open war er der Star, obwohl er gar nicht selbst spielte: Roger Federer. Die Tennis-Legende wurde dort geehrt und gab Einblick in sein Leben nach der Karriere.
Daniil Medwedew zählt derzeit zu den weltbesten Tennisspielern und doch geriet er am Mittwoch zur Randfigur. Die Hauptattraktion beim Rasenklassiker in Halle war mit Roger Federer einer der größten Darsteller in der Tennisgeschichte. Als Turnierdirektor Ralf Weber den Schweizer für dessen Verdienste beim ostwestfälischen ATP-Turnier unter dem tosenden Jubel des Publikums ehrte, trat Medwedew, der zuvor auf dem Centre Court seinen Viertelfinal-Einzug gegen Laslo Dere perfekt gemacht hatte, demütig in die zweite Reihe. Die Bühne sollte allein dem Rekordsieger der Terra Wortmann Open gehören.
Frenetisch jubelndes Publikum
„Es ist im guten Sinne ein mulmiges Gefühl“, sagte Federer. „Aber aufgrund des 30-jährigen Geburtstages des Turniers und meinen Siegen war es der richtige Moment, wieder hierherzukommen.“ In seiner mehr als 20 Jahre langen Karriere schlug Federer dank eines lebenslangen Vertrages 18 Mal in Halle auf, feierte bei „einem für mich speziellen Turnier“ zehn seiner 103 Einzeltitel. „Mit Ralf Weber, seiner Familie und mit der Gegend hier verbindet mich sehr viel.“
Den ganzen Tag lang war diese innige Verbindung rund um die OWL-Arena zu spüren: Kappen und T-Shirts mit dem berühmte „RF“-Logo waren überall zu sehen. Bereits am Vormittag legten sich Autogrammjäger vor dem Court-Hotel auf die Lauer, um Federer auf keinen Fall zu verpassen. Die Strahlkraft des 20-fachen Grand-Slam-Siegers ist noch immer enorm. Auf dem Centre Court wurde er vom Publikum frenetisch bejubelt und von Weber als „absoluter Ausnahmesportler“ gewürdigt. Es war das erste Mal seit seinem Rücktritt im September 2022, dass sich der Schweizer auf der ATP-Tour zeigte.
Der Schritt, seine Karriere zu beenden, sei „eine Erlösung“ gewesen, so Federer. „Ich vermisse nicht viel aktuell. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen und fühle mich sehr gut ohne Tennis.“ Das Bedürfnis, wieder auf dem Platz zu stehen, habe er auch deshalb nicht, weil der Körper immer noch nicht so mitmacht, um auf einem ordentlichen Niveau spielen zu können. Er arbeite deshalb im Gym daran, seinen Körper „wieder auf Vordermann zu bekommen“.
Besonderen Traum erfüllt
Langweilig wird Federer dennoch nicht. Die vergangenen Monate nutzte er für „tolle Trips“. Für seine Stiftung ging es etwa mit der ganzen Familie nach Lesotho. Zudem besuchte der modebewusste Basler die Fashion-Week in Paris, die Formel 1 in Miami, die Met-Gala in New York und war mit seinen Eltern im Orientexpress unterwegs. „Nach Corona hat es Spaß gemacht, wieder mehr zu reisen“, sagt er.
Einen besonderen Traum erfüllte sich Federer im vergangenen Winter. Erstmals ging es mit den vier Kinder Leo, Lenny, Myla Rose und Charlene Riva gemeinsam auf die Skipiste. Seit 2008 hatte er nicht mehr auf Skiern gestanden. Damals hatte er das Pfeiffersche Drüsenfieber bekommen und danach kein Risiko mehr eingehen wollen. „Ich habe jetzt anders Zeit für die Familie, bin einen Tick relaxter“, beschreibt er sein Privatleben. Er habe seit September kein neues Leben begonnen, keinen harten Cut gemacht. „Der Übergang war eher fließend.“
Projekte hatte Federer auch zu seiner aktiven Zeit genug. Daran hat sich für den umtriebigen Unternehmer wenig geändert. Im Gegenteil: Alleine für die Roger Federer Foundation seien in sechs Monaten 1.200 Anfragen eingegangen. Die geschäftlichen kommen noch dazu. „Praktisch alle Anfragen muss ich ablehnen. Das ist der Teil, der nicht so viel Spaß macht“, erklärt er, „aber ich bin selbst schuld. Ich habe den Leuten gesagt, dass sie sich melden sollen, wenn ich mal aufgehört habe.“ Trotz allem ist er in den vergangenen Monaten viele Dinge angegangen, die er als „Passion Projects“ beschreibt. „Andere Sachen sind noch im Köcher. Es ist nie ein Tag wie der andere. Das ist sehr cool.“
Ergebnisse der Tour stets im Blick
Auf den Tennisplatz begibt sich der 41-Jährige nur noch mit seinen Kindern. Exhibitions würde er schon gerne irgendwann wieder spielen, aber „alles zu seiner Zeit“. Die Ergebnisse auf der Tour interessieren ihn dann aber doch noch. Er sei selbst überrascht, wie sehr. Mehrmals am Tag checkt er die Ergebnisse. Auch auf die alten Rivalen hat er ein Auge. „Was Novak macht, ist schier unglaublich und ich hoffe, dass Rafa zurückkommt.“ Der Kontakt zum Spanier, dem er nach dessen Verletzung alles Gute gewünscht hatte, sei weniger geworden. „Es war schon immer so, dass es etwas ruhiger wurde, wenn es ihm nicht so gut ging. Das zeigt mir, wie sehr er mit seinem Körper am kämpfen ist.“
Mit Carlos Alcaraz, mit dem Federer einst in Wimbledon trainierte, steht der legitime Nachfolger bereits parat. „Ich freue mich für die Tour und bin gespannt, wie sich die Jungen auf Rasen schlagen“. Er verfolge das mit „großem Interesse“. Ab Donnerstag dann aber erst mal wieder aus der Distanz.