Wir haben einfach nicht mehr die Qualität - diese Aussage schimmerte nicht nur bei Bundestrainer Hansi Flick immer wieder durch bei der Analyse des 1:4-Debakels der Fußball-Nationalelf gegen Japan. Es war eine Analyse, die zumindest ablenkt von den eigenen, hausgemachten Problemen, findet Sportredakteur Benjamin Kraus.
Japan habe auf Topniveau ausgebildete Fußballer, Deutschland würden diese auf gewissen Positionen fehlen: Das sagte Bundestrainer Hansi Flick am Samstagabend. Zuvor hatten Fußballer in Diensten des VfL Bochum und des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf mit Toren die 1:4-Klatsche perfekt gemacht - gegen Nationalspieler, die alle langjährig erprobt sind in Champions League und nationalen Topligen.
Merkwürdige Personalentscheidungen
Sicher: Gegen Japan spielten sich zu viele gleichartige Kombinationskicker den Ball so lange zu, bis sie in ungefährlichen Räumen landeten. Aber es war auch Flicks bewusste Entscheidung, gegen die nicht als körperliche Riesen bekannten Japaner ohne Mittelstürmer und über weiteste Strecken ohne Außenbahnspieler mit der Fähigkeit zu guten Flanken anzutreten. Zugunsten des indisponierten Emre Can auf der Sechs Führungsspieler Joshua Kimmich auf rechts draußen zu schieben und den gelernten Innenverteidiger Nico Schlotterbeck auf links sind weitere Personalentscheidungen, hinter die man ein dickes Fragezeichen setzen kann.
Die Aufstellung ist das eine, viel wichtiger ist aber die Einstellung - und genau hier sind die Defizite in der Generation Nationalelf des Jahres 2023 krass. In der aktuellen Krise darf man verlangen, dass Spieler sich wehren, mal hingehen, wo es weh tut. Stattdessen Zweikampf-Vermeidung, kaum Bewegung ohne Ball, abseits von Leroy Sané kein Zug zum Tor, Standfußball.
Von Flick war nicht mehr viel zu erwarten
Nun ist Führung und Klarheit gefragt. Von Flick aber war hier nicht mehr viel zu erwarten. Öffentlich keine Kritik an seinen Fußballern zu üben, ehrt ihn - seine zwar authentische, aber auch oft fahrige und inzwischen von Allgemeinplätzen geprägte Rhetorik verstärkte jedoch die aktuelle Ratlosigkeit. Dass die Fußballer ihren Ex-Trainer mögen, darf man glauben. Dass sie aber schon lange nicht mehr für ihn durchs Feuer gehen und ohne Überzeugung und Begeisterung ihren Dienst verrichten, ist offensichtlich.
Ein Trainerwechsel war daher eigentlich alternativlos und kann nun helfen, aber eigentlich braucht dieses Team viel mehr: Einen neuen Spirit, eine neue kommunikative und werteorientierte Basis. Dafür müsste man aber heraus aus der Wagenburg und die vielfältige Kritik der letzten Monate endlich ernst nehmen. Nach der verpatzten WM lautete die DFB-Strategie: Raus aus dem politischen Raum, purer Fußball soll es sein. Nun ist die Wertebasis erodiert und der Fußball wirkt konzeptlos. So bleibt für alle völlig unklar, wofür dieses zaghafte Team steht und wieso man sich mit ihm identifizieren soll. Die neue sportliche Leitung steht vor einer sehr schweren Aufgabe.
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