Muras-Kolumne Wir müssen den völlig überhöhten Fußball abwerten!

Eine Kolumne von Udo Muras | 05.08.2022, 18:29 Uhr

Auch wenn das im Sportteil keiner lesen will: Wir stehen vor schweren Zeiten. Lauterbach warnt, Habeck mahnt, und Scholz schweigt bedrohlich – der Herbst wird hart und der Winter sowieso. Wir müssen sparen, an allen Ecken und Enden. Da sehe ich es als meine Pflicht als Kolumnist an, meinem Zielpublikum auch ein paar Einspartipps zu geben für die kommende Saison.

Nicht alles spart vielleicht Energie, dann aber Nerven. Wer wiederum gute Nerven hat, kann gute Entscheidungen treffen und schlechte widerrufen. Zu spät kommt wohl aber meine Bitte, den Quatsch mit der Katar-WM zu lassen, derentwegen international alle Spielpläne auf den Kopf gestellt wurden und sich die Bundesliga ab Mitte November einer zehnwöchigen Pause erfreut, während deren die Spieler doch bezahlt werden müssen. Hat aber tatsächlich den energetischen Vorteil, dass jede Menge Heizkosten gespart werden, da die Bundesliga erstmals in ihrer Geschichte im Dezember nicht spielt.

Die Energieeinsparmaßnahmen von Bayer Leverkusen, dem 1. FC Köln und Hertha BSC dürften eher intern umstritten sein. Sich so früh den Pokalwettbewerb zu sparen, folgte wohl keinem höheren Plan. Dennoch ist das der Weg: Umso weniger Spiele und Wettbewerbe, desto besser geht es der Menschheit. Weniger Flutlichter müssen stundenlang brennen, Kabinen und VIP-Räume geheizt und Fahrzeuge bewegt werden, von Flugzeugen ganz zu schweigen. Wenn das ein ausgemachter Fußballfan schreibt, dann muss es ernst sein – also weg mit Nations League, Conference League, der Relegation – und stoppt die Champions League-Reform. Das immer höher, immer weiter hat ausgedient.

Bei den Gehältern, an dem Punkt waren wir doch eigentlich schon hundertmal, besteht das größte Einsparpotenzial, danach bei den Beratern – doch was können Moralisten schon gegen die Gesetze freier Marktwirtschaft tun? Außer moralisieren? Also dann eben zu konkreteren Vorschlägen: Schraubt das ganze Brimborium im Fernsehen um die Spiele herunter. Muss man 30 Minuten vor und 30 Minuten nach einem Spiel darüber reden, bis jeder alles gesagt hat? Brauchen wir drei Talksendungen zu jedem Spieltag? Und kann die Ständige Schimpfkommission am Sonntagmorgen sich nicht mal auf 90 Minuten beschränken, statt 150 zu labern? Wir müssen den völlig überhöhten Fußball abwerten, gerade wenn es schon bald für so viele Menschen ans Eingemachte gehen wird. Die Sender werden es merken: Drei oder vier Abos zum Fußballgucken werden sich nach Eintreffen der verdoppelten Gasrechnung immer weniger leisten. Da sieht dann mancher Haushalt das größte Einsparpotenzial.

Langer Wunschzettel

Und ob es noch Sinn hat, an die Pyromanen in den Fanblöcken zu appellieren? Nach den Eindrücken vom Pokalspiel in Magdeburg habe ich da meine Zweifel, manche wollen nicht hören, obwohl sie Ohren haben. Vielleicht liegt‘s an der Leere dazwischen. Jedenfalls sehe ich auch bei der Böllerei nicht nur an Silvester hohes Einsparpotenzial, aus mehreren Gründen. Was wir uns zu allen Zeiten sparen können, sind schauspielernde Kicker, vorgestanzte Interviews, den VAR, nächtliche Anstoßzeiten unter der Woche und einen langweiligen Titelkampf. Mein Wunschzettel ist lang, Weihnachten noch lange nicht in Sicht. Was nichts daran ändert, dass endlich vorausschauend gehandelt werden sollte – auch bei der schönsten Nebensache der Welt.

TEASER-FOTO: www.imago-images.de
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