Nach dem Sieg in der Champions League regte sich Toni Kroos von Real Madrid über die „Scheißfragen“ eines Reporters auf. Die Szene aufgreifend, entwarf der Journalist Oliver Wurm das Talkformat 90-Fragen. Die diesem stellen Prominente Kroos die wirklich wichtigen Fragen.
In einer FußballKolumne über andere Journalisten zu schreiben, mag etwas verstören. Doch einleitend muss es sein, denn die Person hat es verdient. Oliver Wurm ist seit bald 30 Jahren mein Freund, wir haben uns anno 1994 bei „Sport Bild“ kennengelernt und teilten als Praktikanten mit großen Träumen ein Zimmer.
Träumen konnte er schon immer etwas besser – und nur zu oft wurden seine Träume wahr. Der Sauerländer mit Wohnsitz Hamburg hat nämlich den Mut, seine Ideen auch umzusetzen. Also etwa jede Fünfte, denn pro Woche hat er ungefähr 20 und auch sein Tag hat nur 24 Stunden. Aber ruhen kann er nicht. „Einfach machen“, ist sein Credo.
Kroos Reaktion nach Champions-League-Finale sorgte für Idee
Wegen seiner originellen, teils spinnerten Ideen lästerten wir schon damals bei „Sport Bild“, er habe eine Quatschfabrik. Heute hat er das Bundesverdienstkreuz, weil er unter anderem auf die Idee kam, unsere Verfassung im Selbstverlag als Magazin herauszubringen und sie damit Schülern attraktiver zugänglich zu machen, als das verstaubte Original es vermochte.
Gleiches hatte er schon mit der Bibel gemacht. Unser Steckenpferd Fußball ritt er natürlich auch allzeit, und nur zu oft durfte ich dabei sein, als er sich als Verleger selbstständig machte. Wir brachten wunderbare Magazine heraus zu großen Spielen wie dem des 20. Jahrhunderts zwischen Deutschland und Italien anno 1970 in Mexiko. Nun ist ihm wieder ein Scoup gelungen.
Die Rede ist von einem Projekt, das mit dem turbulenten Ende des Champions- League-Finales im Mai zusammenhängt, als Toni Kroos den ZDF-Reporter Nils Kaben einige Berühmtheit verschaffte, weil er das Interview nach drei Fragen erbost abbrach – mit der Bemerkung, er habe 90 Minuten Zeit gehabt, sich gute auszudenken. Kabens Frage nach der vermeintlich überraschenden Stärke Liverpools hatte sicher keinen Pulitzerpreis verdient, aber das deutsche TV-Publikum auch eine bessere Reaktion vom bis dahin als so beherrscht geltenden Kroos. Zwei, drei Tage brodelte es in den Medien, dann gingen die Kollegen auf allen Kanälen wieder auf die Suche nach anderen Themen.

Beckenbauer, Gottschalk und Nowitzki geben sich die Ehre
Bis auf Oliver Wurm. Er suchte einen Weg nach einem versöhnlichen Ende und fand, man könne sich doch 90 Tage Zeit lassen um Kroos noch ein paar vernünftige Fragen zu stellen – am besten 90, jeweils in Anlehnung an die 90 Minuten. Der Clou war, dass die Fragesteller keineswegs nur Fachreporter sein sollten, sondern Promis aus aller Welt und allen Genres. Es wurden dann 116, weil mehr mitmachen wollten als gedacht. Und weil ein Teil des Erlöses des Magazins, das man nicht am Kiosk kaufen kann, sondern als E-Paper für 1,90 Euro herunterladen muss (www.kroos90.de), an die Toni-Kroos-Stiftung geht, war auch der Protagonist Feuer und Flamme.
Und dann prasselten die Fragen herein auf den Star von Real Madrid, an Land gezogen von Wurm und zwei, drei Helfern. Franz Beckenbauer stellte die erste, Nils Kaben die letzte (noch mal die gleiche wie nach dem Spiel) und dazwischen ganz viel Nicht-Fußballer-Promis. Von Markus Lanz bis Robbie Williams, Thomas Gottschalk bis Atze Friedrich, Usain Bolt bis Dirk Nowitzki. Die Vielfalt der Fragen und die Diversität der Fragesteller macht das Ergebnis so reizvoll, es geht auch um die großen gesellschaftliche Themenstellungen und zeigt den überaus reflektierten Menschen Kroos.
Dieses Interviewprojekt, für das die Fachwelt noch einen Namen erfinden muss, hat indes für jeden etwas. Wichtigste Info für Fachleute: Die WM in Katar läuft definitiv ohne ihn, es gibt kein Zurück. Für weibliche Fans: Der mit dem Ball tanzt, kann ohne ihn nicht tanzen.