Im April hatte die SPD/FDP-Gruppe im Rat einen Antrag zur Reduzierung des Plastikmülls in der Gemeinde gestellt. Nach Osnabrücker Vorbild solle die Verwaltung gemeinsam mit den örtlichen Händlern Lösungsansätze für ein "plastiktütenfreies Wallenhorst" finden. Neben Plastiktüten sollten dabei vor allem Einweg-Kaffeebecher im Fokus stehen; diesbezüglich sollte die Verwaltung vor allem mit den örtlichen Bäckern nach Alternativen suchen.
Gespräche mit dem Marketingverein
Im Umweltausschuss Anfang Mai sicherte die Verwaltung zu, zu klären, wie ein solches Projekt in der Gemeinde aussehen könnte. Dabei sei sie allerdings "von der Mitwirkungsbereitschaft der Händler abhängig", hieß es seinerzeit – und genau mit denen hat Klimaschutzmanager Stefan Sprenger in der Zwischenzeit das Gespräch gesucht. Dem Marketingverein "Wir für Wallenhorst" habe er die Pläne vorgestellt und sei durchaus auf offene Ohren gestoßen, berichtet Sprenger.
Hans-Jürgen Klumpe, einer von drei Vorständen des Vereins, bestätigt auf Anfrage, dass der Marketingverein "das Ganze thematisiert" habe. Eine Überlegung sei etwa, für alle Händler in der Gemeinde Stoffbeutel zu ordern, um auf Plastiktüten verzichten zu können. "Wir appellieren an alle, so wenig Müll wie möglich zu produzieren", sagt Klumpe.
Verzicht auf Kunststoff
Wie das gehen kann, zeigt seit rund drei Wochen der Markant-Markt im Wallenhorster Ortsteil Rulle. An drei zentralen Stellen verzichtet Inhaber Jens Wechsler, ebenfalls im Vorstand von "Wir für Wallenhorst", seitdem auf Kunststoff: am Obst- und Gemüseregal, an der Wurst- und Käsetheke und an der Kasse.
Wo zwischen Äpfeln, Nektarinen und Kartoffeln früher kleine, dünne Plastikbeutel hingen, gibt es seitdem nur noch voll kompostierbare Obsttüten aus Stärke und pflanzlichen Ölen – und klassische Papiertüten. So lassen sich Obst und Gemüse ohne Plastikmüll transportieren – zumindest theoretisch. Denn vieles sei auch für ihn nur in Kunststoffverpackungen erhältlich, sagt Wechsler. Das sei dem Kunden besonders bei frischen Bio-Kräutern oder Bio-Gurken schwer zu vermitteln – "da müsste der Großhandel dran arbeiten", fordert der Marktinhaber. Er versuche aber, so viel lose Ware wie möglich anzubieten – und auf kurze Wege zu achten: Die Kartoffeln kämen aus Rulle, der Brokkoli aus Melle; auch das schütze das Klima.
Schinkenbox aus Pappe
An der Fleischtheke auf der anderen Seite des Ladens informiert derweil ein Hinweisschild die Kunden: "Für uns zählt Nachhaltigkeit", heißt es dort, dann wird erläutert, dass auch hier nur noch plastikfreie Verpackungen eingesetzt werden. Stattdessen kommen Biokunststoffschalen in drei Größen zum Einsatz, außerdem eine Schinkenbox aus Pappe, die mit kompostierbarer Folie ausgekleidet ist.
Wer ganz auf Verpackungsmüll vermeiden will, könne zudem seine eigenen Dosen mitbringen, erläutert Verkäuferin Christiane Abdou. Ein sogenanntes Hygienetablett erlaube dabei die Einhaltung der strengen deutschen Hygienevorschriften: "Ich darf die Dose des Kunden nicht berühren, deshalb halte ich ihm das Tablett hin, auf das er sie stellen kann", sagt Abdou. Tablett und Dose würden dann auf der Waage platziert, die wiederum per Tastendruck tariert werde; dann lege sie die gewünschten Produkte in die Dose. Nach jedem Artikel werde gewogen und neu tariert, sodass – wie bisher auch – der Gesamtpreis berechnet werden könne. Am Ende reiche sie dem Kunden Tablett und Dose über die Theke, wo der Kunde seinen Einkauf entgegennehmen und selbst verschließen könne.
Man hört und liest andauernd von der Reduzierung des Plastikmülls, und irgendjemand muss ja mal anfangen.Margret Hawighorst, Kundin
Bei den Kunden habe das neue Verfahren bereits Kreise gezogen, hat Abdou beobachtet; immer mehr brächten ihre eigenen Dosen mit. So auch Stammkundin Margret Hawighorst: "Man hört und liest andauernd von der Reduzierung des Plastikmülls, und irgendjemand muss ja mal anfangen", sagt sie entschlossen und lässt sich drei Sorten Käse abfüllen. Und auch Abdou und ihre Kolleginnen ziehen voll mit: "Wir finden das gut", sagt etwa Petra Klages, "wenn jeder ein bisschen mitmacht, ist das ja schon ein großer Schritt."
Doch auch hier sieht Inhaber Wechsler noch viel Nachbesserungsbedarf: "Die Industrie hat noch viel Luft nach oben", sagt er; er habe beispielsweise noch keine kompostierbaren Einmalhandschuhe für die Verkäuferinnen gefunden. Trotzdem: "Alles was ging, haben wir gemacht", sagt er. Dazu gehört auch der vollständige Verzicht auf Plastiktüten im Kassenbereich: Wer keine eigene Tasche dabei hat, kann für 20 Cent eine Papiertüte oder für 99 Cent eine Transportbox aus Pappe kaufen.
Bio-Tüten viermal so teuer
Doch nicht nur der Kunde muss für den Klimaschutz in die Tasche greifen, auch Wechsler zahlt drauf: Die kompostierbaren Obsttüten etwa kosteten das Vierfache der bisherigen Kunststoffbeutel. „Aber wenn ich das mache, dann mache ich das auch richtig“, sagt Wechsler.