Das katholische Milieu im alten Kirchspiel Twist war zunächst einigermaßen resistent gegenüber dem Nationalsozialismus.
Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 – ein halbes Jahr vor der „Machtergreifung“ Hitlers – hatten in Hesepertwist nur 1,5 Prozent der Wähler für die NSDAP gestimmt. In Rühlertwist waren es 4,4 Prozent. Vielleicht war das der Grund, warum im Juni 1934 ein Nazi mit ganz besonderer Vergangenheit in der Moorgemeinde an der Grenze erschien: Der Zoll-Bezirkskommissar Georg Orth wurde nach Rühlertwist versetzt.
Orth war in der NSDAP nicht irgendwer: Seit 1929 hatte er im Kreis Lippstadt und in der gleichnamigen Stadt die Partei aufgebaut. Mit Stolz trug er den Titel eines „Alten Kämpfers“. Nach der Machtübernahme Hitlers (30.1.1933) war er „wegen seiner Verdienste um die nationalsozialistische Bewegung“ bis Juni 1934 gleich dreimal befördert worden. Jetzt also war er ein „hohes Tier“ im abgelegenen Twist. Es war eine Gegend, welcher der Meppener NS-Landrat Zimmermann noch im Juni 1935 „verworrene Verhältnisse“ bescheinigte. Die wollte Orth im Sinne seines Führers Adolf Hitler ändern.

Schon drei Wochen nach der Versetzung soll der NS-Aktivist als Kreisorganisationsleiter bei der NSDAP in Meppen tätig gewesen sein (bis 31.1.1936). Auch in der Gauleitung Weser-Ems soll er mitgemischt haben. Parteiakten dazu gibt es nicht, doch ist das bei der persönlichen Vorgeschichte nicht unwahrscheinlich. 1936/37 wird Orth als Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Schöninghsdorf genannt, wozu Rühlertwist und Hesepertwist gehörten. Eine „Spezialität“ des Ortsgruppenleiters scheinen Strafanzeigen gegen Bürger gewesen zu sein, die mit offenem Reden gegen das „Heimtückegesetz“ der Nazis verstießen.

So erstattete er bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück Anzeige gegen den Hesepertwister Hauptlehrer Josef Plogmann. Dieser sollte mit einer abfälligen Bemerkung die NS-Beamtenschaft beleidigt haben. Ein Verfahren dazu gab es nicht. Weniger Glück hatte der Rühlertwister Schneidermeister Johann Reinhard, den Orth wegen „Führerbeleidigung“ anzeigte. Das Sondergericht Hannover verurteilte Reinhard zu vier Monaten Gefängnis, die auch vollstreckt wurden. Zu öffentlicher Empörung führte im März 1937 Orths „Auftritt“ als verkleideter Osnabrücker Bischof, der dem Twister Pastor Temming eine Tanzveranstaltung in der Fastenzeit „erlaubte“.
Anfang 1939 wurde Georg Orth aus Rühlertwist versetzt. Im Zweiten Weltkrieg war er als Hauptmann einer Flak-Scheinwerferbatterie im Einsatz. Er überlebte das von ihm gepriesene Dritte Reich nicht und starb bei Kriegsende 1945.