Mohammed Houri hat einen ziemlich festen Händedruck, die kräftigen Oberarme und das breite Kreuz sind unter dem grauen Pullover und der Latzhose nicht zu übersehen. Ordentlich zupacken musste der 54 Jahre alte Rohrschlosser und Heizungsbauer der Firma Kauscher aus Papenburg aber nicht, als er am Montag, 7. Januar, gegen 17.40 Uhr Zeuge des Überfalls auf den Bremer AfD-Chef und Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz wurde. Jedenfalls nicht gegenüber den drei mutmaßlichen Tätern, die nämlich ohne sein Zutun die Flucht ergriffen, wie der Papenburger mit Wurzeln im Libanon unserer Redaktion sagte.
Das ist deshalb wichtig zu betonen, weil der AfD-Landesverband Bremen zum Teil anderes behauptet hatte. In der Mitteilung der Partei, die noch am Tatabend gegen 23 Uhr veröffentlicht worden und auch am Freitag über Facebook aufrufbar war, heißt es: „Mit einem Kantholz schlugen sie ihn bewusstlos und traten weiter gegen seinen Kopf, als er bereits am Boden lag. Dem couragierten Eingriff eines Bauarbeiters ist es zu verdanken, dass die Angreifer ihr Vorhaben nicht vollenden konnten und Frank Magnitz mit dem Leben davongekommen ist.“ Als Zweifel an dem Einsatz des Kantholzes aufkamen, behauptete die AfD, die Handwerker hätten bei der Polizei ausgesagt, den Einsatz eines Holzbretts gesehen zu haben.
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In Theatergebäude Wasserrohre verlegt
Beides bestreitet Mohammed Houri vehement. „Ich habe Herrn Magnitz und die drei Personen, die ihm gefolgt sind, erst gar nicht wahrgenommen. Ich war damit beschäftigt, das Firmenfahrzeug einzuladen, um Feierabend zu machen“, berichtet der 54-Jährige. Den Tag über hatte er gemeinsam mit seinem Kollegen Patrick Hoffmann in dem Theatergebäude am Goetheplatz neue Löschwasserrohre verlegt.
Alle vier Beteiligten habe er nur durch die Innenfenster des Firmenfahrzeugs gesehen, sein Kollege, der in Bremerhaven wohnt und beim Gespräch mit unserer Redaktion nicht dabei sein konnte, gar nicht, weil er seitlich am Fahrzeug und im Innenraum beschäftigt gewesen sei. Beide könnten, so sagt Houri, die Täter nicht einmal identifizieren, wenn sie ihnen gegenübergestellt würden. „Erst, als das Opfer kurz und laut geschrien hat, habe ich mich umgedreht und bin zu ihm hin. Da waren die Täter aber bereits geflüchtet. Eine Holzlatte oder eine andere Waffe habe ich definitiv nicht gesehen“, schildert der Deutsch-Libanese, der den Abstand zwischen Firmenfahrzeug beziehungsweise sich und dem Tatort auf 10 bis 15 Meter schätzt.
Die beiden Handwerker begannen sofort, Erste Hilfe zu leisten. Die Täter zu verfolgen, sei ihm nicht in den Sinn gekommen. „Ich hätte sie vermutlich ohnehin nicht einholen können, weil ich von Geburt an wegen einer Kinderlähmung eine Gehbehinderung habe“, sagt Houri.
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Während er den schwer verletzten Politiker aufrichtete und ihn vor eine Wand setzte, eilte Kollege Patrick Hoffmann zum Firmenfahrzeug und holte zwei Handtücher, die Houri auf die klaffende Kopfwunde drückte. „Das Blut floss wie bei einem Wasserfall. Auch wenn ein Krankenwagen nach wenigen Minuten vor Ort war, gehe ich davon aus, dass wir dem Opfer das Leben gerettet haben“, sagt der Papenburger, der seit 2009 für die Firma Kauscher arbeitet.
Der Rohrschlosser habe sich gewundert, wieso Magnitz darauf bestanden habe, dass Houri noch vor Eintreffen der Polizei Bilder von der Kopfverletzung und der zerbrochenen Brille mit dem Mobiltelefon des Politikers macht. „Aber das ist seine Sache. Ich habe ihm den Gefallen getan“, so der Ersthelfer. Die AfD hatte am Tatabend ein Bild von Magnitz und dessen Kopfverletzungen veröffentlicht, das im Krankenhaus entstanden war.
Bisher kein Dankeschön erhalten
Ursprünglich wollte sich Mohammed Houri gegenüber Medien nicht zu dem Vorfall äußern. Am Dienstag voriger Woche, als zahlreiche Fernsehteams und Zeitungsjournalisten in der Nähe des Tatortes recherchierten, lehnte der Handwerker sämtliche Interviewanfragen ab.
Gemeinsam mit seinem Chef Heinz Kauscher entschied sich der 54-Jährige nun aber doch, zumindest mit unserer Redaktion zu sprechen. „Ich finde es eine Frechheit, wie die AfD versucht, den Angriff politisch für sich zu nutzen, indem die Fakten zum Teil verdreht werden“, sagt Kauscher, der sich ebenfalls darüber ärgert, dass es bisher keinerlei Dankeschön des Opfers gegenüber seinen beiden Mitarbeitern gegeben hat. „Die Telefonnummer dürfte Herr Magnitz problemlos bei der Polizei erhalten“, meint der 60-Jährige. Eine Entschädigung für die „Lauferei“, die beide nun haben, gäbe es ohnehin nicht. Houri und Hoffmann werden am Montag zum inzwischen dritten Mal bei der Polizei in Bremen eine Aussage machen.
Der Deutsch-Libanese betont zum Abschluss des Gesprächs: „Ich habe es als meine Bürgerpflicht angesehen, dem Opfer zu helfen. Das hätte ich bei jedem gemacht, unabhängig von Hautfarbe, politischer Richtung oder Alter. Aber dass dies jetzt von der AfD so ausgeschlachtet wurde, ist nicht schön.“
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