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Wenn es um Leben oder Tod geht Ostercappelner als Rettungsschwimmer auf Borkum: „Ganz anders als in Baywatch“

Von Hannah Baumann | 12.09.2023, 06:08 Uhr | Update am 13.09.20231 Leserkommentar

Felix und Lena Wessel fahren jedes Jahr für zwei Wochen nach Borkum. Dort sind sie von morgens bis abends ehrenamtlich im Wasserrettungsdienst am Strand tätig. Sie berichten von ihren Einsätzen, den Tücken und Schwierigkeiten im Dienst.

Bereits seit zehn Jahren fährt das Ehepaar aus Ostercappeln mit der DLRG auf eine Nord- oder Ostseeinsel. „Seit 2016 sind wir immer auf Borkum“, sagt Lena Wessel. Bei der Hauptzentrale der DLRG muss bereits im Oktober die Anmeldung für das nächste Jahr abgegeben werden.

Voraussetzungen als Rettungsschwimmer

Die Ehrenamtler müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen: „Der Rettungschwimmerschein in Silber muss vorliegen, ebenso wie ein aktueller Erste-Hilfe-Kurs“, erklärt Lena Wessel. „Außerdem muss man 16 Jahre alt sein und einen Run-Through absolvieren.“ Der Run-Through ist ein Parcours, der laufend und schwimmend in einer bestimmten Zeit absolviert werden muss.

Mehr Informationen:

DLRG steht Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Es ist ein gemeinnütziger Verein, der sich als gemeinnützige und selbstständige Wasserrettungs- und Nothilfeorganisation definiert. Mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Förderern sind sie die weltweit größte Organisation der Wasserrettung.

Auf Borkum sind es in den zwei Wochen rund 20 Rettungsschwimmer, die in einem Haus der Kurverwaltung untergebracht sind. Jeweils fünf Leute sind für einen Strandabschnitt eingeteilt. „Wir reisen immer in einer größeren Gruppe an. Dort haben sich auch schon viele Freundschaften geschlossen“, sagt Felix Wessel. „Ich hab meine beste Freundin, die in diesem Jahr meine Trauzeugin wurde, auch dort oben kennengelernt“, wirft seine Frau ein. „Wir würden auch nicht jedes Jahr wieder hinfahren, wenn nicht so coole Leute da wären.“

Erholung auf der Arbeit?

Doch richtig Zeit für Urlaub gibt es der Insel nicht. „Das ist unser großer Sommerurlaub, den wir auf Borkum verbringen. Urlaub steht dabei allerdings in Anführungsstrichen“, erzählen die beiden.

Die Dienste gehen von Montag bis Sonntag, von morgens 10 Uhr bis abends um 18 Uhr. „Der Erholungsfaktor ist abends schon da. Und die Arbeit macht einfach Spaß, deshalb machen wir es auch jedes Jahr wieder“, sagt Lena. Die Fahrtkosten werden den Ehrenamtlern erstattet. Außerdem gibt es eine Versorgungspauschale um die 25 Euro pro Tag, mit denen die Schwimmer haushalten müssen.

Pflaster verteilen, Kinder suchen und Leben retten

Im Dienst gleicht kein Tag dem anderen. „Eine Person steht an der Wasserkante und beobachtet die Schwimmer, während die anderen entweder auf Strandpatrouille unterwegs sind, mit dem Boot rausfahren oder im Container am Strand die Stellung halten“, erklärt die Rettungsschwimmerin. „Dabei achten wir darauf, dass man maximal nur eine halbe Stunde am Wasser steht. Sonst wird es mit der Konzentration schwierig.“

Jeden Tag gibt es unterschiedliche Einsätze. „Ganz oft werden Kinder von ihren Eltern vermisst, die wir dann suchen. Oder Kinder vermissen ihre Eltern – die suchen wir dann auch“, schmunzelt Felix Wessel. Außerdem gehört ein regulärer Sanitätsdienst zu dem Job. „Wir verteilen also auch Pflaster und verarzten sonstige Wehwehchen.“

„Die gefährlichen Situationen sind nicht absehbar und kommen immer aus dem Nichts“, sagt Lena Wessel ernst.

„Alle, die schreien und strampeln, haben noch Kraft. Die meisten Ertrinkenden sind still“
Lena Wessel

Deshalb könnte eine Gefahrensituation nicht immer gleich erkannt werden. „Das ist ganz anders, als es zum Beispiel bei Baywatch dargestellt wird“, ergänzt ihr Mann.

Rettungsaktion mit Happy End

Unter ihrer Aufsicht ist aber noch nie jemand zu Tode gekommen. Beide erinnern sich allerdings noch an jeden Rettungseinsatz, bei dem es um Leben oder Tod ging. Felix Wessel erzählt mit Tränen in den Augen von einem grauen Julitag. Hoher Wellengang, der Regen prasselte auf das Meer. „Wir hatten an dem Tag eine starke Brandung. Außerdem sind die Strömungen auf Borkum sehr gefährlich.“

Ein Mann wurde entdeckt, der ungefähr 80 bis 100 Meter weit draußen trieb und schwach mit den Armen ruderte. Felix Wessel sprang ins Wasser und zog den Mann an Land. „Der Rücken des Mannes war lila und er hatte eine Körpertemperatur von nur noch 34 Grad Celsius. Unter 34 Grad ist es akut lebensbedrohlich“, sagt Lena und schaudert. Er wurde direkt in ein Krankenhaus gebracht und dort über Nacht vorsichtig aufgewärmt.

„Am nächsten Tag stand er vor uns und bedankte sich mit Tränen in den Augen.“ Für die Rettung hat Wessel eine Medaille bekommen. Die bekommen die Rettungsschwimmer nur, wenn sie sich selbst bei der Rettung in Lebensgefahr begeben haben. Lena Wessel erzählt von dem Happy End: „Wir sind mit ihm weiterhin befreundet. Im Mai tanzte er auf unserer Hochzeit. Den Julitag hat er sich als zweiten Geburtstag im Kalender markiert.“

Rettungsschwimmer – ein undankbarer Job?

Die beiden Rettungsschwimmer haben sonst allerdings eher andere Erfahrungen gemacht: „Die wenigsten, die wir aus dem Wasser retten, bedanken sich hinterher.“ Warum, wissen die beiden Ostercappelner nicht. „Vielleicht weil sie sich in der Öffentlichkeit nicht ihre Schwäche eingestehen wollen“, vermutet Lena.

Dennoch entscheiden sich die beiden immer wieder für ihren Dienst auf Borkum. „Es tut gut, Menschen zu helfen. Auch wenn diese es manchmal nicht erkennen“, sagt Felix Wessel.

1 Kommentar
Ellen Akkermann
Dann möchte ich mich einmal bei Ihnen und Ihren ganzen Kollegen bedanken, das Sie die Strände und den Urlaub auf meiner schönen Heimatinsel mit Ihrem Einsatz für die Gäste ein Stück sicherer machen :-)