Noch haben sie es nicht in die schwarzen Roben geschafft, vor Gericht argumentieren können sie aber schon gut: Sechs Osnabrücker Jurastudenten nehmen am Willem C. Vis Moot Court 2016 in Wien teil, einem der wichtigsten und prestigeträchtigsten Hochschulwettbewerbe auf dem Gebiet des internationalen Wirtschaftsrechts.
Dort stellen sie vom 18. bis 24. März als eins von über 300 Teams aus mehr als 50 Ländern in einem simulierten Prozess ihr Gesetzeswissen unter Beweis – und das auf Englisch. Ein Semester lang haben die Studenten des Osnabrücker European Legal Studies Institute (Elsi) dafür geübt. Verhandelt wird ein Fall aus dem UN-Kaufrecht.
Lange Vorbereitung
„Eigentlich ist das nicht Teil des normalen Jurastudiums“, sagt Teilnehmerin Franziska Hoffmann. Für sie allerdings ein Grund, genau deswegen beim 23. Willem C. Vis Moot Court mitzumachen. „Ich wollte mein Wissen erweitern und kann hier nebenbei auch noch meine Fremdsprachenkenntnisse verbessern.“
Unter der Leitung von Piotr Kwiatkowski, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Osnabrück, wälzte die Elsi-Auswahl also bergeweise Literatur, sammelte Argumente, erarbeitete eine Strategie und probte den Vortrag so lange, bis dieser perfekt saß. Zwischendurch exerzierte sie den Fall in sogenannten „Kanzleipleadings“ durch, bei denen die Studenten sich Unterstützung und gute Ratschläge von richtigen Anwälten holten – speziell von der Osnabrücker Kanzlei WMS Treuhand, die das Team auch finanziell unterstützt. Was nicht unerheblich ist, denn zur Vorbereitung gehörte beispielsweise ein Übungswettbewerb mit amerikanischen Studenten in New York.
Königsklasse in Wien
Kwiatkowski selbst promoviert gerade am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke, einem der großen Förderer und Befürworter von Moot Courts an der Universität Osnabrück. Denn neben dem Willem C. Vis Moot Court in Wien bietet die Uni ihren Jurastudenten regelmäßig die Chance, sich in fiktiven Gerichtsverhandlungen mit anderen Nachwuchsanwälten und Rechtswissenschaftlern zu messen. Doch der Wettbewerb in der österreichischen Hauptstadt, bei dem diesmal Mannschaften aus den USA, den Niederlanden, Indien und Rumänien die direkten Herausforderer sind, stellt die Königsklasse dar.
Inzwischen zum 23. Mal ausgetragen, sind die Osnabrücker seit der Gründung des Elsi vor 13 Jahren mit von der Partie. Schulte-Nölke: „Ich bin sehr stolz darauf, dass wir auch in diesem Jahr wieder so gut vertreten sind.“ Die Fälle, an denen sich seine Studenten stets beweisen müssen, handeln immer von einer „großen wirtschaftlichen Streitigkeit“, so der Juraprofessor. Oft seien es auch politische Themen.
Kunde verklagt Weinhändler
Diesmal geht es um Folgendes: Ein Weinhändler erleidet einen Ernteausfall und kann die Bestellung eines Kunden nicht begleichen, liefert dann aber Wein an einen anderen Kunden. Der leer ausgegangene Kunde verklagt daraufhin den Händler.
„Die Charaktere sind sehr zugespitzt, es klingt zugegebenermaßen ein wenig nach nachbarschaftlichem Kleinkrieg“, findet Teammitglied Marko Andjic. Doch der Fall bereitete den Osnabrücker Studenten durchaus Kopfzerbrechen. „Es kam schon mal vor, dass wir auch am Sonntag hier saßen, um den Fall schriftlich auszuarbeiten.“ (Weiterlesen: Osnabrücker Jurastudenten mit Rechtsberatung für Bedürftige erfolgreich)
Deutsche Gründlichkeit
Seit Oktober ist der Sachverhalt allen Teilnehmern bekannt. Bis Mitte Dezember hatten sie Zeit, ihn von allen Seiten zu betrachten. „Wir haben hier jeden Abend bis in die späten Abendstunden geschuftet“, erinnert sich Ida Rüffer an die mühevolle Vorbereitung und hofft, dass sich die Fleißarbeit am Ende auszahlt.
Zum Vorteil könnte ihnen die deutsche Gründlichkeit gereichen – besonders im schriftlichen Teil. Denn der internationale Anwaltsnachwuchs sei erfahrungsgemäß deutlich weniger dogmatisch, haben die Osnabrücker festgestellt. Mit ihrer schriftlichen Ausarbeitung, dem Memorandum, streben die Elsi-Studenten einen Platz unter den 64 besten Teams an.
Ehrenvolle Erwähnung
Dann würden sie eine „honorable mention“ erhalten – eine ehrenvolle Erwähnung, die schon so manche Vis-Moot-Vertreter der Universität Osnabrück aus Wien mit nach Hause brachten. Alles darüber hinaus wäre beinahe eine Sensation. Denn im mündlichen Teil des Wettbewerbs, wo traditionell die Muttersprachler auftrumpfen, ist es laut Kwiatkowski bisher noch keinem Team der Universität Osnabrück gelungen, in die Phalanx der Top-64 vorzudringen.