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Tragödie zum Leben erweckt 14 Charaktere, neun Requisiten, ein Mann – Bodo Wartkes Ödipus in Osnabrück

Von Anika Sterna | 18.09.2023, 14:56 Uhr

Bodo Wartke, der Kabarettist am Klavier, der witzige Liebeslieder singt – so kennen ihn die meisten seiner Fans. Doch was bleibt, wenn das Klavier im Hintergrund steht? Mit König Ödipus bringt Wartke eine Ein-Mann-Show auf die Bühne und füllt das Theater am Domhof in Osnabrück.

„König Ödipus“ ist anders als andere Bühnenprogramme Wartkes. Während das Klavier im Hintergrund stehen bleibt und nur selten zum Einsatz kommt, erzählt Wartke die berühmt-berüchtigte Geschichte des Ödipus, der unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter ehelichte.

Klassik versus Moderne

Das Stück lebt von der bunten Mischung. Da sind die popkulturellen Anspielungen inmitten der klassischen Tragödie – von Shakespeare bis Star Wars. Da ist der Kontrast zwischen klassischer und moderner Sprache – während er einerseits aus Sophokles Werk rezitiert, wird andererseits mit umgangssprachlichen Worten gespielt. So wird Ödipus mal zum „Motherfucker“, und sein Schwager Kreon zum Gangster-Rapper MC Kreon. Aus dem Battle wird ein Rap Battle und zeigt Wartkes Stärken: Wenn Wartke aus einem minutenlangen Dialog ein Hip-Hop-Rap-Battle macht, dann bringt er die Tragik des Stücks mit Feingefühl und Humor rüber, das dadurch aber nicht an Wucht oder Eleganz verliert.

Ein Ausschnitt aus dem Rap Battle zwischen Grandmaster Ödipus und MC Kreon:

Verwandlungskünstler mit minimalistischen Mitteln

Der Abend ist zum einen deutlich ruhiger als man es von dem Kabarettisten gewohnt ist. Gleichzeitig gewinnt das Stück an Tempo, wenn Wartke rasant zwischen den insgesamt 14 Charakteren hin- und herwechselt. In beigen Leinen, mit Weste und Krawatte, kommt Wartke ganz ohne Bühnenbild aus.

Während man in den Bann der Story gezogen wird, vergisst man zuweilen fast, dass dort nur ein Schauspieler auf der Bühne agiert. Und wenn ein Hirte vor dem wütenden Ödipus wimmernd hockt, fühlt man die Kraft, mit der dieser den Hirten zu Boden drückt.

Die Authentizität seiner Charaktere lebt von Wartkes Bühnenpräsenz. Mehr als die neun Requisiten, die er clever einsetzt, braucht es nicht. Besonders gut kamen der blinde Seher – das Publikum lacht bereits, wenn Wartke die Sonnenbrille in der Hand hält – und die Sphinx an. Letztere dargestellt durch einen Plüschlöwen, der Ödipus zuweilen über die Bühne jagt.

Barreirefreier Einstieg in die griechische Klassik

Unverkennbar ist auch das Reclam-Heft, aus dem er rezitiert und es dabei stets gut sichtbar hochhält. Bei so manchen mag das Heft in der gelben Farbe Erinnerungen an Deutschkurse auslösen. Wartke selbst hatte es für die Schule gelesen und „fand es furchtbar“, wie er dem Publikum im Anschluss an das Bühnenstück erzählt. Zudem so kompliziert, dass man sich die Mühe es zu übersetzen habe sparen können.

Gleichzeitig habe die Geschichte ihn in den Bann gezogen: „Es ist schon irgendwie geil, aber nicht spaßig.“ Er habe sich gefragt, wie man das Stück unterhaltsamer machen kann.

Humor und Drama halten sich bei König Ödipus die Waage. So hat Wartke aus der klassischen Tragödie eine gewitzte und kluge Version auf die Bühne gebracht, bei dem das Publikum an seinen Lippen hängt. Und wenn der Priester dazu auffordert, das Publikum solle mitsingen – „Ich sage ‚König‘ ihr singt ‚Ödipus‘“, dann singt nicht nur das ganze Publikum mit Begeisterung mit, sondern klingt dabei so harmonisch, als habe es vorher geprobt.

Der Meister der spitzen Wortakrobatik begeistert das Publikum, das es ihm mit minutenlangem Applaus und Standing Ovation dankt. Selbstverständlich verbeugt sich dort jeder Charakter noch einmal einzeln – so ist es im Theater Brauch.

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