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Sehr private Einblicke Was macht Osnabrücks Ex-Oberbürgermeister Wolfgang Griesert heute?

Von Hildegard Wekenborg-Placke | 11.09.2023, 06:01 Uhr

Seit fast genau zwei Jahren ist Wolfgang Griesert Ex-Oberbürgermeister und Pensionär. Doch Ämter und Projekte hat Osnabrücks ehemaliger erster Verwaltungsbeamter immer noch genug – inklusive TV-Präsenz.

Erfahrung vor der Kamera hatte Griesert schon. Im Mai kam eine weitere hinzu: Es war ein Werbespot für ein neues Milka-Eis, den er zusammen mit seinem Sohn Niko gedreht hat. Als ehemaliger RTL-Bachelor im Jahr 2021 hat dieser es zu Bekanntheit gebracht hat, die er inzwischen unter anderem auf Youtube und bei Instagram als Influencer nutzt.

Werbespot für Froneri

Vater Griesert erinnert sich: „Mein Sohn hat mich gefragt, ob ich bei einem Video für neue Eissorten dabei sein wolle. Als ich den Absender ‚Froneri, Eduard-Pestel-Straße, Osnabrück‘ gesehen habe, habe ich sofort zugesagt.“ Der Dreh war dann eine kleine Herausforderung. „Das neue Eis ist zwar lecker, aber ich musste fünfmal reinbeißen, bis die Szene im Kasten war“, sagt der bald 66-Jährige.

Als Oberbürgermeister hatte ihm der RTL-Auftritt, der ein Teil der Homestory um seinen Sohn war, seinerzeit einige Häme eingebracht. Daran, dass er bedingungslos hinter seinem jüngsten Sohn steht, ändert das nichts. Im Gegenteil: Voller Stolz berichtet er, wie Niko vor kurzem für ein Fitness-Projekt bis ins Anapurna-Basecamp in Nepal aufstieg. „Ergebnis waren ein faszinierender Sechsteiler mit dramatischen Bildern auf YouTube und über 200.000 Euro für Bildungsprojekte in Nepal..

Dass er seine drei Kinder, alle studierte Betriebswirte, heute noch gern unterstützt, hört man deutlich heraus. „Uns Eltern lassen Freude und Sorge auch bei längst erwachsenen Kindern nicht kalt.“

Wolfgang Grieserts Ehrenämter

Bei aller Freiheit, sich wieder mehr um die Familie kümmern zu können, sind für Griesert heute andere Dinge mindestens ebenso wichtig – und sie sind allesamt rein ehrenamtlicher Natur, darauf legt er Wert. „Ich war mir von Anfang an klar, ich mache etwas ganz anderes, keine Politik, keine Beratung für Parteien oder ähnliches“, sagt Griesert. Ein Jahr lang habe er sich eine Auszeit genommen, viel Zeit mit der Familie verbracht, Sport getrieben, Bücher gelesen. „Ich fühle mich genauso fit wie früher. Da möchte ich einfach der Gesellschaft etwas zurückgeben.“

Als OB engagierte sich der evangelische Christ qua Amt bei den Evangelischen Stiftungen, deren Vorstand jeweils zur Hälfte mit Vertretern der evangelischen Kirche und der Stadt besetzt ist. Schon als Stadtbaurat hatte er die Gründung der Diakoniestiftung miterlebt. Seit seinem Ausscheiden als Oberbürgermeister engagiert er sich im Stiftungsvorstand.

Vorsitzender der Universitätsgesellschaft

In der Diakoniestiftung, aber fast mehr noch in seinem zweiten Ehrenamt als Vorsitzender der Universitätsgesellschaft kommen dem ehemaligen Stadtoberhaupt die Kontakte aus seiner aktiven Zeit sehr zugute. Formal seit dem 1. November 2022 ist er Vorsitzender der gemeinnützigen Gesellschaft, die sich die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Unterstützung von Forschungsprojekten auf die Fahnen geschrieben hat. Auch Grieserts Nachfolgerin im Amt, Katharina Pötter, und der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff sind Mitglieder. In letzter Zeit wurde die Universität bei der Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen unterstützt, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind.

Und was macht der Ex-OB, wenn er sich nicht seinen Ehrenämtern widmet? „Mir wird nicht langweilig“, sagt er und lacht. „Montag, Mittwoch und Freitag ist Familytime. Und das Wochenende eigentlich“, wobei die Betonung angesichts der Ehrenämter auf dem „eigentlich“ liegt.

Fitness, Sport und Hunde auf Zeit

An einem normalen Familientag stehen Griesert und seine Frau Maria Elisabeth relativ zeitig auf, „spätestens um 8.30 Uhr“. Dann gehe es oft ins Fitnessstudio „oder wir durchstreifen Wald und Wiesen, besonders wenn wir Urlaubshunde hüten. Ich bemühe mich, mindestens dreimal in der Woche Sport zu machen“, sagt der ehemalige aktive Handballer, der mit einer Sportlehrerin verheiratet ist. „Und damit der Kopf nicht einrostet, spiele ich vermehrt Schach, online oder ab und zu auch in Präsenz mit einem guten Freund aus Kiel.“

Stammgast beim VfL Osnabrück und den Girolive Panthers

Neben dem aktiven gibt es auch den Passivsportler Griesert. Bei den Basketballdamen der Girolive Panthers in der Bundesliga ist er Stammgast, ebenso wie beim VfL an der Bremer Brücke. Natürlich mit Dauerkarte, seit Jahren immer West, auch zu seinen aktiven Zeiten als OB. Das habe seine Nachbarn auf der Stehplatztribüne sicher oft geärgert, glaubt er. „Natürlich wieder der Griesert, der erst kurz vor der Hymne kommt und sich durchdrängelt“, sagt er und grinst. Noch heute habe er nicht immer die Zeit, pünktlich zu kommen, räumt er ein.

Und dann ist da noch eine ganz private Sache, bei der man dem ehemaligen Oberbürgermeister die emotionale Betroffenheit anmerkt. Die Grieserts waren über Jahre als Bedarfspflegefamilie tätig und nahmen bei sich Kinder auf, die nicht in ihren Familien bleiben konnten. „Meist hatten wir Kinder zwischen vier und sechs Jahren, aber auch ein Baby. Einige hatten schon Unfassbares erlebt“, erzählt er. „Es war eine prägende Zeit, die ein großes Stück Erdung gebracht hat. Wenn die Kinder volljährig sind, können sie erfahren, wo sie zeitweise gelebt haben, manche länger als ein Jahr. Sollten sie dann einmal vor unserer Tür stehen, wird die Freude groß sein“, sagt Griesert.

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