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Stadt legt Grundstückspreise fest Weil Erbpacht sich nicht lohnt: Osnabrück will Bauland am Eversburger Friedhof verkaufen

Von Sebastian Stricker | 15.09.2023, 14:15 Uhr 5 Leserkommentare

Seit April 2023 gilt in Osnabrück die Regel, dass städtische Grundstücke nur noch im Erbbaurecht vergeben werden. Bei der geplanten Eigenheimsiedlung am Eversburger Friedhof zeichnet sich aber schon die erste Ausnahme ab: Die Verwaltung drängt darauf, das Land zum Kauf anzubieten. Denn anders sei es bei den aktuellen Baupreisen und Bauzinsen kaum zu vermarkten.

Auf nicht mehr benötigten Erweiterungsflächen des Eversburger Friedhofs sollen 45 Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen. Südlich der Triftstraße stellt die Stadt dafür 1,6 Hektar Bauland zur Verfügung. Spätestens Anfang 2024 will sie mit der Erschließung beginnen.

So hoch wären die Erbbauzinsen für ein Durchschnittsgrundstück

Schwer tut sich die Verwaltung allerdings mit der neuen Osnabrücker Maxime, städtische Grundstücke prinzipiell für einen langen Zeitraum zu verpachten anstatt zu verkaufen. Sie glaubt, dass eine Vergabe im Erbbaurecht „einer erfolgreichen Vermarktung und damit der zeitnahen Schaffung von Wohnraum entgegensteht“. So geht es aus Unterlagen für die Ratssitzung am Dienstag (19. September) hervor.

Für die geplante Siedlung am Friedhof Eversburg hat der zuständige Osnabrücker Eigenbetrieb den anfänglichen Erbbauzins am Beispiel eines durchschnittlich großen Grundstücks von 400 Quadratmetern berechnet. Bezieher von unteren und mittleren Einkommen müssten demnach gut 340 Euro pro Monat an die Stadt zahlen. Wer nicht als Begünstigter für bezahlbaren Wohnraum gilt, rund 490 Euro.

Mehr Informationen:

Das Erbbaurecht erlaubt es, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts (Erbbauzins) auf einem fremden Grundstück ein Haus zu bauen. Für Menschen mit vergleichsweise wenig Geld ist das oft die einzige Möglichkeit, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Denn die Kosten für einen Grundstückskauf entfallen, und es können mehr Mittel in den Hausbau fließen.

Bei Grundstücksvergaben im Erbbaurecht schließen Eigentümer und Pächter einen langfristigen Vertrag ab, meist über viele Jahrzehnte. Der Erbbauzins beträgt anfangs üblicherweise fünf Prozent des Grundstückswertes – also zum Beispiel 5000 Euro pro Jahr bei einem Grundstück im Wert von 100.000 Euro. Der Pachtbetrag erhöht sich allerdings mit der Zeit, denn er ist gekoppelt an die Inflationsrate. Das heißt, er steigt in dem Umfang, wie auch Waren und Dienstleistungen teurer werden.

Fast kein Unterschied zur Anfangsbelastung beim Grundstückskauf

Eine etwa gleich hohe Anfangsbelastung, stellt Eigenbetriebsleiter Dirk König fest, sei „aufgrund der Kapitalmarktzinslage“ aber schon allein für den Kauf des Grundstücks zu erwarten. Hinzukomme, dass die monatlichen Erbbauzinsen im Laufe von 30 Jahren auf ungefähr das Doppelte ansteigen dürften, während Grundstückskäufer mögliche Kreditschulden kontinuierlich abbauen könnten.

Zusammenfassend heißt es in der Vorlage:

„Angesichts der ohnehin schon hohen Baupreise sieht es die Verwaltung als unrealistisch an, Erbbauberechtigte zu diesen Bedingungen zu akquirieren.“

Bezahlbarer Wohnraum auf jedem dritten Grundstück garantiert

Sie schlägt daher vor, alle Eigenheimgrundstücke im Baugebiet am Friedhof Eversburg zum Kauf anzubieten. Unerschlossen sollen sie pro Quadratmeter 294,50 Euro (ermäßigt 206 Euro) kosten. Das bringe Nettoeinnahmen für die Stadt in Höhe von 4,4 Millionen Euro. Denn 14 der 45 Parzellen seien für die Vergabe an Begünstigte vorgesehen – dreimal mehr als die Quote erfordere.

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Die Verwaltung empfiehlt darüber hinaus einen schrittweisen Verkauf der Grundstücke in vier Losen. Los eins soll zehn Doppelhaus-Parzellen am Westrand der Siedlung umfassen und direkt an Kaufinteressierte vergeben werden. Hier hat die Stadt zunächst junge Osnabrücker Familien im Blick.

Grundstücksvergabe nach dem Motto „Konzept schlägt Kaufpreis“

Die Lose zwei bis vier – bestehend aus Grundstücken für Doppelhäuser, Reihenhäuser und Hausgruppen – sollen per Konzeptvergabe an Bauträger gehen. Auch Baugruppen oder Architekten sind adressiert.

Konzeptvergabe bedeutet: Je mehr Wohnraum in guter Qualität ein solcher Bewerber der Stadt für das einzelne Los verspricht, je besser sein Vorhaben zudem in puncto Gestaltung, Klimaschutz oder auch Mobilität erscheint, desto eher erhält er den Zuschlag. Eine untergeordnete Rolle bei der Angebotsbewertung spielt hingegen der Kaufpreis, den ein Investor für die zu errichtenden Gebäude aufruft.

Mehr Informationen:
  • Los 1 (West): zehn Doppelhaus-Grundstücke zur Direktvergabe
  • Los 2 (Mitte): drei Grundstücke für insgesamt vier Reihenhäuser und eine etwa siebenteilige Hausgruppe zur Vergabe an Bauträger
  • Los 3 (Ost): fünf Grundstücke für je ein Reihenhaus und ein Grundstück für eine etwa fünfteilige Hausgruppe zur Vergabe an Bauträger
  • Los 4 (Süd): 14 Doppelhaus-Grundstücke zur Vergabe an Bauträger

Ratsmitglieder fordern mehr Direktvergabe von Grundstücken

Wie steht nun die Osnabrücker Politik zu den Plänen der Verwaltung? Vorige Woche tagende Fachausschüsse der Stadt signalisierten bereits grundsätzliche Zustimmung. Eine Abweichung von der noch jungen Erbpacht-Regel scheint für die Ratsleute beim Baugebiet am Eversburger Friedhof jedenfalls kein Problem zu sein.

Verwaltung fürchtet Häuser-„Wildwuchs“ und deutlich mehr Arbeit

Deutlich wurde allerdings ihr Wunsch nach mehr Direktvergabe. Die CDU-Fraktion verlangt sie sogar ausschließlich – was wiederum die Verwaltung schaudern lässt. Ein „Wildwuchs von nicht aufeinander abgestimmten Häusern“ sei dann zu befürchten, schreibt sie in einem Vorab-Protokollauszug der jüngsten Immobilienausschuss-Sitzung. Vom „deutlich höheren Personalaufwand“ einmal ganz abgesehen, den ein Verzicht auf Konzeptvergabe für den Fachdienst Grundstücke bedeute.

Folgender Kompromiss zeichnet sich nun ab: Die Lose 1 bis 3 werden so vermarktet, wie von der Verwaltung vorgeschlagen. Zudem soll nicht-gewerblichen Baugruppen (zum Beispiel eine größere Familie oder ein Freundeskreis) die Bewerbung erleichtert werden, indem Los 2 oder 3 für sie reserviert und noch kleinteiliger gestaltet werden. Die Vermarktung von Los 4 wird zurückgestellt, um hier die zuvor gesammelten Erfahrungen einfließen zu lassen.

5 Kommentare
Clemens Ratte-Polle
1+2-Familienhäuser-Naubauten sollen sich Beziehende von unteren einkommen lesiten können? Solche Bauten linderten die Wohnungsnot? Es sit wohl eher die #Häusernot, das geifernde #Baugold, welches Kapitalstock sucht. Und natürlich die Banken mit Kredit-Zinsen. Wohnraum nur für Reichere also wieder - und schnelles Geld für die Stadtkasse, mit unsicheren Spätfolgen für Mietenwahnsinn.