Ein Artikel der Redaktion

„DigiSucht“ in Osnabrück auch anonym Suchtberatung online: Caritas-Mitarbeiterin Marina Wawilkin zeigt, wie es funktioniert

Von Sandra Dorn | 02.09.2023, 15:00 Uhr

Alkohol, harte Drogen, Online-Sucht: Wer abhängig ist oder auch nur eine Einschätzung braucht, ob er ein Sucht-Problem hat, kann sich in Osnabrück unter anderem bei der Caritas beraten lassen. Bislang ging dies nur vor Ort. Jetzt gibt es ein Online-Portal, bei dem sich Klienten auch anonym melden können.

Die ersten Beratungen haben online bereits stattgefunden, und siehe da: Plötzlich melden sich erheblich mehr Frauen und auch mehr Personen, die noch nicht so tief in der Sucht stecken, berichtet Marina Wawilkin, Leiterin des Fachbereichs Suchtprävention und Rehabilitation bei der Caritas in Osnabrück.

„Sie melden sich an und sagen: ‚Ich habe ein paar Fragen. Ich trinke ein bisschen zu viel.‘“ Es seien Klienten, an die sie und ihr Team bislang nicht gut herangekommen sind. Klienten, die noch die Kurve kriegen können.

Suchtkranke Frauen aus Stadt und Landkreis Osnabrück bislang kaum erreicht

Bislang habe ihr Team vor Ort im persönlichen Gespräch überwiegend Männer beraten. Nur 10 bis 15 Prozent der Hilfesuchenden waren Frauen, sagt Wawilkin. „Wir vermuten, dass etwa Alleinerziehende es zeitlich einfach nicht zu uns schaffen.“ Online sieht es plötzlich ganz anders aus: 37 Prozent derer, die online Beratung suchten, seien bislang Frauen gewesen und 63 Prozent Männer.

Unter der Adresse www.suchtberatung.digital kann sich jeder unverbindlich registrieren – das geht auch anonym. Angegeben werden sollen dann das Alter, das Geschlecht und die Info, ob man selbst betroffen oder Angehöriger ist – das schließt neben Verwandten auch Freunde oder Arbeitskollegen ein, die nicht wissen, wie sie mit der Sucht eines anderen umgehen sollen.

Durch Eingabe der Postleitzahl landen Betroffene bei der Wunsch-Beratungsstelle

„DigiSucht“ ist ein bundesweites Portal. Wer im Raum Osnabrück lebt und hier auch beraten werden will, gibt einfach seine Postleitzahl ein – so landet die Anfrage dann bei der Caritas, die das Angebot in unserer Region als Modellstandort mitentwickelt hat. Rein theoretisch können Betroffene sich auch in Berlin beraten lassen.

Wer eine Beratung sucht, kann dann unverbindlich seine Frage stellen - und die Mitarbeiter bieten dann einen Termin per Chat oder Video an. Auch eine Mischform geht, etwa ein Start im Chat und dann Wechsel ins Videotelefonat. Das wiederum sei sicher verschlüsselt, so Wawilkin.

Ein Ausweichen auf die Plattform „Zoom“ wie zu Corona-Zeiten sei nun nicht mehr nötig. Auch Personen, die bereits persönlich in der Beratungsstelle waren, können bei Bedarf auf das Online-Format wechseln.

Wechsel zwischen Chat und Video bei „DigiSucht“ möglich

Das Videotelefonat ist vergleichbar mit einem der gängigen Plattformen. Wawilkin schaltet ihre Kollegin Gianna Niemeyer über das Portal zu und simuliert mit ihr ein Klientinnen-Gespräch.

Auf dem Online-Portal können die Hilfesuchenden auch ein Suchttagebuch führen und dann selbst entscheiden, ob sie der Beraterin oder dem Berater per Freischaltung Einblick gewähren wollen oder nicht, zeigen die beiden.

Die Plattform ist 24 Stunden erreichbar, die Beratung ist kostenlos und auf Wunsch anonym.

Caritas Osnabrück hat bislang 96 Registrierungen bei „DigiSucht“

Bislang hätten sich im Zuständigkeitsbereich der Osnabrücker Caritas 96 Personen registriert, so Wawilkin – und bis jetzt hat die Beratungsstelle vor Ort noch keine Werbung gemacht, da die Pilotphase erst jetzt endet. 70 Prozent von den Registrierten waren oder sind selbst betroffen, 30 Prozent sind Angehörige, zu denen neben Verwandten und Freunden unter anderem auch Arbeitskollegen zählen.

Gianna Niemeyer berichtet, dass sie gerade erst einer Klientin über die Online-Beratung in einer Reha-Maßnahme vermitteln konnte.

Klienten sparen Zeit und Geld für die Anfahrt

Noch einen Vorteil sieht Wawilkin in der Zeitersparnis - sowohl für die von Sucht Betroffenen als auch für ihr Team: Bislang hätten selbst für kurze Fragen Vor-Ort-Termine vereinbart werden müssen. Nun lasse sich vieles auch schnell online klären. Betroffene, die einen längeren Anfahrtsweg haben, ihre Kinder betreuen müssen oder wegen Schichtarbeit wenig Zeit haben, können nun auch einen Chat- oder Videotermin vereinbaren.

Die Caritas in Stadt und Landkreis Osnabrück ist einer von vier Trägern, die das Portal in Niedersachsen modellhaft einführen. In anderen Regionen des Bundeslandes sind es Diakonie, Awo und paritätischer Wohlfahrtsverband. Nach und nach soll DigiSucht sämtlichen Trägern zur Verfügung stehen. Bislang nehmen an der bundesweiten Plattform 41 Beratungsstellen in 13 Bundesländern teil.

Noch keine Kommentare