Knapp fünf Monate nach der Grundsteinlegung steht das Grundgerüst der Tigeranlage. Ins Auge fallen schon jetzt die von großen quadratischen Öffnungen durchsetzten Außenmauern, in die über 50 Fenster und Gitter eingesetzt werden, sowie eine riesige Treppe. Sie führt die Besucher auf einen 19 Meter langen und fünf Meter hoch gelegenen Aussichtssteg. Von dort bietet sich ein erhabener Blick über die gesamte Anlage.
„Wir liegen mit dem Bau gut im Zeitplan. Momentan gehen wir davon aus, dass das Gehege für die Tiger bereits zu Ostern eröffnet werden kann“, sagt Zoopräsident Reinhard Sliwka . Der abgetrennte Teilbereich für die Siamangs und Binturongs werde voraussichtlich an Pfingsten (8./9. Juni) folgen.
Anlage aus einem Guss
Die Tigeranlage fügt sich nahtlos in die fernöstlich angehauchte Zooumgebung ein, die seit der Neugestaltung des alten Affenfelsens vor gut zwei Jahren immer mehr den kambodschanischen Tempelbauten von Angkor Wat gleicht. Und die stetig weiter wächst: Denn bis 2016 sollen auch das Menschenaffen-Haus – Heimat von Orang-Utan Buschi – sowie die Elefantenanlage im Asia-Look erscheinen. „Hier entsteht eine komplett neue Erlebniswelt“, erklärt Zoo-Geschäftsführer Andreas Busemann. Ist diese fertig, soll eine Nordamerika-Landschaft folgen. Besucher hätten dann die Möglichkeit, am Schölerberg binnen weniger Minuten quer durch die Kontinente zu spazieren – „von Afrika über Amerika nach Asien“. Mit dieser Neuordnung ziehe der Zoo die Konsequenzen aus einer Umfrage, in der sich Besucher über eine schwierige Orientierung beklagt hatten. Außerdem mache der Tierpark sich von modischen Zwängen frei, was die Architektur der Anlagen betrifft, „denn Erlebniswelten kommen nicht aus der Mode“. Spätestens 2018, so Busemann, sei „alles in Themenwelten überführt“.
Für das Erscheinungsbild dieser Kulissen ist im Zoo Osnabrück der Künstler Detlef Gehrs aus Engter zuständig. Grundidee seiner Entwürfe: Die Natur erobert sich die von Menschen bebaute Welt nach und nach zurück. „Für die Tigeranlage habe ich mir eine verfallene, von Tieren bewohnte Tempelruine vorgestellt“, sagt Gehrs. „Tiger schleichen zwischen Mauerresten umher, und Siamangs hangeln sich von Ast zu Ast.“ Bis zu 14 Handwerker sind zurzeit damit beschäftigt, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Mit viel Fantasie und Geschick verwandeln sie kalten Stahl und nackten Beton in ein aufregendes Gemäuer, das selbst brandneu schon uralt aussieht.
Beitrag zum Artenschutz
Hinter fünfeinhalb Meter hohen Mauern und 36 Millimeter dicken Panzerglasscheiben – einzeln über 500 Kilogramm schwer – wird sich dann in wenigen Monaten ein zweijähriges Sumatra-Tigerweibchen aus Warschau samt Partner tummeln. „Der passende Kater wird noch gesucht“, sagt Zoodirektor Michael Böer. Das Tigermännchen soll entweder ebenfalls aus Polen (Breslau) oder England kommen. Gelingt dem Zoo Osnabrück mit diesem Raubkatzen-Paar die Nachzucht, wäre das ein wertvoller Beitrag zum Artenschutz und zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Denn von Sumatra-Tigern gebe es in freier Wildbahn vermutlich keine 400 Exemplare mehr, so Böer. „Es kann passieren, dass sie in 20 bis 30 Jahren aus ihrem natürlichen Lebensraum völlig verschwunden sind.“