Es sind Eindrücke von riesigen Zugvogelschwärmen und bunten Libellen, die Janina Voskuhl als kleines Mädchen in ihrer emsländischen Heimat Surwold regelmäßig im nahegelegenen Hochmoor sammelte. „Diese Kindheitserinnerungen verbinden mich seit jeher mit der Natur, und so entschied ich mich nach dem Abitur 2006 für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Ostfriesland“, berichtet sie. In der Naturschutzstation Fehntjer Tief führte sie zum ersten Mal Besucher durch die dortige Niedermoorlandschaft, informierte über Kiebitz und Brachvogel und stellte fest, so sagt sie, wie schön und wichtig es sei, „die Augen der Menschen in der Natur zum Leuchten zu bringen“. (Weiterlesen: Anerkennung und Unterstützung für Osnabrücker Naturschützer)
Vom Knistern des Watts
Vor diesem Hintergrund begann Voskuhl 2007, an der Hochschule Osnabrück Landschaftsentwicklung zu studieren, mit Schwerpunkt Umweltbildung und Zoologie. Zum Studium gehörte ein Praktikum, das sie nach Wangerooge führte. „Ich wählte das Wattenmeer, da es das bedeutsamste Gebiet Niedersachsens für Zugvögel und seltene Brutvogelarten ist“, erklärt sie. Es war der Anfang einer großen Liebe: Immer wieder zieht es die Naturschützerin seitdem an die Nordsee. Nur wenige Tage nach Abschluss ihres Studiums startete sie als Saisonmitarbeiterin beim Naturschutzbund (Nabu) im Nationalparkhaus auf Wangerooge ihre Berufslaufbahn. Um in den Sommermonaten Touristen sicher und umweltschonend durch das Watt führen zu können, absolvierte sie den Wattführerschein. „Wenn es richtig windstill ist, hört man das Watt knistern“, weiß Voskuhl. Sie hat ein Gespür dafür, Leute neugierig zu machen, Aufmerksamkeit auf kleinste Details zu lenken. „Das Knistern wird von den Schlickkrebsen verursacht, die mit ihren Antennen Algen vom Boden kratzen.“
568 Bienenarten in Deutschland
Drei Winter verbrachte die Osnabrückerin auf Helgoland. Für den Verein Jordsand leitete sie Exkursionen zu den Kegelrobben auf der Helgoländer Düne, die im November Nachwuchs bekommen. 2014 kehrte sie nach Osnabrück zurück, um als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Zoologie/Ökologie/Umweltbildung an der Hochschule aktiv zu werden. Auch wenn sie bis heute Wattvögel und Robben nicht aus den Augen verliert, zwischendurch Nordseeluft schnuppert, widmet sie sich nunmehr den Wildbienen und arbeitet mit dem Osnabrücker Bienenbündnis zusammen. „Viele haben bei diesem Thema das Nutztier Honigbiene im Kopf. Die Wenigsten denken an die 568 anderen Bienenarten, die in Deutschland vorkommen“, verdeutlicht Voskuhl die unbekannte Vielfalt.
Osnabrück als Oase für Wildbienen
In Osnabrück konnten bisher knapp 100 Wildbienenarten nachgewiesen werden: als kleinste eine nur vier Millimeter messende Wespenbiene, als größte eine Hummel. Viele Arten seien für den Laien nicht als Biene erkennbar, sondern sähen eher wie Fliegen oder Ameisen aus. Gerade das mache das Thema so spannend und die Stadt Osnabrück zu einer Oase für Wildbienen, sagt Voskuhl. Im Frühjahr summen sie im Bürgerpark um Frühblüher wie Blaustern oder Lerchensporn. Im April, wenn die Weiden blühen, wird der Rubbenbruchsee zum Hotspot für die auf Weidenkätzchen spezialisierten Arten. Im Mai surrt es ganz besonders in den Nischen der Hasefriedhofsmauer. (Weiterlesen: Jedes fünfte Bienenvolk hat den Winter in Osnabrück nicht überlebt)
Wichtigste Nahrungsquelle: bunte Blüten
Leicht haben es die schützenswerten Wildbienen heute nirgends. Da sie je nach Art von Anfang März bis Ende Oktober fliegen, benötigen sie eine große Vielfalt an Blüten als Nahrung. Besonders hart sei für sie deswegen heute das Überleben auf dem Land. „Dort fehlt es an Feldrainen und Hecken, an Wildkräutern in den großflächigen Äckern und Monokulturen. In der Stadt hingegen gibt es eher kleinflächige Strukturen wie Parks, Kleingärten oder den Botanischen Garten, die die Bienen so dringend benötigen“, weiß Voskuhl. Es gäbe sogar Arten, die ihren Nistplatz direkt im Stadtzentrum haben. „Tausende kleiner Sandhäufchen in den Fugen des Kopfsteinpflasters vor der Johanniskirche zeugen von der Anwesenheit der Bärtigen Sandbiene“, verrät sie. Derartiges Insiderwissen bündelt die Wissenschaftlerin derzeit zusammen mit Professor Herbert Zucchi, Experte für Zoologie und Tierökologie, im Buch „Wildbienen in der Stadt Osnabrück – entdecken, verstehen, schützen“, das im März 2018 erscheinen soll. Dank finanzieller Unterstützung der Bingo-Umweltstiftung und der Haarmann-Stiftung Umwelt und Natur wird es für alle Interessierten kostenlos erhältlich sein.