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Premiere in Osnabrück Gustav Rueb inszeniert „Die Physiker“

Von Anne Reinert, Anne Reinert | 05.04.2016, 22:00 Uhr

Drei Physiker im Irrenhaus, die die Apokalypse abwenden wollen: Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ ist einer der größten Theatererfolge der Nachkriegszeit. Der Schweizer Regisseur Gustav Rueb hat sie für das Theater Osnabrück inszeniert. Am Samstag hat das Stück Premiere.

Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ ist ein oft gespieltes Stück auf den Theaterbühnen. Doch sonderlich beliebt ist der Stoff unter Theatermachern nicht. Das Stück haben einen „schlechten Ruf“, sagt Gustav Rueb . Das liege daran, „dass ein bisschen viel Moral drin steckt“, so der Regisseur, der die schwarze Komödie für das Theater Osnabrück inszeniert. Und doch schätzt der in Zürich geborene Rueb sie als Stück, das er eher philosophisch denn als Wissenschaftsdiskurs interpretiert.

Die Komödie, die 1962 uraufgeführt wurde, entstand vor dem Hintergrund des atomaren Wettrüstens zwischen den USA und Russland und fragt nach der Verantwortung der Wissenschaft. Sie ist in einem Schweizer Sanatorium angesiedelt, in das drei Männer eingewiesen wurden, die sich für die berühmten Physiker Einstein, Newton und Möbius ausgeben. Doch wer sind sie wirklich? Und wer ist tatsächlich verrückt?

Das Stück habe mehr als ein halbes Jahrhundert später etwas sehr Altmodisches, so Gustav Rueb . Die Figuren siezen sich ganz formell, die Klinikleiterin wird als „Fräulein“ von Zahnd angesprochen. Angesiedelt ist es laut Dürrenmatts Regieanweisung im „Salon einer bequemen, wenn auch etwas verlotterten Villa des privaten Sanatoriums ‚Les Cerisiers‘“, in der wohlhabende Patienten behandelt werden. „Seltsamerweise kommen uns Dinge, die noch gar nicht so lang zurückliegen, oft altmodischer vor, als die, die viel älter sind“, sagt Gustav Rueb.

Trotz eines veralteten Zeitgeistes sei das Stück immer noch aktuell: Das atomare Wettrüsten gebe es immer noch. Und auch die Erkenntnis, dass Moral keine Rolle spielt, hält Rueb für zeitgemäß. Denn während die Physiker noch glauben, die Apokalypse von der Welt abwenden zu können, sind ihnen die Fäden längst aus der Hand genommen. Stattdessen habe das Kapital die Führung genommen. Eine Erkenntnis, die heute genauso gelte.

Dürrenmatt werde oft mit Brecht verglichen, sagt Dramaturgin Marie Senf. Denn beide Autoren haben sehr modellhafte Stücke geschrieben. Tatsächlich aber unterscheiden sie sich in einem wichtigen Punkt: Brecht habe an die Veränderbarkeit der Welt geglaubt, dagegen sei Dürrenmatts Haltung in den apokalyptisch endenden „Physikern“ geradezu nihilistisch. Das Stück selbst bietet keine Lösung. Erst die 21 Punkte, die Dürrenmatt als Nachwort zum Stück schrieb, gibt einen möglichen Ausblick. Für das Stück selbst dagegen gilt die darin formulierte Prämisse: „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmst-mögliche Wendung genommen hat.“

Aber apropos Apokalypse, das Endzeitthema scheint das Theater Osnabrück derzeit besonders zu interessieren. Schließlich war sie schon Thema des Spieltriebe-Festivals im Herbst. Marie Senf sieht aber einen Grund, warum das so sein könnte. „Der Extremfall ist für das Theater immer besonders spannend“, sagt sie. Das relativierende „Ein bisschen so und ein bisschen so“ interessiere auf der Bühne eben weniger.

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