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Beim Deutschen Musikfest Loslösen vom Notenständer: Brass Bands beweisen ihre Show-Qualitäten

Von Matthias Liedtke | 31.05.2019, 08:22 Uhr

Fliegt da etwa das Blech weg? Erstmals findet im Rahmen des sechsten Deutschen Musikfestes in Osnabrück ein Entertainment-Wettbewerb statt, bei dem Brass Bands in klassischer Besetzung und aus ganz Europa ihre Show-Qualitäten unter Beweis stellen können.

Stören angeklebte Bärte beim Spielen traditioneller englischer Blechblasinstrumente? Das ist eine von vielen Fragen, die sich stellten, als Bandleader Alexander Richter aus Jena sein „Blechklang“-Ensemble darauf einstimmte, Peter Grahams „Call Of The Cossacks“ auch auf optisch unterhaltsame Weise einzustudieren. Er selbst hatte als amtierender Vizepräsident des Deutschen Brass Band Verbandes (DBBV) europaweit zum ersten deutschen Brass-Band-Entertainment-Wettbewerb aufgerufen, der am Samstag, konzipiert nach dem Vorbild des „Brass In Concert“-Wettstreits in Newscastle, auf dem sechsten Deutschen Musikfest in der Osnabrück-Halle über die Bühne gehen wird. Genau diese soll dann nicht nur für musikalische Darbietungen genutzt werden. Bewertet wird laut Wettbewerbsordnung auch und vor allem der Unterhaltungswert und die Publikumswirksamkeit der Darbietungen.

Ganze Bandbreite abgebildet

Dafür haben sich die Blechklang-Künstler Einiges einfallen lassen – nicht zuletzt, um gegen die starke, auch internationale Konkurrenz zu bestehen. Denn neben Brass Bands aus Bayern, Detmold und Schwerin haben sich auch hochkarätige und preisgekrönte Ensembles aus Österreich und den Niederlanden angemeldet. Das Schöne sei aber, dass „von Champions bis hin zu Jugend- und Nachwuchsgruppen die ganze Bandbreite“ der in Deutschland noch unterentwickelten Sparte abgebildet werde, sagt Richter. Er selbst hat im Alter von sieben Jahren mit Flöte angefangen und ist nach Studium in Leipzig und Innsbruck inzwischen auch Solo-Trompeter am Theater und Lehrer an einer von ihm mitgegründeten Orchesterschule.

Das Blickfeld erweitert

Entstanden ist die klassische Brass Band mit ihrem typischen Blechklang und Schlagwerk als Bergwerksorchester im England der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts, aber auch als Musikcorps der Heilsarmee. Während in der Pionierzeit marschierende Fanfarenzüge dominierten, treten heutige Brass Bands buchstäblich gesetzter und konzertanter auf. Um aber auch visuell einen Unterschied etwa im Vergleich zu Symphonikern zu machen, möchte Alexander Richter seine Musiker zum Aufstehen bewegen – so wie es in anderen Ländern längst Tradition ist. Das „Lösen vom Notenständer“ habe dabei so manches komödiantische, artistische und akrobatische Talent zum Vorschein gebracht, verrät er. Mit dem gruppendynamischen Nebeneffekt, dass sich die Bandmitglieder „über die reine Musik hinaus“ noch einmal ganz anders kennengelernt hätten. „Man hat gesehen, was die Kollegen sonst noch alles so können“, berichtet Richter von einer entsprechend vergnüglichen, ausgelassenen und den Horizont und das Blickfeld erweiternden Probenzeit für den großen Auftritt beim Musikfest – nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit Kornetten, Hörnern, Tuben, Posaunen und Euphonien, und eben Show-Elementen.

Träume und Tänze

Grahams Kosaken-Suite eignet sich mit seinen fünf charakterlich denkbar unterschiedlichen Sätzen ganz besonders für ein abwechslungsreiches Entertainment-Programm, das sich um die Musik herumbauen lässt - beginnend mit einer Art Triumphzug auf die Bühne, gefolgt von einem nächtlich illuminierten „Zigeunertraum“, einem Zirkus mit Jonglage und Feuertanz, einem auch optisch kargen Klagelied und einem Hochzeitstanz mit Knalleffekt. Bei allen Gags, Positionswechseln, Kostümierungen und Slapstick-Einlagen solle aber vor allem bei den Solo-Partien und den ruhigeren musikalischen Passagen die „Show die Musik nicht überlagern“, betont Richter als künstlerischer Leiter.

Tagestour mit Show-Effekt

So darf man nicht nur beim Blechklang-Ensemble gespannt darauf sein, wie es den acht teilnehmenden Brass Bands gelingen wird, visuelle Effekte und Show-Einlagen ausgewogen in ihr musikalische Programm zu integrieren. Anreisen werden die Musiker aus Jena nach einem Zwischenstopp in Bielefeld erst am Samstag und nach der Urteilsverkündung am Abend auch schon wieder die Rückreise antreten. Viel sehen von Osnabrück und dem Deutschen Musikfest werden sie also nicht - aber gemeinsam mit ihren Konkurrenten dafür sorgen, dass es auch bei einem Konzert auf unterhaltsame Weise etwas zu sehen gibt.

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