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Lesung im Blue Note Karl Kassenbrock erforschte Leerstelle der Osnabrücker Stadtgeschichte

Von Uta Biestmann-Kotte | 03.07.2019, 15:45 Uhr

Über den Einsatz von KZ-Häftlingen 1944 auf dem Schienennetz zwischen Osnabrück und Rheine hat der pensionierte Lehrer Karl Kassenbrock das Buch "Konzentrationslager auf Schienen. Die Geschichte der 5. SS-Eisenbahnbaubrigade" veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht e.V. las er am Dienstag daraus im Blue Note bei der Littera-Veranstaltung der Buchhandlung zur Heide.

KZ-Häftlinge, die als 5. SS-Eisenbahnbaubrigade von Oktober 1944 bis April 1945 die Bombenschäden an den Eisenbahn- und Gleisanlagen zwischen Osnabrück und Rheine beseitigen mussten? Und das, um vor allem militärischen Nachschub wie die berüchtigten "Vergeltungswaffen" V1 und V2 zu sichern? Über diese Leerstelle der Osnabrücker Stadtgeschichte ist kaum etwas bekannt. Umso lobenswerter, dass der mittlerweile pensionierte Osnabrücker Lehrer Karl Kassenbrock darüber geforscht und seine Ergebnisse als Buch veröffentlicht hat. Am Dienstag las er über dieses "Konzentrationslager auf Schienen. Die Geschichte der 5. SS-Eisenbahnbaubrigade" im Blue Note bei der Littera-Veranstaltung der Buchhandlung zur Heide und in Zusammenarbeit mit den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht e.V.

Privater Forscherdrang

Begonnen hat alles mit einem Geschichtskurs der Hauptschule Innenstadt im Jahr 2012. Während der Untersuchung der Kriegsgräberstätten auf dem Heger Friedhof, stießen Kassenbrock und seine Schülerinnen und Schüler auf die Spur eines nahezu unbekannten "Geisterzuges" mit KZ-Häftlingen in Osnabrück. Für Kassenbrock begann eine rund siebenjährige private Forschungsarbeit, die ihn auf der Suche nach Quellen quer durch Europa führte. Anhand von Dokumenten, Briefen, Protokollen oder dem Tagebuch der Arbeitsleitung der SS-Eisenbahnbaubrigade erschloss sich für ihn der Alltag der 500 Häftlinge, die aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Neuengamme nach Osnabrück-Hörne überstellt worden waren. Mit auf Leinwand projizierten historischen Fotos und Abbildungen unterstrich Kassenbrock seine Ausführungen, die Schilderungen des Lageralltags und die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Häftlinge leben mussten. So waren sie in über 50 umgerüsteten Güterwaggons untergebracht, 24 Häftlinge in einem Waggon. Über den frühmorgendlichen Appell bis zum abendlichen Verschließen der Waggontüren berichtete Kassenbrock ebenso wie über die mangelnde Hygiene, die schlechte Versorgung oder die Gewalt durch Aufseher. Dazu kam die Schilderung von Lebensschicksalen wie das des jungen "Schutzhäftlings" Adam Dziubinski oder der Bericht des dänischen Offiziers Flemming Bussenius Larsen.

"Es sind die Leute, nicht diese Brigade", umschrieb Karl Kassenbrock seine Motivation. Sein nächstes Buchprojekt plant er denn auch über das Schicksal des von Hans Callmeyer als "Halbjude" eingestuften Kurt Reilinger, der Krieg und KZ Buchenwald überlebte und tragischerweise im September 1945 bei einem Autounfall ums Leben kam.

Karl Kassenbrock, "Konzentrationslager auf Schienen, Die Geschichte der 5. SS-Eisenbahnbaubrigade", Göttingen: Wallstein Verlag, 2019, 245 Seiten, 26,90 Euro, ISBN 978-3-8353-3419-9.

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