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Millionen-Investition am Gardasee So will ein Meppener Paar Autisten Urlaub in Italien ermöglichen

Von Daniel Gonzalez-Tepper | 24.08.2023, 07:41 Uhr | Update am 25.08.2023

Seit elf Jahren haben Dagmar und Holger Eiken-Lüchau aus Meppen eine Tochter mit Autismus und einem seltenen Syndrom. Urlaub zu machen mit Mia ist seitdem nicht immer einfach. Ein Feriendomizil, das speziell auf die Bedürfnisse von Kindern mit geistigen Einschränkungen ausgerichtet ist, fanden sie nicht. Deswegen planen sie nun selbst eine Millionen-Investition in Italien.

Ein Erlebnis während eines Urlaubs in einem Hotel auf Mallorca im Herbst 2019 machte Dagmar und Holger Eiken-Lüchau nachdenklich. Ihre Tochter Mia, die sehr lebhaft ist und einen großen Bewegungsdrang hat, hatte dabei während einer Aufführung vor der Bühne gespielt. Nicht alle Gäste des Hotels waren damit einverstanden und die Eltern der Autistin bekamen daraufhin böse Kommentare zu hören. „Autismus ist eine unsichtbare Behinderung“, sagt die Mutter.

Doch auch bei Urlauben in Ferienhäusern fanden die Eltern bisher nicht das passende Angebot vor. Mia hat zum Beispiel eine Weglauf-Tendenz und kann Gefahren nicht richtig einschätzen. „Ein Zaun um das Ferienhaus oder abschließbare Fenster sind daher für uns sehr wichtig“, erklärt Dagmar Eiken-Lüchau.

Mit-Investor aus der Gesundheitsbranche gefunden

Trotz intensiver Suche fanden sie kein Urlaubsdomizil, das ihren Bedürfnissen gerecht wurde. Deshalb werden sie ein solches nun selbst aufbauen. Und was ursprünglich klein und für den privaten Bedarf geplant war, hat sich zu einem größeren Projekt entwickelt. Dagmar und Holger Eiken-Lüchau fanden nämlich über private Kontakte einen Sozial-Investor. Ein solcher steckt sein Geld in soziale Projekte und möchte dafür keine Rendite haben.

„Er hat uns ermutigt, größer zu denken und nicht nur uns, sondern auch anderen Eltern, die Kinder mit besonderen Bedürfnissen haben, einen unbeschwerten Urlaub zu ermöglichen“, berichten die 51-Jährige und der 52-Jährige. Der Sozial-Investor ist selbst in der Gesundheitsbranche tätig, er möchte aber im Hintergrund bleiben.

Aus Pferdestall soll ein inklusives Restaurant werden

Gemeinsam mit dem Investor hat das Ehepaar in Italien in der Ortschaft Castellaro Lagusello, das zur Gemeinde Monzambano in der Nähe des Gardasees gehört, einen ehemaligen Reiterhof gekauft.

Im Frühjahr 2022 war der Kaufvertrag unter Dach und Fach. Seitdem treiben Dagmar und Holger Eiken-Lüchau die Planungen voran und renovieren zum Teil selber.

Auf dem 33.000 Quadratmeter großen Grundstück gibt es ein Wohnhaus, einen Pferdestall mit neun Boxen sowie eine Remise. Im Pferdestall soll ein inklusives Restaurant mit bis zu 45 Plätzen plus Biergarten betrieben werden, in dem Menschen mit und ohne Behinderung eine Beschäftigung finden.

Außerdem ist ein Hofladen geplant, in dem selbst hergestellte Produkte verkauft werden. In dem Wohnhaus möchten Dagmar und Holger Eiken-Lüchau für sich und ihre Kinder selbst eine Wohnung einrichten. Dort sollen aber auch Angestellte unterkommen.

Platz für bis zu 20 Familien mit Autisten

Auf dem weitläufigen Grundstück sollen acht bis zehn Ferienhäuser mit zwei oder drei Schlafzimmer gebaut werden, sie sind 60 oder 80 Quadratmeter groß. Alle werden eingezäunt sein und auf die Bedürfnisse von zum Beispiel Autisten oder Kindern mit Down-Syndrom ausgerichtet.

Ebenso wird es mehrere, ebenfalls umzäunte Wohnmobil- oder Wohnwagen-Stellplätze geben. Jeder Platz wird ein kleines Sanitärgebäude erhalten. Platz wäre so für bis zu 20 Familien mit Kindern, die besondere Bedürfnisse haben, und bis zu 60 Personen.

Investitionen von etwa fünf Millionen Euro geplant

Auf dem bisherigen Reitplatz sollen ein Pool, ebenfalls eingezäunt, ein großer Spielplatz, ein Soccer-Court, ein Beachvolleyball-Feld und ein kleines Theater mit Bühne errichtet werden. Da der Ort Castellaro Lagusello in einer Obstanbau-Region liegt, soll es auch einen großen Obstbaum-Garten geben.

„Casa Mia“ haben Dagmar und Holger Eiken-Lüchau das Urlaubsziel genannt. Beide gehen von Investitionen von etwa fünf Millionen Euro aus, etwa die Hälfte finanzieren beide zusammen mit dem Sozial-Investor bisher privat.

Für den laufenden Betrieb haben sie sich einer Sozialgenossenschaft angeschlossen, die einer gemeinnützlichen GmbH (gGmbh) in Deutschland ähnelt. „Der Betrieb soll nicht gewinnmaximierend ausgerichtet sein“, erklärt Holger Eiken-Lüchau, der beruflich mit einem Partner als Stadion-Gastronom in Meppen und Osnabrück tätig ist.

Noch sind einige Hürden zu überwinden

„Casa Mia“ soll überdies eine Art Akademie werden. Dagmar Eiken-Lüchau ist nämlich Erzieherin und Kommunikationspädagogin. Sie stellt ihr Wissen über Autismus, das sie über ihre Tochter und ein Zusatzstudium erhalten hat, anderen betroffenen Familien zur Verfügung. Die Eltern sollen also, wenn sie möchten, während ihres Aufenthalts in Italien von ihr und anderen Familien lernen.

Noch sind für das Vorhaben aber einige Hürden zu überwinden, verdeutlichen Dagmar und Holger Eiken-Lüchau. Der Antrag auf Nutzungsänderung des Reiterhofs (von Landwirtschaft zu Tourismus) ist gestellt, aber noch nicht abgesegnet von den Behörden. Erst dann kann der Bauantrag gestellt werden.

Das Ehepaar geht von einem Baubeginn 2024 und einer Inbetriebnahme ab 2025 aus. In Deutschland soll ein Förderverein gegründet werden, der notwendige Anschaffungen ermöglichen und den Aufenthalt der Familien unterstützen soll.

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