Kurz gesagt: es war ein musikalisches Brillantfeuerwerk, das Wolfgang Riegler-Sontacchi aus Graz an der Klausing-Orgel der St.-Matthäus-Kirche am Mittwochabend entfachte. Ins Zentrum des dritten sommerlichen Orgelkonzertes hatte er Choralbearbeitungen gestellt, die von leichten weltlichen Werken eingerahmt wurden.
Gleich zweimal, zu Beginn und am Schluss, ließ der Organist das historische Instrument in seiner gesamten Klangherrlichkeit förmlich prahlen. Wolfgang Riegler-Sontacchi hatte beinahe opernhaft anmutende Werke des italienischen Komponisten Giovanni Morandi (1777 bis 1856) ausgesucht, dramatisch, dann wieder operettenleicht in Klang und Melodie verwandelte er die Orgel in ein ganzes Orchester. „Die Wucht dieser historischen Orgel war mir ganz neu“, hatte er zuvor erklärt und ließ die Zuhörer bei dieser Musik, die auch von Rossini hätte stammen können, mitschwelgen.
Kuckucksruf im Sommer
Ein Kuckucksruf mitten im Sommer und dann noch von einer Orgel? 203mal ertönt die markante Terz im „Capriccio Cucu“ von Johann Kaspar Kerll (1627 bis 1693) und wird von unglaublich virtuosen Läufen und Trillern umspielt, die dem Gastorganisten perfekt von den Fingern perlten.
Nach dieser leicht zu hörenden Ohrenkost erhielten die Orgelfans gleich mehrere Bearbeitungen des Chorals „Vater unser im Himmelreich“ serviert. Neun Verse von Samuel Scheidt (1587 bis 1654) entwickelte Wolfgang Riegler-Sontacchi in den unterschiedlichsten Klangnuancen: mit sanften Flötenregistern erhielten die ersten drei Verse einen warmen Charakter, später dann umflochten sie die Soloregister und betteten die Choralmelodie ein. Der letzte Vers endet wie ein zum Himmel steigendes Gebet. Manch Orgelkenner wird sich vielleicht gefragt haben, ob der Organist bei einigen der Verse wohl doch noch eine zusätzliche Hand benutzt hat. Nein, hat er natürlich nicht. Aber er erklärte später, dass er mitunter die Solostimme, die er mit den Fingern hätte spielen sollen, ins Pedal registrierte, sodass er die Hände frei für die virtuosen Begleitstimmen hatte.
Allergroßartig und schwer
Georg Böhm (1661 bis 1733) verziert die Choralmelodie so barocküppig, dass das „Vater unser im Himmelreich“ nur noch schwer zu hören ist. Und Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) gar komponiert einen fünfstimmigen Satz, „eines der allergroßartigsten Stücke“, wie Wolfgang Riegler-Sontacchi in seiner Einführung geschwärmt hatte, „und eines der schwersten“. Eine Triosonate bildet die Oberstimmen, dazu klingen die Melodiezeilen als Kanon. Wenn man es nicht besser wüsste, wirkt dieses hochkomplizierte Komposition fast modern. Die höchste Orgelspielkunst vereinigte der Organist mit einem feinsinnigen Gespür für die passende Registrierung.
Etwas Leichtes zum Nachtisch
Nach diesen drei Orgelwerken, die konzentriertes Zuhören erforderten, gabs es gewissermaßen als Nachtisch etwas Leichtes. Ein bisschen Papageno war zu hören, etwas tänzerisch-menuetthaftes wie von einer kleinen Drehorgel: Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) komponierte für das Wiener Wachsfigurenkabinett ein Kabinettstück, das „Andante für eine Walze in einer kleinen Orgel KV 616“. Mit blitzsauberer Spieltechnik ließ Wolfgang Riegler-Sontacchi hören, dass er auch ein preisgekrönter Pianist ist. Schon mit 15 Jahren debütierte der 1971 geborene Österreicher mit dem 1. Klavierkonzert von Beethoven.
Mit Bachs „Liebster Jesu, wir sind hier“, verabschiedete sich der Gastorganist und hinterließ eine musikalische Visitenkarte auf allerhöchstem Niveau.
Wie jeden Mittwoch ließ Gerd Kruse das Carillon im Rathausturm wieder vor dem Orgelkonzert über die Stadt klingen. Mit den zum Orgelkonzertprogramm passenden Choralbearbeitungen sowie der „Kleinen Nachtmusik“ von Mozart verzauberte er die überall an den Ecken des Rathausplatzes lauschenden Konzertgäste.