Ein Artikel der Redaktion

Nachtruhe? Eigentlich um 22 Uhr... Auf einem Meller Acker mit Franz Schubert: Getreideernte in der Dunkelheit

Von Christina Wiesmann | 23.08.2023, 18:20 Uhr | Update am 25.08.2023

Zwischen harter Arbeit und all der Dorfromantik geraten Landwirte immer wieder in die Bredouille, wenn sie in der Dunkelheit auf den Acker müssen. Warum sie sich manchmal nicht an die Nachtruhe halten können? Das haben der Holterdorfer Landwirt Sebastian Brüggemeyer, Lohnunternehmer Franz Schubert und der Meller Landvolk-Chef Lars Sieckermann beim Ortstermin auf dem Feld erzählt.

Knapp 600 PS und rund zehn Meter Schnittbreite: Der Mähdrescher Claas Lexion 770, mit dem Franz Schubert an diesem Abend in Suttorf seine Bahnen zieht, ist ein echtes Kraftpaket. Zum Ende des Tageslichts hat er noch knapp sechseinhalb Hektar Weizen im Blick, die unbedingt heruntermüssen.

Müssen? „Ja, das Wetter ist in diesem Sommer, was den Weizen angeht, eine echte Katastrophe“, sagt Sebastian Brüggemeyer. Er bewirtschaftet besagtes Weizenfeld, das nur ein kleines Teilstück von den insgesamt etwa 500 Hektar ist, die der Landwirt im Erntejahr beackern muss.

Wetter zwingt Landwirte zu Arbeit in der Dunkelheit

Lars Sieckermann hat einen Überblick über die Gesamtsituation im Grönegau. Der Geschäftsführer des Landvolks Melle blickt auf die Erntesaison zurück: „Der Ertrag bei der Gerste war in diesem Jahr wirklich gut.“ Was aber die spätere Ernte des Weizens angeht, spricht auch Sieckermann von einer Katastrophe. „Zu einem gewissen Grad ist der Weizen nicht mehr nutzbar.“

Das Problem sei der nasse Sommer gewesen. Immer wieder folgte Regenschauer auf Regenschauer. Die trockenen Phasen dazwischen reichten oftmals gar nicht aus, um die Felder durchtrocknen zu lassen und anschließend abzumähen. Es verschob sich alles weiter und weiter nach hinten im Erntekalender.

So kommen die Landwirte und Lohnunternehmer eben bei guten Wetterbedingungen nicht drumherum, auch in der Dunkelheit los zu müssen. „Zwischen 22 und 6 Uhr ist eigentlich Ruhezeit“, weiß Sebastian Brüggemeyer. Lars Sieckermann sagt: „Es gibt aber Ausnahmen in der Erntezeit.“ Ausnahmen? Sieckermann sagt: „Wenn die Ernte unaufschiebbar ist. Da hat auch die Polizei, wenn sie denn mal gerufen wird wegen Ruhestörung, Verständnis.“

Es komme selten vor, erzählt Brüggemeyer, dass sich Anwohner zu später Stunde von landwirtschaftlichen Fahrzeugen gestört fühlten. „Aber es kommt vor. Das lässt sich leider einfach manchmal nicht ändern.“ Er plane schon immer, Felder an Wohngebieten tagsüber zu mähen. Aber ein solcher Sommer wie in diesem Jahr zwinge jeden Landwirt, genau dann loszulegen, wenn es trocken ist. Egal, ob taghell oder eben in der Dunkelheit.

Franz Schubert steuert derweil den Mähdrescher in seinen Bahnen. Vieles passiert mit dem technisch pfiffigem Gerät mittlerweile automatisch. Schubert fährt nach GPS, während des Fahrens lässt er den Weizen aus dem Rohr direkt in den Anhänger eines neben ihm fahrenden Traktors blasen. Das spart Zeit und funktioniert, wenn alle routiniert in ihrem Tun sind, eben auch blitzschnell.

Knapp 13.000 Liter Körner passen in den Tank des Mähdreschers. Die Qualität in diesem Jahr: dürftig. „Das Korn keimt bereits wieder aus“, erklärt Sebastian Brüggemeyer. Was für Unerfahrene wie Gras aussieht, der aus den Pflanzen sprießt, erweist sich als kleiner grüner Keimling, der direkt aus dem Korn herauswächst. Der Feuchtigkeit und ständigen Ernteverschiebung geschuldet, hat das im Sommer 2023 leider gut funktioniert. Ebenso, wie der Pilzbefall, der den Weizen für jedermann gut sichtbar grau erscheinen lässt.

Auf einer Anzeige im Mähdrescher kann Lohnunternehmer Schubert die Restfeuchte des Geernteten ablesen: rund 13 Prozent. „Geht wohl“, sagt er, während die warme Abendsonne irgendwo im Suttorfer Nirgendwo tiefrot in den Äckern zu versinken scheint. Ziemlich schön, findet die Reporterin auf ihrem Beifahrersitz.

Arbeit auf dem Feld vor romantischer Kulisse

Aber hat man überhaupt noch einen Blick dafür, wenn man sowas immer wieder sieht? Schubert grinst: „Auf jeden Fall. Das ist immer besonders.“ Die Romantik endet jäh, als der Mähdrescher seine Zinken in den Ackerboden gehauen hat. Zu viel Erde, die aus dem Mähwerk muss raus, erklärt Schubert. Er klappt das Lenkrad zur Seite, steigt flott die Leiter hinab und entfernt alles.

Ist das nicht gefährlich? Franz Schubert schüttelt bei der Weiterfahrt den Kopf. Dann erklärt er das System der eingebauten Sicherheitsverriegelung: „Sitzt keiner auf dem Fahrersitz, läuft am Fahrzeug auch nichts.“ Brüggemeyer und Sieckermann beobachten derweil das Geschehen vom Feldrand. Es scheint, als ob auch ihnen diese Landwirtschaftsromantik nicht fremd ist.

Sebastian Brüggemeyer gibt aber zu, dass man an richtig harten Tagen keinen Blick dafür habe. Einmal, erzählt er, habe er an einem solchen Tag die Nacht hindurch bis morgens um halb sechs auf dem Acker gestanden. Das sei schon verrückt gewesen.

Der Weizen vom Suttorfer Acker ist noch so weit in Ordnung, dass er Tierfutter auf dem Hof Brüggemeyer werden kann. Das Nebenprodukt Stroh braucht der Landwirt aus Holterdorf für seine eigenen Tiere nur wenig. Er verkauft es an Rindvieh- und Pferdebetriebe weiter.

Nächster Regen steht in den Startlöchern

Am Tag darauf soll das trockene Weizenstroh zu Bunden gepresst werden. Die Uhr tickt unaufhaltsam, der nächste Regen steht laut Wetterbericht schon vor der Tür, weiß Brüggemeyer: „Bis Donnerstag muss alles ab, am Freitag soll es schon wieder Regen geben.“

Lesen Sie auch: Trockenheit in der Landwirtschaft: Warum Dürre nicht gleich Dürre ist

Noch keine Kommentare