Es muss mit der Klausing-Orgel in der St.-Matthäus-Kirche in Melle schon eine besondere Bewandnis haben, wenn ein Gastorganist anreist, der die berühmten historischen Orgeln der Basilika zu Ottobeuren betreut. Josef Miltschitzky erklärte in seiner Begrüßung eingangs des vierten sommerlichen Orgelkonzerts mit eindrücklichen Worten: „Dies ist eines der allerschönsten Instrumente, die ich je gespielt habe.“
Und er schwärmte weiter vom besonderen Klang gerade des Prinzipalregisters der ja ebenfalls historisch bedeutsamen Klausing-Orgel. Er wolle aber den Konzertbesuchern möglichst viel von deren Klangreichtum vorstellen.
Und so kam es dann auch. Mit Werken vorwiegend aus dem thüringischen Raum schwelgte der Gastorganist in so gut wie allem, was die historische Orgel an Klängen zu bieten hat. Weich und flötengleich, dann wieder mittelalterlich besetzt mit Bordun oder Vox humana, strahlende Mixturen und sogar auch fast alles gleichzeitig setzte Josef Miltschitzky in musikalische Szenen um.
Mit der Fantasia in g und der Fuga in A von Johann Pachelbel (1653 bis 1706) eröffnete der Organist sein Konzertprogramm, das von äußerst virtuosen und vielschichtigen Werken dominiert wurde.
Von Samuel Scheidt (1587 bis 1654) stellte Josef Miltschitzky ein „Französisch Liedgen“ aus dessen Tabulatura nova vor, und damit ein leicht zu hörendes, aber hochkompliziert zu spielendes Werk. Die frische kleine Melodie, wie zu dem heißen Sommertag passend klingend, war aus den unglaublich virtuosen und filigranen Begleitstimmen immer wieder herauszuhören. Hier zeigte der Organist besonders seine wohldurchdachten und doch nie maniriert klingende Registrierkunst.
Perlende Läufe
Und danach: „etwas ganz Verrücktes“, wie Josef Miltschitzky angekündigt hatte. Mit dem „Capriccio“ von Johann Heinrich Buttstett (1666 bis 1727) übertraf sich der Künstler wohl selbst. Perlende Läufe in hohen Tempi gepaart mit kleinen Melodiemotiven, die wie Sommerfalter durch das Kirchenschiff flatterten, registrierte er so, dass das Werk im Raum zu schweben schien und bescherte den Zuhörern mit diesem selten zu hörenden Werk eine Hörüberraschung.
Nach den typischen, barocken Tanzsätzen der Partita V von Johann Krieger (1651 bis 1735) folgte der wunderschön gesetzte Choralsatz „Jesus, meines Lebens Leben“ mit acht Variationen von Andreas Armsdorf (1670 bis 1699). Jeder einzelne Satz wurde zu einem Kleinod der Klangkunst. Ob mit strahlender Mixturenbegleitung und dem melodietragenden Zungenregister im Pedal, ob hohe Flötenregister und ruhig klingende Gedackte: an Klangfacettenreichtum fehlte es wahrlich nicht. Und immer war die Choralmelodie herauszuhören, was zeigt, dass sich der Organist nicht in den Klängen der Orgel verlor, sondern sehr genau wusste, wie er die einzelnen Register auch im Zusammenklang zu handhaben hatte.
Das Feuerwehrpräludium
Mit Präludium und Fuga in C BWV 531 von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) beendete Josef Miltschitzky den Konzertabend. Das Kopfmotiv des Präludiums, der Hin-und-Herquartsprung, hat ihm den Beinahmen „Feuerwehrpräludium“ eingebracht. Sehr rasch, fast für den Raum ein wenig zu schnell und damit schwer mitzuhören, ging der Organist dieses Werk an. Aber nichtsdestoweniger zeigte er seine überaus feinsinnige Orgelkunst und seine hohe Virtuosität auch mit diesem Werk.
Eine Zugabe gabs, und diese g-moll-Fuge von Bach beendete den beeindruckenden Orgelabend ruhig und versöhnlich nach viel Tempo und beinahe überbordendem Klangreichtum.
Wie immer leitete Gerd Kruse am Carillon im Rathausturm den Orgelabend sehr sinnig ein, mit eigenen Improvisationen zum später folgenden Choralsatz oder Kanon und Fuga von Pachelbel. Von einem Zuschauer war später zu hören, dass er die Wandlungsfähigkeit solch eines Glockenklanges gar nicht kannte.