Die Wahl von Philip Middelberg zu seinem Nachfolger hilft Rainer Lammers, Frieden mit seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Lotter Bürgermeisteramt zu schließen.
Der 70-Jährige hat sich zwar nicht aktiv am Bürgermeisterwahlkampf beteiligt, nahm aber an den meisten Veranstaltungen dazu teil. Mit dem Ergebnis der Wahl in Lotte zeigt er sich beim gemütlichen Plausch im Tennessee Mountain zufrieden: „Philip ist mit ganzem Herzen Lotter. Er wollte unbedingt dieses Amt, auch um das Umfeld seiner jungen Familie führend mitzugestalten. Das haben die Bürger gespürt.“
Zwei Sozialdemokraten aus Halen
Dass dem Sozialdemokraten aus Halen ein Sozialdemokrat aus Halen gut in den Kram passt, kann kaum verwundern. Doch das ist es nicht alleine. Zu den Gegenkandidaten sagt Lammers nichts. Doch er sieht die Gemeinde Lotte vor schwierigen Zeiten. Da brauche es neben Orts- und Sachkenntnis sowie einem verlässlichen Netzwerk auch menschliche Qualitäten, um eine Kommune durch schwere See zu steuern:
Ein wenig scheint es, dass sich Rainer Lammers in seinem Nachfolger auch selbst wiederfindet, wenn er feststellt, dass jeder offen mit ihm reden könne und er mit jedem offen reden könne. Denn das war seine eigene Stärke: das Ohr an den Bürgern haben, ihre Sorgen und Wünsche kennen, ihre Anliegen mit ins Rathaus nehmen. „Aber ihnen auch ehrlich erklären, warum mal etwas nicht geht“, ergänzt er. Und das werde Philip Middelberg angesichts der anstehenden schwierigen Zeiten wohl häufiger tun müssen.
Auf konkrete Projekte will der Ruheständler nicht eingehen. Doch am Beispiel des Sporthallenbaus in Alt-Lotte erklärt er, was er meint. Dass die Halle an der Grundschule gebaut wird, sei unabweisbar, allein schon für den Schulsport. Aber alles, was über die Anforderungen des Schulsportes hinausgeht, müsse sich die Gemeinde auch leisten können. Und das müsse die Politik, vor allem der Bürgermeister, den Menschen vor Ort erklären.
Zusammenführen als Kernaufgabe des neuen Lotter Bürgermeisters
Zuvor müsse der Bürgermeister, der nicht als Parteipolitiker agieren dürfe, den Rat möglichst zu einer gemeinsamen Position zusammenführen. „Hat bei mir nicht immer geklappt“, sagt Lammers mit Blick auf die Grünen, die ihn eigentlich nie als Bürgermeister akzeptiert haben. Aber auskömmliche Mehrheiten habe er im Rat zum Wohle der Gemeinde in den wesentlichen Fragen immer organisieren können.

Besonders wichtig sei es für den neuen Bürgermeister, Rat und Verwaltung wieder zu einem gedeihlichen Miteinander zu bewegen. Sein Ausfall und der Ausfall anderer Führungskräfte habe zu Defiziten geführt, vor allem im Bauamt. Doch die Politik dürfe das Rathaus auch nicht überfordern. Die Substanz der Gemeindeverwaltung, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sei gut. Als Beispiel nennt Lammers Esther Kleina-Metelerkamp, die er zu Beginn seiner Amtszeit gegen die Grünen als Sozial- und Ordnungsamtsleiterin durchgesetzt hatte:
Philip Middelberg traut er das alles trotz seines jugendlichen Alters zu. In Streitfällen hält er den 33-Jährigen für fähig, die Konfliktparteien zum sachlichen Austausch zusammenzubringen, nie das Gespräch aufzugeben und Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Allerdings mahnt Lammers auch manchen in Rat und Verwaltung, das eigene Ego dafür mal zurückzustellen und Bereitschaft zum Kompromiss an den Tag zu legen.
Ein Leben für das Wohl der Gemeinde
Nein, Namen will er als Altbürgermeister nicht nennen, sagt Lammers fröhlich und lehnt sich entspannt zurück. „Das ist jetzt Philips Sache und – wie gesagt – ich traue ihm das zu, weil das Wohl der Gemeinde seine Richtschnur ist“, sagt er. Und ja, ein Stück weit sei es ihm inzwischen gelungen, mit seinem Lebensabschnitt in der Lotter Kommunalpolitik abzuschließen, trotz unbestrittener Verletzungen.
Es waren allein 44 Jahre im Rat, fünf als sachkundiger Bürger, zwanzig als SPD-Ratsherr, zehn davon als stellvertretender Bürgermeister und schließlich 19 Jahre als Chef im Rathaus. Der Schlaganfall, der ihn vor gut zwei Jahren aus der Bahn geworfen habe, sei für ihn aus dem Nichts gekommen: „Ich wollte meine Wahlperiode zu Ende bringen, bis 2025.“ Da sei die Einsicht schwierig gewesen, dass seine Kraft dazu nicht ausreiche.
Umdenken nach Stürzen
Immerhin hatte sich Lammers erstaunlich gut und schnell von seinem nächtlichen Schlaganfall erholt. Zwei Stürze jedoch, der zweite im Juni, als er seinen Rücktritt bereits verkündet hatte, hätten ihn schließlich umdenken lassen. Er habe Zeit gebraucht, um mit sich selbst in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit ehrlich umgehen zu können.
Angemessene Würdigung
Der bereits geplante offizielle Abschied durch den Gemeinderat habe im Juni ausfallen müssen. „Ich weiß gar nicht, ob das jetzt noch so sinnvoll ist“, winkt Rainer Lammers ab. Aber keineswegs verbittert, sondern in aller Bescheidenheit. Nun, wer seinen Nachfolger kennt, weiß, dass er die Chance nicht auslassen wird, jemanden angemessen zu würdigen, der sein Leben weitgehend der Gemeinde Lotte gewidmet hat.