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Stressabbau, Bewegung und mehr Kampfsport für Kinder? So sollen Grappling-Kurse in Lingen sie fördern

Von Alicia Heskamp | 29.08.2023, 07:52 Uhr

Bei Kampfsport denkt man an brutale Boxkämpfe und blutende Nasen. Dass es nicht immer so unsanft zugehen muss, zeigt die Sportart Grappling. Erik-Masao Boller bietet jetzt Kurse für Kinder an und erklärt, wie das die körperliche und psychische Entwicklung fördern kann.

Boller kam mit 14 Jahren durch Karate zum Kampfsport. Als es ihn später zum Zahnmedizin-Studium nach Ungarn zog, wurde er im Catch-Wrestling und Mixed Martial Arts (MMA) unterrichtet. „Nach so einem Trainingstag hat mir immer ziemlich der Kopf gebrummt und ich wusste, dass das auf Dauer nicht gut sein kann“, berichtet er.

Bei der Suche nach einer schonenderen Kampfsportart wurde der 29-Jährige auf das Grappling aufmerksam. Nach mehrjähriger Trainings- und Wettkampferfahrung gründete er 2021 in Lingen den ersten Grappling-Verein der Umgebung. Mit von der Partie ist seither sein Kollege Alexander Bies. Gemeinsam mit drei weiteren Trainern leitet Bies den einzigen Kinder-Grappling-Kurs im Emsland.

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Der Name leitet sich aus dem englischen Begriff „to grapple“ ab. Übersetzt bedeutet das „festhalten“ oder „packen“ und beschreibt die Technik, mit der Gegner kampfunfähig gemacht werden.

Mit eingeübten Halte-, Würge- und Hebelgriffen werden die Gegner in eine unvorteilhafte Position gebracht und so bewegungsunfähig gemacht. Schläge und Tritte sind bei dieser Kampfsportart nicht erlaubt. „Um es unkompliziert auszudrücken: Grappling ist Raufen nach Regeln“, erklärt Boller.

Grappling basiert auf Techniken aus dem Ringen, Judo und Brazilian Jiu-Jitsu. Im Gegensatz zu diesen Kampfsportarten wird beim Grappling jedoch in normalen Sportklamotten statt in spezieller Ausrüstung gekämpft.

Grappling beansprucht den ganzen Körper

Bies, der Erzieher in einer Intensivwohngruppe ist, weiß, dass die Mediennutzung bei Heranwachsenden sehr zugenommen hat: „Dennoch bemerkt man einen Bewegungsdrang, vor allem wenn sie gerade Stress haben.“ Durch den Sport können die Kinder ihrem Bewegungsdrang nachkommen. Gleichzeitig dient er als Ventil, um angestaute Energie und Stress gesteuert loswerden zu können.

Die Sportart ist ein Ganzkörpertraining: Um die Techniken richtig auszuführen, werden alle Muskeln beansprucht. Ziehen, drücken, werfen, heben, drehen und viele weitere Bewegungen werden ausgeführt. Das erfordert nicht nur Muskelkraft, sondern auch Geschick und Beweglichkeit.

Grappling schult den Umgang mit Mitmenschen

Durch ein Klopfzeichen, dem sogenannten Tap, gibt der Gegner zu verstehen, dass er aufgibt. Die Kinder lernen ihre eigenen Grenzen kennen, da sie rechtzeitig das Zeichen zur Aufgabe geben müssen. Gleichzeitig lernen sie, die Grenzen anderer zu respektieren. Das schult die Selbstbeherrschung und die Disziplin.

Auf Fairness und soziales Miteinander legt die Sportart einen besonderen Fokus. Ziel ist nicht, seinen Gegner zu verletzen. Treten, Schlagen, Beißen oder Kratzen ist verboten. „Ich beobachte beim Training oft ein gewisses Grundvertrauen darauf, dass dein Gegner deine Grenzen akzeptieren wird“, erklärt Bies. Grappling bringt den Kindern also auch Regeln für den Umgang mit Mitmenschen bei.

Gibt es ein Verletzungsrisiko?

Charakteristisch für diesen Kampfsport ist, dass nicht rohe Gewalt, sondern eine gute Technik einen Grappler ausmachen. Dadurch ist das Verletzungsrisiko beim Training entsprechend gering im Vergleich zu anderen Sportarten. Das Training findet auf weichen Kunststoffmatten statt, sodass die Kinder beim Fall weich landen.

Die Techniken können im Notfall zur Selbstverteidigung angewendet werden. Auch macht er die Kinder stressresistenter. „Der Sport verschafft einem Selbstvertrauen. Dadurch reagiert man im Alltag in Stresssituationen oft entspannter“, sagt Bies.

Wie laufen die Kurse genau ab?

Die Kurse finden immer dienstags und donnerstags von 17 bis 18 Uhr in der Gebrüder-Grimm-Sporthalle statt. Die Eltern sind eingeladen von der Tribüne aus beim Training zusehen.

Nach einem Aufwärmtraining werden die Kinder spielerisch an die Techniken herangeführt. Bies kombiniert hierfür Kinderspiele mit Bestandteilen des Grapplings. Eine konkrete Technik wird anschließend eingeübt und später von den Kindern im Freikampf mit einem Partner ausprobiert.

Bies weiß durch seine zehnjährige Erfahrung als Erzieher, dass Routinen für Kinder wichtig sind. Das Training läuft daher immer gleich ab. Am Ende findet ein Cool-down statt. Das sorgt dafür, dass die Kinder körperlich, aber auch mental entspannt aus dem Training gehen können.

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