Vor einiger Zeit kam ein Musiker auf Christoph Albers zu. Die alten Fabrikhallen dort am Konrad-Adenauer-Ring, die würden doch bestimmt nicht mehr gebraucht und gute Proberäume hergeben. Der 63-Jährige blickt schelmisch, als er das erzählt, und lacht kurz auf. Denn das Beispiel zeigt, dass die meisten Lingener nicht wissen, dass dort, in den alten Gemäuern an der Innenstadt, bis heute hochwertige Bettdecken und Kissen aus Daunen und Federn entstehen.
Verwunderlich findet Christoph Albers das nicht. "Wir verkaufen nicht direkt an den Endkunden", sagt er. "Die Fachgeschäfte wissen wohl, dass wir hier sind." Für diese produziert das im Jahr 1900 gegründete Familienunternehmen mit 13 Mitarbeitern ihre Bettwaren. Keine Massenware: Es ist Handarbeit nach den Wünschen des Kunden, die da aus den Federn und Daunen von Enten und Gänsen gefertigt wird.
Ein Naturprodukt, das zugleich seit jeher einen Nachhaltigkeitsfaktor hat: Denn das verarbeitete Gefieder ist zum größten Teil ein Abfallprodukt aus Schlachthöfen der Region. "Schlachtrupf" lautet der Begriff dafür, den in Deutschland verbotenen "Lebendrupf", wie er unter anderem in China praktiziert wird, kommt im Familienunternehmen Albers nicht in die Hülle.
Rund 25 Bettwarenfabriken, so schätzt Christoph Albers, gibt es noch in Deutschland. Die Lingener ist dabei noch spezieller, denn die "Rohware" wird sogar vor Ort gewaschen, getrocknet und sterilisiert. Über Rohrsysteme gelangen Federn und Daunen nach dem Abkühlen in große, hölzerne Sortiermaschinen, die in der Enge der Fabrik beinahe wirken, als seien sie schon immer da gewesen, tatsächlich sind sie aber "erst" 1986 gebaut worden.
Nach der Abfüllung in Säcke hieven Mitarbeiter das fein sortierte und an Volumen große Material in einen Trichter im Obergeschoss, der die Füllmaschinen im Nähsaal speist.
Mit geschickten Handgriffen lassen die Frauen dort Daunen und Federn in die Baumwollhüllen "strömen" - und vernähen die gefüllten Decken und Kissen.
Zum Betrieb gehört darüber hinaus auch ein Reinigungsservice für Fachgeschäfte.
Christoph Albers eilt schnellen Schrittes durch enge Gänge und über knarzende Holzdielen. Er kennt jeden Winkel der Bettwarenfabrik. Zu jedem Verarbeitungsschritt kennt er die Details. Das Gebäude, von dem viele Lingener glauben, dass dort nichts mehr geschieht, ist seine Heimat. Er ist darin geboren und aufgewachsen, für ihn und seinen älteren Bruder, der Mediziner wurde, "gab es früher nichts anderes".
Gründung im Jahr 1900
Die Begeisterung jedoch für das hochwertige Naturprodukt ist bis heute geblieben und hat sich auf die Familie übertragen. Seine Frau Ursula führt mit "Biotex" an der Burgstraße eines von zwei Fachgeschäften in Lingen, das Albers Bettwaren anbietet. Das zweite ist die "Woll- & Wäschetruhe" an der Großen Straße. Und nun schickt sich Tochter Frederike an, dem Familienunternehmen eine Zukunft zu geben.
Die nächste Generation
Nach dem Abitur am Gymnasium Georgianum hat die 24-Jährige PR und Marketing in Groningen studiert. Ein für sich passendes Master-Studium nach dem Bachelor-Abschluss fand sie nicht, und nach ersten Schritten in einer PR-Agentur merkte sie schnell, dass sie etwas eigenes machen will.
"Es sollte wohl so sein", sagt sie und lacht. Sie sieht das große Potenzial, das in der Bettwarenfabrik ihrer Familie schlummert. Und ein "so interessantes Produkt": Es mache ihr Freude, eine schöne Bettdecke zu haben. "Früher war eine Daunendecke ein richtiger Wert", sagt sie. In Zeiten, in denen sie in jedem Discounter oder Möbelhaus zum Schnäppchenpreis zu haben sind, würden viele Menschen Decken und Kissen diese Wertigkeit nicht mehr beimessen. "Das finde ich erschreckend", sagt Frederike Albers. "Es ist doch etwas, was ich jeden Tag lange benutze."
Sie hofft darauf, dass es eine ähnliche Bewegung wie in der Ernährung gibt: mehr Bewusstsein, ein genaueres Hinschauen. Wer eine Daunendecke von Albers kaufen möchte, zahlt ab 140 Euro. Auch Freunde würden sie fragen, warum sie denn mehr Geld ausgeben sollten, wenn sie doch eine Decke für 30 Euro haben könnten. "Dann schläft man aber halt in Plastik, nichts anderes ist Polyester", erklärt Frederike Albers. Darunter schwitze man mehr, weil das Material die Feuchtigkeit nicht aufnimmt.
Plastikfrei und alternative Füllstoffe?
Viele Ideen hat die junge Frau, um die Familienfirma noch nachhaltiger zu gestalten, als sie durch das Verarbeiten eines Natur-Abfallproduktes bereits ist. Eine erste ist es, im Betrieb plastikfrei zu arbeiten. Eine andere, pflanzliche Alternativen als Füllmaterial zu testen. An ihrem Wohnort Hannover hat sich Frederike Albers in einen Co-Working-Space eingemietet, recherchiert stundenlang, was noch möglich ist, telefoniert täglich mit den Eltern, die nur durch den Garten laufen müssen, um in den Betrieb zu gehen. "Es ist alles da, man kann alles nutzen", sagt Frederike Albers über das Familienunternehmen, in dem sie nun gestalten kann. "Das macht mich so glücklich."