Was wissen 15 bis 16-jährige Schüler heute noch über die DDR? „Nur wenig. So Sachen wie, dass man 13 Jahre auf ein Auto warten musste, können sie sich überhaupt nicht vorstellen“, sagt Burkhard Seeberg aus Münster. Als Zeitzeuge der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, ehemalige Untersuchungshaftanstalt der DDR, besucht er heute Schulen, um jungen Leuten seine Erfahrungen mit dem DDR-Alltag aber vor allem mit der kommunistischen Diktatur näher zu bringen.
Jetzt lauschten 75 Schüler des zehnten Jahrgangs an der Oberschule Hagen gebannt seinem Vortrag.
Fotos, die graue Gebäude, dunkle Flure und enge Gefängniszellen zeigen, erschienen auf der Leinwand in der Mediothek der Oberschule. „Durften sie tagsüber auf dieser kleinen Pritsche schlafen?“, fragte ein Schüler. „Nein, wir durften uns eigentlich nicht mal an die Wand lehnen“, lautete die Antwort von Burkhard Seeberg. Insgesamt 13 Monate Haftstrafe erlebte der heute 60-Jährige in den auf den Fotos gezeigten DDR-Gefängnissen, der Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen und dem Stasiknast Bautzen. „Und was meint ihr, warum die gelben Streifen auf der Häftlingskleidung waren?“, richtete sich Seeberg an die Schülerschar. „Sie wurden Beschussstreifen genannt, fielen auf bei Fluchtversuchen.“
1979 kam Seeberg, Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei, in Haft, weil er versuchte, seine Freundin mihilfe eines gefälschten Passes aus der DDR zu holen. Sechs Jahre zuvor hatten sie sich bei den Weltfestspielen in Ostberlin kennengelernt. Wegen „Menschenhandel“ wurde der Westdeutsche Seeberg zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, seine Freundin aus Rostock wegen „versuchter Republikflucht“ zu zwei Jahren und zwei Monaten. 1980 wurden beide für jeweils 70000 D-Mark von der Bundesrepublik frei gekauft.
„Anlässlich der 25 Jahre Mauerfall, über die derzeit in den Medien viel berichtet wird, haben wir Herrn Seeberg schon jetzt eingeladen, obwohl wir das Thema DDR erst demnächst im Unterricht besprechen“, erklärte Geschichtslehrer Marcus Sprick, der sich freute, Seeberg zum fünften Mal an der Oberschule begrüßen zu können. Die Oberschule Hagen hatte sich an das Koordinierende Zeitzeugenbüro gewendet, das bundesweit Menschen, die in der DDR politisch verfolgt wurden und die Widerstand leisteten, zu Zeitzeugenveranstaltungen vermittelt, um der zunehmenden DDR-Unwissenheit junger Menschen entgegenzuwirken. Das Büro fungiert als gemeinsame Servicestelle der Gedenkstätte Hohenschönhausen, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stiftung Berliner Mauer.