Circa vier Stunden veranschlagt Initiator Dr. Kai Behncke allein für das Aussäen – die Dimensionen sind beträchtlich. Auf einer über zwei Hektar großen Fläche am Westerkamp in Georgsmarienhütte entsteht – nordwestlich an das Stahlwerk angrenzend – derzeit die größte Blühwiese für Insekten im südlichen Landkreis.
Den Anstoß gegeben hatte Behncke, Geschäftsführer des Meller Vereins „Umweltschutz und Lebenshilfe“. Zusammen mit der BUND-Kreisgruppe Osnabrück/Bienenbündnis Landkreis Süd brachte er in diesem Frühjahr die Initiative „Blumiger Landkreis Osnabrück“ auf den Weg. Südkreisweit will er mit seinen Helfern zum Schutz der bedrohten Insektenwelt insgesamt zwölf Hektar in blühende Wiesen verwandeln. Die größte der 40 Teilflächen stellt die Georgsmarienhütte GmbH zur Verfügung: Auf rund 20.000 Quadratmetern werden hier regionsspezifische Wildblumen ausgesät.
Stiftung Stahlwerk finanziert
Für die Kosten des zertifizierten Saatguts und eine wissenschaftliche Begleitung kommt die Stiftung Stahlwerk auf, die, so Vorstandsmitglied Dr. Beate Zimmermann anlässlich eines Ortstermins, 5000 Euro in die Projektkasse überweist. Und der Umweltbeauftragte der Georgsmarienhütte GmbH, Dr. Klaus Schulbert, werde im Jahresverlauf das erforderliche Mähen der Wiese, zeitversetzt in zwei oder drei Abschnitten, übernehmen.
Auf der Fläche werden unterschiedliche regionale Saatgutvariationen ausgesät, die das Pollen- und Nektarangebot für viele bedrohte Insektenarten beträchtlich erweitern, so Behncke. In der zertifizierten Mischung „Blühende Landschaft Nord“ sind zu 60 Prozent Kulturpflanzen wie Ringelblumen, Mohn, Jungfer im Grünen, Bienenfreund oder Sonnenblumen enthalten und zu 40 Prozent Wildpflanzen wie Borretsch oder Wilde Möhre. Die „Osnabrücker Mischung“ hingegen besteht aus 40 verschiedenen Wildblumenarten.
Biologie analysiert
„Wenn wir Nahrung für Insekten und Bienen anbieten, werden dadurch die Nahrungsketten stabilisiert, denn Insekten sind eine wichtige Nahrungsquelle für Amphibien, Reptilien, Kleinsäuger und Vögel“, erläutert Behncke. Ob und wie sich das im einzelnen tatsächlich entwickelt, wird der Biologe Dr. Peter Borgmann vom Botanischen Garten Osnabrück wissenschaftlich untersuchen. Der Fachmann für genetische Ressourcen von Wildpflanzen wird die Entwicklung auf der Westerkamp-Blühwiese in den nächsten Jahren dokumentieren und analysieren. „Seit der Krefelder Insektenstudie ist das Bewusstsein für diese Bedingtheiten deutlich gewachsen“, bestätigt Borgmann, „und vor allem wird jetzt gehandelt.“
Durch den Einsatz von Pestiziden, aber auch durch Monokulturen in der Landwirtschaft und durch klinisch-reine Privatgärten hat sich der Bestand von Bienen und Insekten in den vergangenen Jahren drastisch reduziert, Forscher sprechen von 75 Prozent Schwund. In der Folge geht auch der Singvogelbestand massiv zurück. Dieser bedrohlichen Entwicklung Lösungen entgegenzusetzen und die regionale Artenvielfalt zu stabilisieren, ist das Ziel des Projekts. „Wir wollen doch keine Verhältnisse wie in China, wo die Obstbäume teilweise schon von Menschen in Handarbeit bestäubt werden müssen“, gab Zimmermann zu bedenken.
Brut- und Nistplätze
An den Randbereichen der Westerkamp-Fläche gibt es viele Heckensäume, die Brut- und Nistplätze für Wildbienen liefern. Für einige Arten wird auch der leicht sandige Boden Nistmöglichkeiten bieten. Zudem befinden sich in direkter Nähe Totholzbestände, die ein wichtiges Refugium für viele Insekten darstellen. So kann das Areal auf dem Gelände der Georgsmarienhütte GmbH, auf dem unter einer meterdicken Erdschicht Konverterstäube aus der Stahlproduktion lagern, ein umfassender Schutzraum für viele Insektenarten werden. „Hier gehen Nahrungsversorgung und Nistplätze für die Insekten Hand in Hand“, freut sich Behncke.
Der IT-Programmierer hat sich eigens zwei Wochen Urlaub genommen, um genügend Zeit für die Aussaat zu haben. Dabei ist es ihm wichtig, vor allem Schulen, aber auch Firmen und Privatleute mit ins Boot zu holen. In Bad Laer, Glandorf und an der Georgsmarienhütter Regenbogenschule hat er in den vergangenen Tagen bereits zusammen mit Schülern und dem Förderverein Blühwiesen angelegt. Wenn nun auch noch Bürger in ihren Gärten zusätzliche Blühinseln schaffen, kann der genetische Austausch der Fluginsekten gefördert werden. Auch das ist wichtig, um etwas gegen das Insektensterben zu unternehmen. „Noch haben wir die Möglichkeit, durch Eigeninitiative Hilfsangebote zu entwickeln“, ruft Behncke zum Mitmachen auf.