Nach der Begrüßungsrunde in der Jurte, die auf dem Hofgelände als Unterrichtsraum dient, verteilen sich die Grundschüler in vier Gruppen über den Hof: Die „Schönmachgruppe“ kümmert sich um Instandhaltung, an diesem Montag um die Beseitigung einer großen Pfütze. Die Obstbaumgruppe bestreicht die Bäume mit einem Schutzanstrich, der unter anderem aus Kalk und Kuhmist besteht und Schädlinge fernhalen soll. Die Tiergruppe füttert die Bunten Bentheimer Schweine und sammelt die Eier bei den Hühnern ein. Und die Pflanzgruppe setzt Feldsalat in akkuraten Reihen. Anderthalb Stunden haben sie jeden Vormittag, um ihre Arbeiten erledigen.
„Für die Kinder ist arbeiten spielen“, sagt Tobias Hartkemeyer, Hofherr, Bauer und Lehrer . Für ihn bestätigt dieses aufwendige Experiment die Erfahrungen mit dem Bauernhof als Lernort, die er in dem Buch „Das pflügende Klassenzimmer“ über Handlungspädagogik und gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft zusammengefasst hat. Dieses Buch wird am 30. Oktober in den Handel kommen.
Genauso begeistert ist Christina Nunn, die Klassenlehrerin, die selbst auf dem Hof gewohnt hat und die Idee zu dem Langzeitpraktikum hatte. „In der dritten Klase ist ohnehin die Epoche Ackerbau dran, in der die Kinder den Bogen vom Korn zum Brot schlagen sollen“, erklärt sie. Die Lehrerin hat festgestellt, dass bisher noch kein Kind krank gewesen ist und das alle auch am Ende des Tages noch richtig „sprudelig“ sind.
Das zeigt sich auch bei der gemeinsamen Runde in der Jurte nach getaner Arbeit. Alwin berichtet stolz, wie ein Huhn ein Ei direkt in seine Hand gelegt hat. „Das habe ich selbst noch nicht erlebt“, staunt Tobias Hartkemeyer. Robin berichtet fasziniert, wie der große Eber den Kürbis, den er ihm gegeben hat, „einfach so geknackt“ hat. Die Obstbaumgruppe bietet fröhlich an, dass man den Schutzanstrich für die Bäume auch als Haarfärbemittel benutzen könnte.
„Das ist eine gigantische Geschichte“, freut sich Hartkemeyer über das pralle Leben auf dem Hof. Die Kinder könnten Sinnbezüge unmittelbar erfahren, auch Rechenaufgaben könnten unmittelbar von der täglichen Arbeit abgeleitet werden: Wieviel Futter brauche ich, wieviele Feldsalatköpfe kann ich in einer Reihe setzen?
Weil Aufsicht und Begleitung von den Arbeitskräften auf dem Hof allein nicht zu leisten sind, helfen täglich engagierte Eltern mit. Das hat den Nebeneffekt, dass die Klassengemeinschaft noch enger zusammen gewachsen ist. „Ich kenne jetzt alle 24“, sagt Tobias Hartkemeyer, dessen Tochter Johanna ebenfalls dazugehört. Wenn die Klasse ihre ausgedehnte Epoche Ackerbau beendet hat, will der Pädagoge das Projekt ausführlich dokumentieren und bewerten. Angesichts der bisherigen Erfahrungen wird er es wohl zur Nachahmung für andere Höfe und Klassen empfehlen.