Eine „Cittaslow“ schmecken, anfassen und erleben konnten die Besucher am Sonntag beim am Sonntag stattfindenden Landmarkt auf dem historischen Kirchplatz. Hier gab es allerlei Köstlichkeiten, aber auch Informationen zum langsamen Tourismus und Genuss. Denn der stand ein ganzes Wochenende lang im Fokus von einer ganzen Reihe von Veranstaltungen.
Im Vorfeld des Landmarktes hatte die Gemeinde Bad Essen zusammen mit dem Kur- und Verkehrsverein aber noch zu einer weiteren Veranstaltung eingeladen, in dem das Thema Cittaslow von verschiedenen Seiten beleuchtet wurde.

Der 4. Bad Essener Slow-Tourismus-Tag“ stand unter der Überschrift „Lebenskunst“. Die Moderation übernahm Annette Ludzay, Geschäftsführerin des Kur- und Verkehrsvereins, unter den Teilnehmern waren Vertreter der Tourismusbranche, Fachreferenten aus den Nachbargemeinden, aber auch interessierte Bürger.

Tagungsort war das Heuerhaus der Burg Wittlage, dessen integratives Gastronomiekonzept – Menschen mit und ohne Behinderung sind hier gemeinsam in der Gästebetreuung beschäftigt – von Heinrich Mackensen, dem Geschäftsführer des Verbunds Sozialer Dienste, kurz vorgestellt wurde. Er hob dabei ausdrücklich die große Stärke eines solchen Konzeptes hervor: Von der Notwendigkeit eines respektvollen Umgangs miteinander, der Langsamkeit toleriert, profitiere letztlich der gesamte Betrieb. Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter habe sich inzwischen gelegt: „Das gemeinsame Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung wird als Bereicherung empfunden.“

Aber Langsamkeit im Tourismusgewerbe – geht das überhaupt, fragte Dr. Edgar Klinger von Slow Food Osnabrück. Seine Antwort: auf jeden Fall. Denn „Slow Work“ sei keine „Lizenz zum Trödeln“, sondern ein Arbeiten mit größerer Achtsamkeit. Bestehende Arbeitsabläufe werden hinterfragt und wenn nötig neu strukturiert, um mehr Vielfalt (z.B. durch Inklusion) und eine bessere „Work-Life-Balance“ zu ermöglichen. Das sei gut für die Zufriedenheit der Mitarbeiter und der Gäste: Entschleunigung und Wertschätzung von Vielfalt schaffen touristischen Erfolg.

Das Cittaslow-Konzept der Entschleunigung lasse sich hervorragend als touristischer Ansatz für das Stadtmarketing nutzen, bestätigte auch Cornelius Obier von „project m“. Das funktioniere gerade für Bad Essen deshalb so gut, weil sich das Konzept mit den Interessen der Bürger decke: „Bad Essen ist Cittaslow und lebt Cittaslow“, bescheinigte Obier der Stadt.
Nach "Cittaslow" kommt "Kita Slow"
Und das beginnt bereits im Kindesalter. Unter dem Motto „Von Cittaslow zu Kita Slow“ freute sich Bürgermeiste Timo Natemeyer, Auszeichnungen an zwei Bad Essener Kindertagesstätten vergeben zu können: an die Kita Wittlage als „Lebenswerte Kindertagesstätte“, die das Cittaslow-Konzept in vielen Einzelmaßnahmen umsetzt, und an das Familienzentrum Lintorf, das sich dem Fairtrade-Gedanken verschrieben hat, als „Faire Kita“.

Professor Dr. Kai-Michael Griese, Elisabeth Köll und Luisa Korte machten auf weitere Aspekte der Slow-Bewegung aufmerksam, die einst als „Slow Food“-Initiative in Italien begann. Wichtigste Gemeinsamkeit: eine bewusstere, nachhaltigere Lebensweise. Secondhand-Mode sei schon lange nicht mehr mit einem Makel behaftet, sondern setze Zeichen gegen ein zerstörerisches Konsumverhalten, so Elisabeth Köll. Ähnlich sieht es mit der „Sharing“-Kultur aus, die auf teilen und kostenfrei abgeben statt wegwerfen setzt. In Bad Essen werde das zum Beispiel mit den Naschgärten, den öffentlichen Bücherschränken und dem Geschenke-Regal in der Tourist-Info bereits erfolgreich praktiziert, zählte Luisa Korte, Mitarbeiterin der Tourist-Info, auf.
Von der Kunst des guten Lebens
Was macht nun die Slow-Bewegung im Kern aus? „Die Kunst des guten Lebens“, so Wolfgang Bielefeld, 1. Vorsitzender des Kur- und Verkehrsvereins Bad Essen. Diese Kunst kann man lernen, sagt der Philosoph und Bestsellerautor Prof. Dr. Wilhelm Schmid – und zwar, indem man seine Sinne übt. Bewusst den Duft von Rosen (oder auch weniger ansprechende Gerüche) wahrzunehmen, nicht nur auf Monitore zu schauen, sondern den Blick auch mal schweifen zu lassen, zu berühren und Berührungen zu fühlen: All das gehöre dazu. Eine Achtsamkeit sich selbst gegenüber, wie sie auch die praktischen Übungen vermittelten, zu denen Dr. Karin Eiselt die Teilnehmer einlud.

Aber auch das Genießen regionaler und saisonaler Speisen, wie sie zum Ausklang der Veranstaltung Slow-Food-Chefkoch Helmut Backers aus Twist für die Teilnehmer zubereitete. „Spätsommerliche Genüsse“ lautete das kulinarische Thema des Abends und auf der Speisekarte standen Lachsforelle und Kürbis ebenso wie die wenig bekannte Haferwurzel.