Urlaub für Aktive Wandern in der Provence

Von Heidi Siefert | 19.05.2023, 06:00 Uhr

Im Hinterland der Provence ermöglichen rund 3000 Kilometer Wanderwege abwechslungsreiche Touren zwischen Weingärten und Lavendelfeldern.

Samstagabend in Avignon. Während sich die Plätze und Gassen mit Leben füllen, wird es im Palais des Papes ruhig. Nur ganz oben auf einer kleinen Terrasse sitzen Julia und Peter beim Sundowner. Wo vor Corona eine kleine Caféteria zur Pause über den Dächern des 700 Jahre alten Gebäudes einlud, entstand nach der Pandemie ein Pop-up-Hotel. Wegen der überwältigenden Resonanz blieb es dabei: Einmal in der Woche ermöglichen örtliche Gastronomen hier eine exklusive Nacht im Papstpalast, die allein wegen der Aussicht ein besonderes Erlebnis ist.

Für Julia und Peter ganz besonders, denn jenseits der Rhône mit ihrer berühmten Brücke Saint-Bénézet und Villeneuve-lès-Avignon mit dem trutzigen Fort Saint-André zeigt sich mit schneebedeckter Spitze die Silhouette des Mont Ventoux. Jenes markanten Berges, der als anspruchsvolles Etappenziel des Radklassikers Tour de France berühmt wurde. Er war Kultstätte der Kelten, scheidet Mittelmeer- von Alpenklima, wurde gemalt, besungen und literarisch verewigt und ist mit seinen 1909 Metern ein markanter Ankerpunkt für alle, die sich zu Fuß durch das Vaucluse bewegen. So, wie die beiden, die von der Terrasse im Papstpalast aus die zurückliegende Woche Revue passieren lassen.

Avignon war zunächst nur ein kurzer Stopp, um am Fernbahnhof vom TGV in die Lokalbahn zu wechseln und mitten hinein in die Dentelles de Montmirail zu fahren. Jene von schroffen Felsnadeln geprägte Landschaft im Département Vaucluse, die sich zwischen dem Mont Ventoux und der Stadt Vaison-la-Romaine erstreckt und ein Traum für alle ist, die es lieben, aktiv zu sein. Vom „schönsten Umweg Frankreichs“ schwärmen Prospekte, von „Zeitreisen in römisches und mittelalterliches Erbe“ und von Weinbaudörfern und archaischer Natur. Verlockend sind die Bilder und am Ende doch nur ein schwacher Abglanz dessen, was man erlebt, wenn man sich hier zu Fuß auf den Weg macht.

Zum Auftakt ein Spaziergang durch Vaison-la-Romaine, eine der 19 Ortschaften, die sich wie ein breites Band um den Mont Ventoux legen. Jetzt in der Vorsaison ist es ruhig in den antiken Stätten von Puymin, in denen es nicht viel Fantasie braucht, um in das Leben zu Zeiten der Römer einzutauchen. Durch die Gassen der Oberstadt führt der Weg zu den Ruinen des Château Comtal, von wo aus der Blick weit über das Land schweift. Auch über die Rebhänge, deren Weine schon Plinius der Ältere besang. Nicht ganz so alt ist die Moulin de César, die sich als Résidence Escapade ganz auf die Bedürfnisse von Wanderern und Radtouristen eingestellt hat, die hier direkt am Weitwanderweg GR „Tour des Dentelles de Montmirail“ in einem weitläufigen Areal im Grünen logieren.

Begleitet von Vogelgezwitscher verlassen Julia und Peter mit Wanderführer Pierre Peyret und einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter am nächsten Morgen die langsam erwachende Stadt. Vorbei am Burgberg geht es in die Weinberge und bald danach in lichten Wald. Es riecht nach nachtkühler Erde und schon bald nach dem mitgebrachten Kaffee aus der Thermoskanne zum zweiten Frühstück am glucksenden Bach. Spätestens zur Mittagspause auf der Terrasse der Domaine Le Chêne Bleu ist der Alltag komplett vergessen. Es blüht und duftet rund um das ehemalige Kloster, in dem sich Xavier und Nicole Rolet mit Weingut und Hotel einen lange gehegten Traum vom Landleben erfüllten. Während von weitem schon die moderne Kunst auf den Wiesen ins Auge fällt, zeigt der zweite Blick viel sorgsam Gehegtes aus der langen Vergangenheit des Ortes. Die vom Hausherrn versorgten Bienenstöcke und der opulente Klostergarten sind nur ein Teil davon - und lange noch Gesprächsstoff auf dem Weg Richtung Séguret, das nicht von ungefähr zu den „Plus Beaux Villages de France“, den schönsten Dörfern Frankreichs, zählt.

Mehr Informationen:

Unterwegs: Routen für Wanderungen und Mountainbiketouren sind sehr gut beschildert. Vor Ort gibt es ausführliches Kartenmaterial und Tourenvorschläge. Von einfachen Unterkünften für Sportler bis zu gehobenen Hotels reicht das Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten unterwegs. Auf Wunsch bringt ein gut organisierter Shuttleservice das Gepäck von Unterkunft zu Unterkunft und verkürzt bei Bedarf auch Wanderern die Etappen.
Info und Buchung bei Vaucluse Provence Rando.

Touren: Organisierte Touren bietet Accompagnateur en Montagne, Mont Serein, 84340 Beaumont du Ventoux, Frankreich.

Reisezeit: Für Wanderungen ist die Region vom Herbst bis in den Frühsommer ideal. Während der Sommermonate ist es nicht nur unangenehm heiß. Teilweise sind die Strecken wegen der hohen Gefahr von Waldbränden auch gesperrt. Auch im Winter sind Touren reizvoll, jedoch ist die Infrastruktur dann weniger gut, weil Hotellerie und Gastronomie vielfach Betriebsferien haben.  

Tipp: Besondere Vergünstigungen gewähren der Avignon City Pass für 24 oder 48 Stunden sowie der Vaucluse-Provence-Pass für Stadt und Umland.

Infos: Vaucluse Provence Tourismus, Avignon Tourisme

Andere tragen zwar nicht das begehrte Label, sind aber dennoch eine Entdeckung, so wie sie sich an steile Felshügel drücken, weil einst das Ackerland in der Ebene kostbar war. So ist es die Mischung aus Einsamkeit in mehr als abwechslungsreicher Natur, hübschen Dörfern und besonderen Gasthäusern und Hotels, die den Reiz des Wanderns im Vaucluse ausmachen. Mal geht es durch archaische Wildnis, mal an Orte, wie die einstige Thermalanlage von Montmirail im Gigondas, wo zwischen Weinbergen und Olivenbäumen schon der mit dem Nobelpreis geadelte Dichter Frédéric Mistral und die exzentrische Schauspielerin Sarah Bernhardt logierten und Inspiration fanden. Heute werden hier am Table d‘Arnaud Nicolet Trüffel serviert, die der Hausherr selbst rund um den Mont Ventoux gefunden hat. Aktuell hofft er, in einem extra angelegten Eichenwäldchen so gute Bedingungen für den begehrten Pilz zu schaffen, dass er auch hier wächst.

Pierre Peyret ist ein umsichtiger Führer und profunder Kenner der Besonderheiten seiner Heimat. Ganz gleich, ob es um Tierspuren im feuchten Boden, die besondere Geologie der Kalknadeln der Dentelles de Montmirail oder die besonderen Pflanzen in den Bergen geht. Oder ob es um einen Abstecher in das für seinen Süßwein bekannte Beaumes-de-Venise, eine ehemalige Künstlerkolonie in der kreativen Abgeschiedenheit der Berge geht, oder um das Renaissance-Schloss Château du Barroux. Dort füllen Schlossherrin Fanny Vayson und ihr Mann Jean-Babtiste den imposanten, alten Familienbesitz mit Kunst, Kulinarik und Konzerten mit Leben. Fanny produziert zudem mit Getreide aus der Haute-Provence, historischen Geräten und Fässern besonderer französischer Weine Whisky. Auch wenn man sich noch keinen Provence-Whisky als Souvenir nach Hause mitnehmen kann, weil die ersten Flaschen erst 2025 abgefüllt werden, ist es spannend, wenn die ebenso temperamentvolle wie ideenreiche Winzerin von ihrer Herangehensweise an die Whiskyproduktion erzählt.

Bei der abschließenden Etappe steht die Natur im Mittelpunkt. Von Les Trois Évêques geht es auf schmalen Pfaden durch Buchsbaumgebüsche und lichten Wald hinauf zur Crête de Saint-Amand, den dornigen Rücken der Dentelles. Im Herbst pflücken sie hier wilden Thymian erzählt Pierre, der immer wieder mahnt, die exponierten Passagen konzentriert zu gehen und deutlich entspannter ist, als er am exponierten Hügel mit weitem Blick wieder einmal die Thermoskanne mit Kaffee auspackt. Was danach kommt ist einfach zu gehen aber ein besonderes Vergnügen. Mal am Waldrand über weite Hügel, mal vorbei an Äckern, die gerade bestellt werden. Viel zu schnell ist das Ziel Lafare erreicht, wo bei Spezialitäten im Dorfgasthaus das offizielle Wanderprogramm endet und der Shuttle nach Avignon bereit steht.

Für Julia und Peter ist es noch zu früh, die Wanderschuhe wegzupacken. Nach ihrer Nacht im Papstpalast begeben sie sich in Avignon auf Tour, um die Reise in den Süden mit der 13 Kilometer langen Stadtwanderung zu beschließen, die am Tourismusbüro beginnt und wahlweise im oder gegen den Uhrzeigersinn gegangen werden kann. Neben den klassischen Sehenswürdigkeiten der Stadt führt der Weg auch zu weniger bekannten Orten und stillen Plätzen, sowie hinüber auf die Île de la Barthelasse und nach einer Passage am Rhône-Ufer mit dem Shuttleboot unterhalb der Gärten am Papstpalast wieder zurück in die Altstadt.

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