Wunderschönes Venetien Es muss nicht immer Venedig sein

Von Gerd Krauskopf | 08.03.2023, 06:00 Uhr

Verona, Padua, Vicenza – prachtvolle Städte mit viel Kultur und dem besonderen Flair des Veneto.

Mit dem Käfer ging die abenteuerliche Reise über den Brenner nach Lido di Jesolo bis an die ferne Adria. Der VW war bis unters Dach vollgepackt. Und alle waren ganz schön aufgeregt. Damals in den Fünfzigern, beim allerersten Familienurlaub in Bella Italia. Und heutzutage? Da setzt man sich gemütlich in den Flieger, steigt entspannt in Venedig aus und verbringt genüsslich ein verlängertes Wochenende in Venetien. Bellissimo! Vom Flughafen geht es mit dem Bus weiter zu historischen Städten wie Verona, Padua und Vicenza mit unvergänglichen Kunstschätzen und prachtvollen Palladio-Herrenhäusern.

Enge, schmucke Gassen in unbekannteren Städten wie Bassano del Grappa sollte man zu Fuß entdecken. Und wem nach langem Pflastertreten die Füße schmerzen, entspannt sich in einer Cafébar mit Espresso und dem milden Grappa der Region, bevor der Abend mit kulinarischen Köstlichkeiten endet. An den freundlichen Ober in Vicenza denke ich noch heute, der in einer auch von Einheimischen gern besuchten Osteria den „pesce arrosto“ so elegant und stilvoll am Tisch filetierte. Eben mit Grandezza. Und wie der Fisch mundete: Mit Knoblauch, Petersilie, Olivenöl und Wein im Ofen gebacken. Fantastico!

Veneto reicht von den Dolomiten bis zur Po-Ebene und vom Gardasee bis zur Adria. Die italienische Kultur hat in dieser Region ihre Wurzeln. Sichtbare Wurzeln, wie der Besucher auf Schritt und Tritt feststellen kann. Die kompetente Stadtführerin in Padua erläutert anschaulich die Geschichte in der Capella degli Scrovegni. Während ich die Meisterwerke von Giotto aus der Geschichte der Erlösung der Christenheit studiere, muss ich schmunzeln über einen lustigen Versprecher meiner Dolmetscherin, die von der „wunderschönen Kreuzigung“ erzählt. Padua besitzt die zweitälteste Universität des Landes, in der einst der Galileo Galilei lehrte und an der Elena Lucrezia Cornaro Piscopia im 17. Jahrhundert als erste Frau der Welt die strengen Prüfungen des Philosophie-Studiums absolvierte. Vorausschauend hatte ihr einflussreicher Vater, der Magistrat von Venedig, sie von Privatlehrern zu Hause unterrichten lassen, da Frauen der Zugang zur Universität damals verboten war.

Zwei Stunden später: Müde bin ich vom „Studium“ der Schaufenster in Verona. Eine exklusive Welt, die sich da hinter kleinen Schaufenstern an der vornehmen Einkaufsmeile der Via Mazzini mit den vielen Seitengassen auftut. Da ist wenig zu spüren von der Austauschbarkeit langweiliger Ladenketten großer Einkaufszentren. Selbst hinter abblätternden Fassaden entdeckt man Individualität auf rosa Marmor.
In Verona darf ein Besuch der Via Cappello nicht fehlen. Im Hof des Hauses der Julia drängt sich wie jeden Tag internationales Publikum, das einmal im Leben hinauf zum Balkon der schmachtenden Julia gesehen haben möchte. Shakespeares Drama lässt grüßen. Natürlich lege auch ich meine Hand auf die glückbringende Brust der bronzenen Julia-Statue. Wie ein Bollwerk thront die mächtige, weltbekannte Arena mitten auf der Piazza Bra. Wo einst Gladiatoren im riesigen Amphitheater kämpften, erleben in jedem Sommer allabendlich bis zu 25 000 weitgereiste Opernfreunde allerhöchsten kulturellen Genuss.

Weit gereist sind auch die Anhänger Palladios (1508-1580), des bekanntesten Baumeisters der italienischen Hochrenaissance. In Vicenza stellte der Adel seinen damaligen Reichtum durch den prächtigen Baustil Palladios zur Schau. Noch heute sind viele seiner genialen Bauten in dieser Region zu bestaunen. So wie das erste überdachte Theater Europas, das „Teatro Olimpico“ mit seiner raffinierten Bühnenkulisse, die eine Piazza mit Straßen darstellt. Durch geschickten Einsatz von Kindern in Soldatenuniformen im Hintergrund meint der staunende Zuschauer, eine ganze Stadt vor sich zu sehen.

Auf dem Rückflug denke ich zurück an meine Italienreisen – damals und heute. Im 21. Jahrhundert jetten wir „mal eben“ für ein erlebnisreiches Wochenende in ein Land, das vor uns Könige, Gelehrte, Heilige, Dichter und Reisende aus aller Herren Länder verzaubert hat. Noch vor 60 Jahren waren wegen der weiten, abenteuerlichen Anreise mit dem Käfer mindestens zwei Wochen Aufenthalt erforderlich.

Noch keine Kommentare