Jenseits der Paella Valencia kulinarisch

Von Franz Michael Rohm | 17.02.2023, 06:00 Uhr

Touristen besuchen die Altstadt, bewundern den Heiligen Gral und Calatravas Architektur im ehemaligen Flussbett des Rio Turia. Aber sie kommen auch, um dreimal täglich zu essen. Valencias Gastronomen verbinden Tradition, Nachhaltigkeit und Moderne.

Das Nationalgericht Paella Valenciana steht in Spaniens drittgrößter Metropole in fast jeder Straße der historischen Altstadt und am neuen Hafen mindestens in einem Restaurant auf der Speisekarte. „Aber Valencia hat kulinarisch viel mehr zu bieten. Das zeigen wir etwa beim Valencia Culinary Festival und bei Aktionen mit regionalen Produkten auf den Märkten der Stadt das ganze Jahr über“, berichtet Laura Llopis, bei Visit Valencia zuständig für Gastronomie und Kulinarik.

Ein Beispiel traditioneller Küche auf neuem Niveau bietet das außergewöhnliche Frühstückslokal „Pelayo Gastro Trinquet“, zehn Fußminuten von der Plaza del Ayuntamiento und dem Park im alten Flussbett des Rio Turia gelegen. Hier wird ab neun Uhr morgens das mächtige valencianische Frühstück Esmorzaret angeboten. Für 7,90 Euro gibt es Baguette, wahlweise gefüllt mit gegrilltem Hähnchen, Würstchen, grünen Bohnen und Tortilla, oder mit Thunfisch und Oliven, oder mit frittierten kleinen Tintenfischen oder, oder, oder. Dazu wird auch am frühen Morgen Bier oder Rotwein getrunken, der Kaffee gerne mit Rum, Zucker und aromatisch duftender Zitrusfrüchteschale - der heißt hier Cremaet.

Direkt hinter dem modern gestylten Schankraum geht es in eine blendend weiß gehaltene Halle, in der seit 1868 das historische Ballspiel Trinquet de Pelayo stattfindet. Die Anlage gilt als älteste Sportanlage in Europa. Trinquet de Pelayo wird im Einzel oder Doppel gespielt. Dabei wird ein kleiner, harter Lederball über ein Netz geschlagen. Champion Javier Puchol erklärt, dass er eine Stunde braucht, um seine Handflächen mit Bändern zu präparieren, um sich vor Verletzungen beim Schlagen des Balls mit der Hand zu schützen. Der 30-Jährige trainiert täglich und beginnt seinen Tag immer mit einem Esmorzaret - am liebsten mit gegrilltem Hähnchen, und selbstverständlich ohne alkoholische Getränke.

Ebenfalls nur zehn Fußminuten entfernt vom Frühstückslokal befindet sich der Zentralmarkt. Ein wunderschöner Jugendstilbau, unter dessen Stahlkonstruktion mit Kuppel rund 900 Händler an sechs Tagen in der Woche frisches Obst und Gemüse, Wurstwaren, Fleisch sowie Fisch und Meeresfrüchte feilbieten. „Wie überall in Europa sind die Lebensmittelpreise seit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine erheblich gestiegen“, berichtet Laura Llopis. Ein Vorteil für die Gastronomen der Stadt ist laut Llopis die fruchtbare Huerta de Valencia, eine Fläche von rund 500 Quadratkilometern bewässerter Felder rund um Valencia. „Die von den Römern über die Goten bis zu den Mauren kultivierten Anbauflächen sind im Ausland bekannt für riesige Orangenplantagen“, erklärt Laura Llopis. „Aber hier wächst noch viel mehr, von Reis über Gemüse bis zu Mango und Avocado. Einige Bauern haben sogar mit der Zucht von Yuzu-Früchten begonnen.“

Eine besonders enge Verbindung zur Huerta hat Zwei-Sterne-Koch Ricard Camarena. Seit rund zehn Jahren bezieht er das Gemüse für seine vegetarisch inspirierten Menüs fast ausschließlich von Toni Misiano aus dem Dorf Albalat dels Sorells, rund acht Kilometer nordöstlich von Valencia. „Ich habe mich der Null-Kilometer-Philosophie verschrieben“, erklärt der 48-jährige Chefkoch. Seine Menüs plant er täglich nach der frühmorgendlichen Lieferung der frisch geernteten Gemüse. „Dadurch kann ich nachhaltig das Frischeste anbieten, was die Huerta hergibt“, so Camarena. Auch neu wiederentdeckte traditionelle Techniken wie Fermentierung und Konservierung durch Einkochen finden Eingang in seine preisgekrönte Küche. Die ersten Gänge wie eine kalte Brühe aus Tomaten, Pilzen und wilder Minze, kleine Kohlrabimaultaschen gefüllt mit gegrilltem Gemüse oder in Johannisbrotmehl marinierter Thunfisch serviert der Chef in seinem Restaurant an einem Stehbüffet auf eigens für das Restaurant hergestellten Keramik-Geschirr allen Gästen persönlich. Das mit Holz ausgekleidete und durch große Fenster mit Tageslicht versorgte Restaurant in einer alten Pumpenfabrik ist trotz stolzer Preise von über 300 Euro für das Menü mit Wein häufig ausgebucht.

Erheblich günstiger (28 bis 35 Euro) sind die Sechs- bis Acht-Gang-Menüs des Berliner Kochs Robert Richter, der seit dreieinhalb Jahren mit seiner Frau Christy das peruanisch inspirierte Restaurant „Quina“ im Szenestadtteil Mestalla betreibt. Die Ceviche aus roh mit Limettensaft mariniertem Fisch und der Drink Pisco Sour zählen zu den besten der Stadt. „Wir haben auf dem Fischmarkt eine Auswahl der besten Mittelmeerfische“, berichtet der 32-Jährige. Seine an der Slow-Food-Philosophie orientierten Gerichte, wie die typische Cauca, serviert er puristisch. Auf einem Bett aus Brei von Kartoffeln aus der Huerta thront in Limettensud marinierter Thunfisch. Schweinebauch wird gepökelt, confiert und gegrillt und kommt butterzart zu Tisch. Größtes Problem, wie bei vielen Gastronomen europaweit, ist bei Robert und Christy Richter seit Corona ein eklatanter Personalmangel. Für den Berliner Koch ist Valencia nach Stationen in Peru, Chile, San Sebastian und Cádiz „der beste Ort für Gastronomie. Wegen des Klimas, der Produkte und auch der neugierigen Gäste“.

Neben der Null-Kilometer-Philosophie begrüßt Visit Valencia-Mitarbeiterin Laura Llopis die Anfang Juni eingeführten Regeln in der Gastronomie, mit denen das Übriglassen von Speisen in Lokalen sanktioniert werden soll. „Beides zusammen ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung von Klimabelastungen und Lebensmittelverschwendung“, so Llopis.

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