Urlaub für alle Sinne Sizilien: Pizzapause mit Panorama

Von Armin Herb | 19.01.2023, 06:00 Uhr

In der Madonie erwarten Wanderer und Kulturreisende stille Wälder, mittelalterliche Dörfer und ein paar kulinarische Überraschungen.

„Francesco, bist Du auf Diät?“ Salvatore von der Cin Cin Bar im Bergstädtchen Castelbuono scherzt gerne. Er weiß zu genau, dass sein fülliger Nachbar nur schweren Gewissens auf die süßen Verlockungen in seiner Auslage verzichten kann. Die Bar ist eigentlich mehr Eiscafé und Konditorei und auf jeden Fall ein beliebter Treffpunkt an der Piazza Margherita. „Diät bringt eh nichts. Mach‘ mir doch eine klitzekleine Brioche“, erwidert Francesco laut lachend. Er meint damit ein aufgeschnittenes Milchbrötchen gefüllt mit einer Riesenkugel Stracciatella, seiner Lieblingseissorte. In puncto Kalorien ersetzt das mindestens eine Mahlzeit.

Eiscreme geht in Sizilien immer, selbst wenn alle draußen noch in Pullover und Jacke unterwegs sind. Und das Eis von Salvatore ist auch noch besonders lecker. Der Maestro Gelatiere, der Eismachermeister, hat seine Kunst schon im ganzen Land und darüber hinaus präsentiert - von Palermo bis Shanghai.
Castelbuono gilt zwar als lebendiges Zentrum der Madonie, dem Küstengebirge hinter der Nordküste bei Cefalu, aber vor Überfüllung braucht sich dort oben keiner zu fürchten. Im Hochsommer, wenn halb Italien in Sizilien und halb Palermo in der Madonie unterwegs ist, herrscht manchmal etwas Trubel, genauer gesagt Verkehrsstau in den Straßen und steilen Pflastergassen.

Nur an der mittelalterlichen Piazza Margherita ist es auch sonst gerne etwas lebhafter. Vor allem abends treffen sich dort zwischen Rathaus, Kirche und Uhrturm viele Einheimische zum Aperitif und Plaudern. Ein paar Touristen mischen sich darunter. Meistens sind es Kulturreisende mit iPad und Baedeker, die sich für das wuchtige Castello und die Fresken in der Chiesa Matrice Vecchia interessieren. Oder eine kleine Wandergruppe, wie sie gerade mit Bernardo um die Ecke biegt und bei Salvatore eine Gelato-Pause einlegt. Wanderguide Bernardo heißt eigentlich Bernd und ist ein waschechter Wiener. Aber nach vielen Jahren in Sizilien hat sich sein Vorname etwas dem lokalen Duktus angepasst. „Hast du ein Stück Pizza für mich?“, fragt er bei Salvatore nach. Bernardo braucht erst einmal etwas Herzhaftes nach den Kilometern im Eichen- und Kastanienwald. „Ich habe noch etwas Sfincione“, erwidert der Maestro. Eine Sfincione palermitano ist oben wie unten knusprig: Oben knuspern ölbeträufelte Ciabatta-Brösel, unten ein verfeinerter Hefeboden, dazwischen sorgen Pecorino, Tomaten, Zwiebeln und Oregano für das gewisse Etwas. Genau das Richtige für einen Snack. Und danach natürlich Espresso und Eis.

Bernardo ist am Morgen mit seinen fünf Gästen im Bergdorf Gibilmanna gestartet. Allerdings erst nach einem kurzen Besuch des Marienheiligtums, weswegen am ersten Sonntag im September wahre Heerscharen an Gläubigen zur Wallfahrtskirche pilgern. Der Blick vom Heiligtum über die Küste lohnt allein schon die kurvige Anreise. Der Name Gibilmanna stammt übrigens aus dem Arabischen Djebel Manna, und bedeutet der Mannaberg. Die Region drumherum zählt zu den wenigen Landstrichen, wo noch Manna-Eschen kultiviert werden. Der selten gewordene Baumsaft süßt zuckerfrei Köstlichkeiten wie knusprige Mandelplätzchen und hilft auch bei Darmbeschwerden.

„Ich bin auch gerne in Gibilmanna - allerdings nicht zu Fuß, sondern mit meinem Alfa“, sagt Salvatore. „Dort oben gibt es so schöne Picknickplätze zwischen Pinien und Korkeichen. Da schmecken die Panini mit Pecorino, getrockneten Tomaten, Kapern und eingelegten Artischocken gleich doppelt so gut, und natürlich das Schlückchen Rosso dazu.“

Mehr Informationen:

Sizilien allgemein: Im Internet unter italia.it

Wandertouren und Radverleih: Bikestation Kalura im Hotel Kalura bei Cefalu.

Literatur und Landkarten: Umfassend, detailliert und gut geschrieben auf 660 Seiten ist das „Reisehandbuch Sizilien“ aus dem Michael-Müller-Verlag. „Carta dei sentieri e del paesaggio Madonie“ heißt die passende Wanderkarte, für fünf Euro im Tourismusbüro oder bei der Naturparkverwaltung der Madonie in Cefalu erhältlich. 

Proviant im Rucksack ist in der Madonie jenseits von Castelbuono nie verkehrt, denn selbst in mittelalterlichen Dörfern wie Gratteri und Isnello wartet auf den hungrigen Radler oder Wanderer oft nur eine kleine Bar. Zum Cappuccino gibt‘s dort meist nur ein Cornetto oder vielleicht noch ein belegtes Brötchen. Als Österreicher fehlt Bernardo in den sizilianischen Küstenbergen ein wenig die alpine Hüttenkultur. Aber dafür schätzt er die Stille der Wälder und Hochflächen, wo dem Wanderer höchstens vorwitzige Mauergeckos, scheue Zornnattern oder wunderschöne Smaragdeidechsen über den Weg laufen. „Und wo geht es hin?“, will Salvatore von Bernardo wissen. „Eigentlich wollten wir zur Piano Sempria. Aber meinen Schäfchen ist es noch etwas zu frisch in dieser Höhe um 1500 Meter. Deshalb ändern wir den Kurs Richtung Pollina.“ „Eine gute Alternative“, weiß Salvatore und nickt.

Wie ein Adlernest thront das mittelalterliche Dörfchen auf einem Felsen in 760 Meter Höhe und weithin sichtbar von der Küste und aus den Bergen - hoch über Olivenhainen und Weingärten. Das einzige neuere Bauwerk Pollinas ist die Piazza in Form eines Amphitheaters. Von den Naturbänken aus Stein schweift der Blick wie von einem Hochsitz in die Bergwelt rundherum. In den steilen Kopfsteinpflastergassen fehlt nur eine Gelateria und Pasticceria wie in Castelbuono zum vollkommenen Glück.

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