Simbabwe Safari am Sambesi

Von Jessica Weiser | 27.07.2023, 15:30 Uhr

Okavango und Sambesi – zwei Flüsse, zwei Superlative. Der eine hat an den Victoriafällen seinen spektakulären Auftritt, der andere mündet im größten Binnendelta der Welt. An ihren Ufern werden Safari-Träume wahr. Teil 1: Simbabwe

Auf einer Länge von fast zwei Kilometern rauschen die Wassermassen des Sambesi unter lautem Getöse in die Tiefe. Um die 10 Millionen Liter pro Sekunde sind es während des Höchstwasserstandes im Juni jeden Jahres. Wer in dieser Zeit ohne Regenponcho durch den immergrünen Regenwald auf der simbabwischen Seite der Victoriafälle schlendert, um die 16 Aussichtspunkte abzuklappern, der ist am Ende nass bis auf die Knochen. Aber selbst der beste Regenschutz hilft spätestens zwischen den Punkten 14 (Rainbow Falls) und 15 (Danger Point) kaum noch. Hier kommt der Sprühnebel der Fälle als sintflutartiger Regen herunter. Wohl dem, der sich für Badeschlappen statt Wanderschuhe entschieden hat.

Aus der Engelsperspektive

Mosi-oa-Tunya (Donnernder Rauch) nennen die Einheimischen dieses Wunder der Natur, das der Missionar und Afrikaforscher David Livingstone im Jahr 1855 entdeckte und das er zu Ehren seiner Königin Victoriafälle nannte. „Solch einen schönen Anblick müssen Engel in ihrem Flug betrachtet haben“, schrieb der Schotte damals über den breitesten durchgehenden Wasserfall der Welt in sein Tagebuch. Aufgrund des Nebels lässt sich die Schönheit der Fälle bei unserem Besuch nur erahnen. Denn obwohl uns höchstens 50 Meter von der sambischen Seite trennen, können wir das andere Ufer an vielen Stellen nicht erkennen. Zu dicht ist der donnernde Rauch. Für eine bessere Sicht auf den größten Wasserfall Afrikas müssen wir es bei diesem Besuch den Engeln gleichtun.

„Flight of Angels“ (Deutsch: Flug der Engel) heißt das Angebot der Zambezi Helicopter Company, das Touristen einen Blick auf die Victoriafälle, die bereits 1989 zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurden, aus der „Engelsperspektive“ ermöglicht. Vom Startplatz der Hubschrauber geht es entlang des Sambesi, der mit einer Länge von 2.574 Kilometern der viertlängste Fluss Afrikas ist, bis zu den Wasserfällen. Der Sprühnebel, den man bereits aus mehreren Kilometern Entfernung ausmachen kann, weist dabei den Weg. Bis zu 300 Meter hoch steigt er am Ende der Regenzeit. Damit alle Insassen die Victoriafälle und den schillernden Regenbogen, den sie im gleißenden Sonnenlicht erzeugen, auch gut vor die Linse bekommen, fliegt der Pilot eine Acht.

Zip-Line und Tea Time

Zurück auf festem Boden zieht es uns nach Victoria Falls. Vic Vegas nennen die Einheimischen das Städtchen in Anlehnung an das amerikanische Spielerparadies. Glitzernde Wolkenkratzer sucht man hier zwar vergebens, aber ein Kasino gibt es in der Stadt tatsächlich. Der Beiname bezieht sich mehr auf den Trubel entlang der Straßen und die Vergnügungsangebote. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt: Märkte mit Handarbeiten ebenso wie Shops mit den obligatorischen Souvenirs „Made in China“, eine Brauerei, die ihr Craftbier herstellt, sowie unzählige Restaurants und Bars. Und natürlich lassen sich hier unzählige Aktivitäten buchen. Schwimmen am Rande der Wasserfälle, ein Bungee-Sprung von der markanten Victoria Falls Bridge oder doch lieber eine gemütliche Flusskreuzfahrt zum Sonnenuntergang auf dem Sambesi? Wer schwindelfrei ist und engelsgleich über den Fluss gleiten möchte, kann aber auch einen „Flug“ mit der Zip-Line buchen.

Über 400 Meter lang ist das Stahlseil, das unweit des Lookout Cafés über die Batoka-Schlucht gespannt wurde, durch die der Sambesi nach dem Sturz in die Tiefe seinen Weg fortsetzt. Gut, engelsgleich wirkt unser Grüppchen bei rund 80 Stundenkilometern „Fluggeschwindigkeit“ nicht unbedingt, aber für einen ordentlichen Adrenalinkick in einer atemberaubenden Umgebung sorgt die Seilrutsche allemal.

Den Puls beruhigen kann man anschließend beim typisch englischen High Tea auf der Terrasse des altehrwürdigen Victoria Falls Hotel. Wer den imposanten Bau im Kolonialstil betritt, der begibt sich in eine andere Welt. Präsidenten, gekrönte Häupter wie die kürzlich verstorbene Königin Elisabeth II. und Stars wie Ewan McGregor, David Hasselhoff und Michael Jackson sind bereits durch die prunkvoll eingerichteten Räume geschlendert, um sich Tee, Törtchen, Scones und Sandwiches servieren zu lassen. Die kleinen Leckereien am Nachmittag und den unverbauten Blick auf den Rauch der Victoriafälle, die Victoria Falls Bridge und den Sambesi können aber auch Normalsterbliche genießen.

Bezahlt wird, wie überall in Simbabwe, seit der Hyperinflation 2008 in US-Dollar. Zwar hat die Regierung in der Vergangenheit versucht, die eigentliche Landeswährung, den Simbabwe-Dollar, wieder einzuführen, auch durch ein Verbot von Fremdwährungen – funktioniert hat das aber bis heute nicht. Die alten Scheine wie die 100-Billionen-Note taugen mittlerweile nur noch als Souvenir. Der Tourismus ist für das von Hunger- und Wirtschaftskrisen gebeutelte Land eine wichtige Einnahmequelle. Doch der Binnenstaat im südlichen Afrika muss häufig hinter Destinationen wie Südafrika und Namibia zurückstehen.

Abseits der Victoriafälle

Dabei ist das Land für Safari-Touristen wie gemacht. Neben elf Nationalparks im ganzen Land gibt es auch unzählige private Reservate beziehungsweise Konzessionen mit beeindruckenden Dimensionen. Eine davon ist das 55.000 Hektar große Matetsi Private Game Reserve der Familie Gardiner, das direkt an den Sambesi grenzt. Zäune gibt es hier nicht, damit sich die Tiere frei bewegen können. Und so grasen Warzenschweine vor der Terrasse der zum Reservat gehörenden Lodge, während vom Fluss aus das Grunzen der Nilpferde erklingt. Bei einer Fahrt im offenen Geländewagen lassen wir uns den warmen Fahrtwind um die Nase wehen, sehen mächtige Baobab-Bäume und kommen Elefanten, Giraffen, Pavianen und Kudus ganz nah. Die Löwen zieren sich an diesem Nachmittag zwar, dafür sind wir aber live dabei, als zwei Elefantenbullen ihre Kräfte messen.

Was die Besucher nicht sehen: Den Aufwand, der im Hintergrund betrieben wird, damit dieses Paradies nicht irgendwann verschwindet. „50 Ranger sorgen dafür, dass die Tiere sicher sind“, erzählt Brian Gurney, Leiter des Konservations- und Sicherheitsteams. Aufgrund der Armut in der Region sei Wilderei nach wie vor ein großes Problem. Oft kämen die Täter aus Sambia. Abgesehen haben sie es dabei mittlerweile aber nicht mehr nur auf das Elfenbein, sondern vor allem auf das Fleisch der Elefanten. Deshalb legen die schwer bewaffneten Patrouillen des Reservats, zu der auch eine Hundestaffel gehört, jeden Tag um die 250 Kilometer zurück. Das zeigt Wirkung. „Wir hatten hier länger keinen Fall von Wilderei mehr“, sagt Brian. In den angrenzenden Gebieten sei das jedoch anders. Und dass, obwohl Wilderern in Simbabwe Gefängnisstrafen von mindestens neun Jahren drohen.

Aber nicht nur der Schutz der Tiere spielt in Matetsi eine wichtige Rolle – auch das Thema Nachhaltigkeit ist im südlichen Afrika angekommen. „Für die Lodge nutzen wir Solarenergie und wir beziehen unsere Produkte nach Möglichkeit aus der Region beziehungsweise aus unserem eigenen Gemüsegarten“, sagt Sara Gardiner, Mitgründerin des Matetsi Private Game Reserve. Außerdem setze man sich für die Minimierung von Einwegplastik ein, gebe wiederverwendbare Trinkflaschen an die Gäste aus und unterstütze die lokalen Gemeinschaften. Denn am Ende lasse sich nur gemeinsam etwas bewegen.

Das gleiche Konzept verfolgt auch die Wallow Lodge, ebenfalls auf dem Gelände eines privaten Schutzgebietes, das unter anderem verwaisten Elefanten ein Zuhause gibt und sie auf das Leben in Freiheit vorbereitet. Gleichzeitig unterstützt der Betreiber Wild Horizons mit einem Teil der Einnahmen Schulkinder und Altenheime sowie Kliniken und weitere soziale Projekte. „Neben dem Einsatz von Sonnenenergie und einer aufwendigen Reinigung des Schmutzwassers haben wir außerdem einheimische Bäumen aus unserer Baumschule neu angepflanzt und gebietsfremde Pflanzenarten entfernt“, berichtet Lodge-Manager Tinashe. Die Tierwelt dankt es den Betreibern. Da grast schon mal eine Elefantenkuh mit ihrem Nachwuchs direkt vor dem Eingang des Glamping Zeltes und ein kleines Bushbaby schaut am frühen Morgen mindestens so verdutzt drein wie der Gast, der auf seiner Terrasse eigentlich nur die Stille des Morgens und den unvergleichlichen afrikanischen Sonnenaufgang genießen wollte. „Das ist ein Glücksfall“, sagt Tinashe. Bushbabys seien zwar nicht selten, zeigten sich aber nicht so oft. „Und es ist deutlich angenehmer, als Leoparden auf dem Dach zu haben. Die können nämlich ziemlich laut werden.“ Tinashe lacht und winkt ab. „Keine Sorge, damit sich die Gäste bei so viel Nähe trotzdem sicher fühlen, patrouillieren Nachtwächter nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Gelände.“ Wer seine Bleibe verlassen möchte, muss im Haupthaus anrufen und bekommt Geleitschutz.

Lehrreiche Pirschfahrten

Schon Goethe wusste: „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.“ Recht hatte er. Auf den Pirschfahrten, die meist am frühen Morgen oder am Nachmittag starten, kann man nicht nur die afrikanische Tierwelt beobachten. Dank Guides wie Chalton von der Wallow Lodge lernt man auch noch eine ganze Menge. So wissen wir nach zwei Stunden alles, was es über Elefanten zu erfahren gibt – von ihrem schlechten Verdauungssystem bis hin zu den Zähnen, die sie ab einem Alter von 65 Jahren langsam verlieren. An die Elefanten können wir uns leise heranwagen, um die afrikanischen Büffel müssen wir hingegen einen großen Bogen machen. „Die haben notorisch schlechte Laune“, warnt Chalton. Da sie ohne Vorwarnung angreifen, nimmt man diese lustig verpackte Warnung lieber ernst. Und zum Schluss hat unser Guide noch den besten Tipp auf Lager: „Manchmal muss man den Motor abstellen und einfach nur der Natur zuhören.“ Grillen zirpen, irgendwo raschelt etwas im Gebüsch, unbekannte Vogelstimmen stimmen ein Konzert an und in weiter Ferne hört man das Donnern der Victoriafälle.

„Mein Herz ist in Afrika“, soll David Livingstone einst gesagt haben. Wer sich einmal auf das Abenteuer eingelassen und ein Land wie Simbabwe bereist hat, der wird ihm ganz sicher zustimmen. Eine Reise ins südliche Afrika ist auch ein bisschen eine Reise zu sich selbst – und das nicht nur, weil der Kontinent als die Wiege der Menschheit gilt. Freiheit, Demut, Lebensfreude: All das lernt man hier aus einer ganz neuen Perspektive. Bei einer Pirschfahrt durch die unberührte Landschaft, in Momenten, in denen man mucksmäuschenstill die größten und kleinsten Tiere der Welt beobachtet oder auch wenn man im Gespräch mit Einheimischen merkt, mit wie wenig man zufrieden sein kann…

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