Ob Wandern oder Radeln, Tiere beobachten oder ein Schloss erkunden – für entspannte Erlebnisse ist die Umgebung von Deutschlands größtem See ein ideales Revier.
„Die Müritz ist Deutschlands größter See“. Wer unterwegs ist in der Mecklenburgischen Seenplatte, wird diesen Satz öfter mal hören. Voller Stolz, versteht sich. Ganz korrekt ist das zwar nicht, misst doch der deutsche Anteil am Bodensee immer noch mehr an Fläche. Völlig falsch wiederum liegt man hier trotzdem nicht: Mit 117 Quadratkilometern ist die Müritz das größte Gewässer auf komplett deutschem Territorium. Und noch viel wichtiger: Auch in puncto Popularität ist das „Mecklenburgische Meer“ ein Superlativ. Ohne jeden Zweifel. Als touristisches Herz der Region und eines blauen Paradieses sind auf der Müritz Freizeitkapitäne in alle Himmelsrichtungen unterwegs – über ein gigantisches Netz von hunderten Seen und 2.000 Kilometer Wasserwegen. Im Müritz-Nationalpark gehen Hobby- und Profi-Ornithologen auf Pirsch zu mehr als 200 Vogelarten mit See- und Fischadlern als Königen im Revier. Naturfreunde können auf dem „Wald-Erlebnis-Pfad“ zum offiziell größten Schatz der Region pilgern – dem Welterbe-Buchenwald von Serrahn. Oder zu den Methusalem-Eichen von Ivenack, zum Beispiel. Und mit der Stadt Waren steht für all das auch eine moderne Urlaubsbasis mit guter touristischer Infrastruktur zur Verfügung. Im Folgenden ein paar Tipps.
Wanderspaß und Radlerfreude
Punkt 10 Uhr am Warener Hotel Amsee: Paul und Stefan stiefeln los zu einer Runde um den Tiefwarensee. Lockere neun Kilometer fast immer am Ufer entlang, auf den Spuren der letzten Eiszeit. Denn der Tiefwarensee, mit 23 Metern etwas flacher als die große Müritz nebenan, ist eine von Gletscher-Schmelzwasser aufgefüllte Rinne. Auf seiner Endmöräne erheben sich die berühmten Warener Buchen – ein kleiner, aber feiner Wald am See mit herrlichen Exemplaren des für Norddeutschland so typischen Baumes. Für Fotograf Paul ein Eldorado an Formen und Strukturen, für Lehrer Stefan ein biologischer Schatz – alles, was hier kreucht, fleucht und sprießt, kennt er quasi per Handschlag. Doch nicht nur für Insider ist diese Wanderung wie gemalt. Auf dem Eiszeitlehrpfad durchquert man die „Wolfsschlucht“, passiert die Pommersche Wiese, den Mühlenberg mit Freilichtbühne und einen Hotel-Schaugarten, dem sogar ein Zen-Meister seinen meditativen Stempel aufgedrückt hat. Man streift einsame Badestellen, wo Einzelgänger ungestört abtauchen können. Begeistert sich an den Panoramen vom See und der Stadt Waren mit der markanten Turmhaube der Marienkirche. Und kann den alten Studienkumpeln nur allumfassend zustimmen: Schöner kann ein Wanderweg Natur und Stadt nicht miteinander verbinden.

Nächster Tag: Punkt 9.30 Uhr in Waren. Als der erste Nationalparkbus an der Mole startet, hat er die frühen Vögel Anne und Achim an Bord. Das agile Rentnerpaar will heute eine 25 Kilometer Runde im Nationalpark drehen, die Räder dafür haben sie auf dem Anhänger verstaut. Ausstieg in Federow, erster Halt das winzige Gutsdorf Schwarzenhof mit Nationalpark-Station. Ein Plausch mit Rangerin Liane über Wetter und Wege, dann sitzen die beiden schon wieder im Sattel. Bis im nächsten Dorf mit dem schönen Namen Speck der Fuchsbau lockt. An diesem Imbiss kommt kein Passant vorbei – zu köstlich sind Wildgulaschsuppe, Kuchen, Apfelsaft und selbst gebackenes Brot. Gleich danach ein Höhe-Punkt im doppelten Sinn: Den 100 Meter Brocken Käflingsberg krönt ein Aussichtsturm, der noch einmal 55 Meter beisteuert – für MeckPomm sind das Höhenangst-Dimensionen. Und die Aussichten in alle Richtungen entsprechend atemberaubend – allein die sechs schimmernden See-Perlen lohnen den Aufstieg. Wieder unten strampeln unsere beiden nach Boek. Das Dorf ist zugleich das südliche Tor zum Nationalpark und ausgesprochen populär für seine Führungen zum Thema Greifvögel.
Bärenwald und Mürizteum
Apropos Tiere: 500 Maränen im wogenden Schwarm. Wuselnde Störe auf Drehwurmkurs. Prachthecht und Welse in friedlicher Koexistenz. Große Fische, kleine Fische, aber auch Schnecken, Muscheln und fast ausgestorbene einheimische Schildkröten – insgesamt 50 Tierarten bevölkern die 26 Schaubecken im Warener Müritzeum, Deutschlands größter Aquarienlandschaft für heimische Süßwasserfische. Mit famosen Einblicken in die Unterwasserwelt der Mecklenburgischen Seenplatte und des Müritz-Nationalparks. Hier kann man aber auch in die Luft gehen, durchs Moor wandern oder zu den Welterbe-Buchen von Serrahn pilgern – das multimediale Naturerlebniszentrum macht all das spielend möglich.

Nicht weit entfernt, in Stuer bei Plau am See, sind die Bären los. 13 große Braune, um genau zu sein. Männlein und Weiblein. Brüder und Schwestern. Teenager und Senioren. Allesamt gerettet aus schlechter Haltung in Zoos, Zirkussen und Privatbesitz, leben sie im Bärenwald Müritz unter exquisiten Bedingungen auf naturbelassenem Areal. Westeuropas größtes Bärenschutzzentrum ist ein Projekt von „Vier Pfoten“, das es Balou, Ben, Rocco, Sylvia und ihren Artgenossen erlaubt, rund um die Uhr einfach Bär zu sein. Und den Besuchern ermöglicht, dabei ausgiebig zuzuschauen.
Kranichzauber und Hirschbrunft
18 Uhr, Federow bei Waren. Wie fast jeden Abend im Herbst hat sich auch heute ein Grüppchen an der Nationalpark-Info eingefunden, das scharf ist auf ein besonderes Schauspiel. Showbühne ist der zwei Kilometer entfernte und gänzlich von Wald- und Schilfgürteln umschlossene Rederang-See, die Zuschauer-Loge ein großer überdachter Ausguck mit freier Sicht nach vorn. Dann heißt es warten und schweigen, schweigen und warten. Keiner redet, keiner telefoniert – allein diese langen Minuten unverhoffter Stille und tiefen Friedens in reinster Natur sind das Vergnügen schon wert.
Das ändert sich, als die Hauptdarsteller peu a peu einfliegen und sich schon lautstark ankündigen, bevor sie ins Blickfeld geraten. Zwischen 19 und 20 Uhr schwebt Kranichstaffel um Kranichstaffel ein – mal in kleiner Schar, mal in großer Formation, mal in tanzender Kette, mal als perfekter Keil – immer jedoch kräftig trompetend und spektakelnd. Ein eindrucksvolles Naturschauspiel, das von Ende September bis Mitte Oktober sein fulminantes Finale erlebt. Dann nämlich tanken hier um die 10.000 Kraniche auf für den Weiterflug gen Süden und machen Mega-Rabatz – optisch und akustisch. Für Rangerin Liane Himm ist darüber hinaus die jährliche Rotwildbrunft das persönliche Highlight: „Röhrende Hirsche hören und mit etwas Glück auch sehen, das ist etwas, was mich seit der Kindheit begleitet und auch nach so vielen Jahren noch immer begeistert. Ich bekomme da jedes Mal wieder Gänsehaut.“ Die Führung dazu gibt es zwei Wochen lang ab Mitte September, sechsmal pro Woche, drei Mal frühmorgens und drei Mal abends.
Mirokesen und Strelitzien
Als Kronprinz Friedrich von Preußen – der spätere Friedrich der Große – 1736 zu Gast in Mirow war, kamen ihm die Schlossbewohner so ungebildet und urkomisch vor, dass er sie fortan als Mirokesen verspottete. Wer sich heute ins Mirower Schloss begibt, wird angesichts manch wirklich schrägen Herzogs noch immer schmunzeln über die bissigen Kommentare des jungen Fritz. Vielmehr aber feststellen, dass das Schloss ein echtes Kleinod ist. Und Heimat eines Weltstars war: Die jüngste Mirower Prinzessin Sophie Charlotte nämlich verließ am 18. August 1761 ihre Heimat für immer, um Königin von Großbritannien zu werden.

Und später Namenspatronin der Paradiesvogelblume Strelitzie. Und dass sich die aktuelle Netflix-Serie „Bridgerton“ um eben diese Queen Charlotte dreht, sorgt zusätzlich für Besucher-Boom-Effekte. Das hübsche Barockschloss in wunderbarer Insellage ist übrigens das einzige Denkmal, in dem sich die herzogliche Wohnkultur der Mecklenburg-Strelitzer Dynastie erhalten hat. Und über die Kastellan Ralf Bäßler ganz trefflich zu erzählen weiß. Auf knackigen Erlebnis-Führungen lernen Gäste zum Beispiel das Gewitterzimmer kennen, das Streublumenzimmer und das gestickte Porzellankabinett. Inklusive zahlreicher Objekte zum Anfassen. Besucher dürfen sogar hinter geheime Türen linsen und verborgene Kammern entdecken. Wer sich dann noch mal ganz königlich entspannen will, sollte unbedingt an Bord der Blau-Weißen-Flotte gehen. Zur Fünf-Seen-Fahrt durch ein wirklich umwerfendes Seerosenparadies.

Anreise: Mit Pkw über A19 (Abfahrt Röbel oder Waren) oder A20 (Abfahrt Friedland) in die Mecklenburgische Seenplatte und den Müritz-Nationalpark. Mit der Bahn nach Waren, Neustrelitz, Kratzeburg, Wesenberg oder Mirow, weiter mit den Linien des Müritz-Nationalpark-Tickets oder dem regulären Linienverkehr.
Rundum-Sorglos-Ticket: Übernachtungsgäste in Waren (Müritz), Röbel/Müritz, Klink, Rechlin und Kargow können die Busse von „MÜRITZ rundum“ kostenlos nutzen. So oft sie möchten. Einfach Gästekarte vorzeigen und einsteigen; Infos: Müritz rundum
Programme und Aktivitäten im Nationalpark: Adler-Safari, Vogelstimmenwanderung, Wildpflanzen-Zauber, Kranichbeobachtung, geführte Rad- und Wandertouren zum Beispiel zum Welterbe; Infos: Nationalpark
Müritzeum: täglich 10-19 Uhr, Eintritt 14/7 Euro; Infos: Müritzeum
Bärenwald: täglich 9-19 Uhr, Eintritt 12/6 Euro; Infos: Bärenwald Müritz
Veranstaltungstipp: „Schlösserherbst“ vom 7. bis 22. Oktober mit vielen Veranstaltungen in alten Guts- und Herrenhäusern.
Weitere Infos: Mecklenburgische Seenplatte