Städtetrip nach Kopenhagen Hyggelig und kosmopolitisch

Von Roswitha Bruder-Pasewald | 01.03.2023, 06:00 Uhr

Im Ranking der lebenswertesten Städte Europas belegt Dänemarks Hauptstadt stets einen Spitzenplatz. Die fahrradfreundliche Metropole ist immer eine Reise wert und hat weit mehr zu bieten, als nur seine berühmte Meerjungfrau.

Als die Königliche Oper auf der Insel Holmen 2005 in Betrieb ging, war Bo, ein waschechte Kopenhagener, nicht so recht glücklich mit dem architektonischen Vorzeigeobjekt seiner Heimatstadt. „Wenn man bedenkt, dass die Oper von Sydney von einem Dänen erbaut und zum Aushängeschild der Stadt, ja des ganzen Landes wurde, sieht dieser Bau eher unspektakulär aus“, meint der Reiseführer. Doch mittlerweile hat er seinen Frieden mit dem Opernhaus gemacht. Einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich ja nicht ins Maul: Es war der milliardenschwere Reeder Mærsk Mc-Kinney Møller, der das ehemalige Militärgelände in Sichtweite des Palast-Quartetts von Schloss Amalienborg kaufte, den dänischen Architekten Henning Larsen mit der Planung der 335 Millionen Euro teuren Hülle beauftragte und sich rege in die Gestaltung des Projektes einschaltete. Kritik daran konterte er mit dem Hinweis, seine gute Gabe sei ein Geschenk und kein Geschenkgutschein.

Wer mit dem Wasserbus von Kopenhagens touristischem Hotspot Nyhavn zur Oper pendelt, vielleicht gar eine Führung durch das Haus mit der hochgelobten Akustik ergattert, bekommt Spektakuläres zu sehen: sizilianischen Marmor, mit Blattgold verkleidete Decken, kugelförmige Kronleuchter, die wie eine Lichtinstallation wirken. Und natürlich das ausladende Dach, von dem sich Klippenspringer bei Wettbewerben 28 Meter in die Tiefe stürzen - mitten hinein ins Hafenbecken. Bei Architekt Larsen muss der Bau ein regelrechtes Trauma hinterlassen haben: Das Denkmal für den Mäzen sei der „Worst-Case“ in seinen fünfzig Jahren als unabhängiger Architekt gewesen.

Das Opernhaus mit seiner spektakulären Glasfassade zählt längst zu den Top-Sehenswürdigkeiten der dänischen Metropole, die 2014 zur Umwelthauptstadt Europas gewählt wurde und beim Ranking der lebenswertesten Städte regelmäßig einen Spitzenplatz belegt. Am besten lässt sich Kopenhagen, das 2017 seinen 800. Geburtstag feierte, übrigens zu Fuß oder mit dem Rad entdecken, denn die 650.000-Einwohner-Metropole ist ein Dorado für Zweiräder - wobei deren Lenker nicht gerade zimperlich sind, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen geht. Es gibt mehrere Hundert Kilometer Radwege, „Rent A Bike“-Shops an jeder Ecke und als Krönung das „Københavnske Bycykel“, ein robustes Stadtfahrrad, auf dem selbst der ehemalige US-Präsident Bill Clinton in die Pedale trat.

Kopenhagen sei wie eine „Bibliothek mit Schundliteratur und großen Büchern“, schrieb Hans Christian Andersen über seine geliebte Heimatstadt, deren bekanntestes Wahrzeichen die „Kleine Meerjungfrau“ ist. Schon am frühen Morgen pilgern Touristenscharen zu der 125 Zentimeter großen Bronzestatue des Bildhauers Edvard Eriksen, die in ihrem langen Leben schon einiges durchgemacht hat. Kunstbanausen enthaupteten die nackte Dame, prüde Zeitgenossen verpassten ihr einen züchtigen Bikini. Die Kopenhagener gehen reichlich locker mit all diesen Auswüchsen um, beschweren sich weder über die Massen, die morgens aus Kreuzfahrtriesen gespuckt und nachmittags wieder eingesammelt werden, noch über die Heerscharen, die sich zur Wachablösung vor Schloss Amalienborg einfinden - in der Hoffnung, einen Blick auf Mitglieder der ziemlich bodenständigen „Royal Family“ zu ergattern. Etwas Zeit fürs Anstehen muss der Kopenhagen-Entdecker bei so ziemlich jeder Sehenswürdigkeit mitbringen - vor allem, wenn es in die Höhe gehen soll. Der schwarz-goldene Turm der Erlöserkirche im eleganten Stadtviertel Christianshavn, das durchaus zutreffend den Spitznamen „Klein Amsterdam“ trägt, ähnelt einem überdimensionalen Korkenzieher. Wer ihn erklimmen möchte, sollte schwindelfrei sein, denn der letzte Teil des Aufstiegs bis zur vergoldeten Weltkugel in 90 Metern Höhe erfolgt unter freiem Himmel. Solche Maße hat der 36 Meter hohe, kreisrunde Rundetårn zwar nicht zu bieten, dafür jede Menge Geschichten. Peter der Große soll 1716 auf einem Pferd den Spiralgang des Observatoriums hinaufgeritten sein. Unmöglich scheint dies nicht, denn der schwergewichtige Christian IV. ließ das Innere so konstruieren, dass er bequem per Sänfte oder Pferd hinaufgelangen konnte. Selbst per Einrad und im Auto wurde „der Runde“ schon erklommen. Die Astronomen sind längst verschwunden; dafür erfreuen sich Touristen am Ausblick und dem schwebenden Glasboden. Der ist mehr als 50 Millimeter dick und kann bis zu 900 Kilogramm pro Quadratmeter tragen.

Kopenhagen hat viele Highlights zu bieten: den Tivoli gegenüber vom Hauptbahnhof, wo sich in Vor-Corona-Zeiten bis zu vier Millionen Besucher verzaubern ließen; die Fußgängerzone Strøget mit kleinen Geschäften, Restaurants und Cafés; das 400 Jahre alte Renaissance-Juwel Rosenborg, wo es neben königlichen Gemächern auch die dänischen Kronjuwelen zu entdecken gibt, und natürlich Christiania, Kopenhagens umstrittenes Heiligtum. In den 1970er-Jahren begann die Freistadt als soziales Experiment, wo man ohne Probleme Hasch, aber keine harten Drogen kaufen konnte. Heute ist das bunte Viertel mit seinen vielen Graffitis ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Auswärtige. Rund um die Pusher Street geht es zwar nicht wirklich bürgerlich zu, doch mit Führern, die meist ihr ganzes Leben in Christiania gelebt haben, lässt sich die alternative Szene sicher betrachten.

Mehr Informationen:

Anreise: Kopenhagen ist sehr gut mit dem Zug zu erreichen. Die Fahrt ab Hamburg dauert rund fünf Stunden. Der Hauptbahnhof liegt direkt gegenüber vom Tivoli.

Erleben: Mit der Copenhagen Card haben Besucher freien Eintritt zu 89 Museen und Sehenswürdigkeiten der Hauptstadtregion. Zudem ist die Beförderung in Bahn, Bus und Metro kostenlos. Zahlreiche Restaurants und Aktivitäten gewähren einen Rabatt. Die 24-Stunden-Karte für Erwachsene kostet 60 Euro, für Jugendliche ab zwölf Jahren 33 Euro. Die 48-Stunden-Karte kostet 88 beziehungsweise 47 Euro.

Führungen: Copenhagen Free Walkings Tour bietet eine kostenlose Führung an, die täglich um 10.30 Uhr am Rathaus startet. Besucht werden die bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, und die Führer erzählen, warum die Dänen zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen. Jeder Teilnehmer zahlt, was er möchte.

Infos: Copenhagen Visitor Center, Vesterbrogade 4A, 1577 Kopenhagen V,

Wer nach all den Entdeckungen hungrig ist, sollte nicht gleich in den hübschen Restaurants und Cafés am Nyhavn Platz nehmen. Die einst sündigste Meile Kopenhagens, die mit den knallbunt gestrichenen Gebäudefassaden und den Hausbooten davor wie ein pittoresker Gruß aus längst vergangener Zeit wirkt, ist eine rechte Touristenfalle. Für einen Abstecher ins „Noma“, das 2021 wiederholt zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde, dürfte den meisten das Kleingeld fehlen. Also her mit dem Smørrebrød, dem üppig belegten Butterbrot, das einst als Feldarbeiterproviant Karriere machte. Otto Waalkes Spottvers mag zwar manchem in den Sinn kommen, doch bei Schønnemann am Hauser Plads dürfte selbst dem größten Butterbrot-Gegner das Wasser im Munde zusammenlaufen. Angeblich soll der nette Laden, dessen Einrichtung mit dem ur-dänischen Prädikat hyggelig beschrieben werden kann, 100 Varianten bieten, darunter Erwins Potato Sandwich mit Kartoffeln, Shrimps und Mayonnaise. Die Tester des Smörrebröd-Guides verliehen der Lokalität glatte sechs Sterne. Dabei kennt deren Skala nur fünf.

Jede Menge Sterne hat auch das beste Haus am Platz zu bieten, das Grandhotel D‘Angleterre, nur einen Steinwurf entfernt von Königin Margrethes Wohnsitz. Wer etwas auf sich hält, steigt in dem weißen Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert direkt am Kongens Nytorv ab; Alfred Hitchcock nutzte ihn als Filmkulisse für den Spionagethriller „Der zerrissene Vorhang“. Michael Jackson, die Rolling Stones, selbst Feldmarschall Rommel nächtigten bei der Belle Epoque-Diva.

Sehr viel kleiner ist das Central Hotel in der Tullinsgade. Denn das gut 100 Jahre alte Minigebäude im Szenebezirk Vesterbro, dem ehemaligen Rotlichtbezirk, verfügt über genau ein Zimmer: Es ist zwölf Quadratmeter groß und mit viel Liebe fürs Detail eingerichtet. Das Doppelzimmer ist zwar für 335 Euro kein Schnäppchen, doch im kleinsten Hotel der Welt abzusteigen, hat eben seinen Preis.

Noch keine Kommentare