Bahnreisen in der Schweiz Unterwegs mit dem Glacier-Express und Bernina-Express

Von Julia Fahl | 08.07.2023, 06:00 Uhr

Sich entspannt zurücklehnen und eindrucksvolle Berglandschaften, malerische Dörfer und idyllische Seen an sich vorbeiziehen lassen: Bahnfahren entschleunigt. Vor allem in der Schweiz.

In der Schweiz sind besonders beeindruckende Bahnreisen möglich. Zum Beispiel mit den beiden bedeutsamsten Panoramazügen des Landes: dem Glacier-Express und dem Bernina-Express.

Glacier-Express: Unterwegs im langsamsten Schnellzug der Welt

Vom mondänen St. Moritz nach Zermatt am Matterhorn – oder umgekehrt: Mit einer Fahrt im Glacier-Express kann man die Vielfalt der Schweiz an nur einem Tag erleben. Es ist eine der berühmtesten Zugreisen der Welt. Wer Platz nimmt in den rot-grauen Panorama-Waggons mit den großen Fensterscheiben oben und an der Seite, fährt entlang schneebedeckter Gipfel und Hänge, durch abgeschiedene Täler, über spektakuläre Viadukte und Brücken und durchquert einzigartige Tunnel.

In siebeneinhalb bis acht Stunden Fahrzeit schafft der Schmalspurzug gerade einmal knapp 300 Kilometer Strecke. Deshalb wird er auch liebevoll „der langsamste Schnellzug der Welt“ genannt. Aber wer sich in die gemütlichen Sitze fallen lässt, bringt gerne Zeit mit und will in Ruhe den Ausblick genießen. Der Weg ist das Ziel. Und dieser führt über 291 Brücken, durch 91 Tunnel und durch gleich drei Kantone: Graubünden, Uri und Wallis.

Am Bahnhof von St. Moritz, dem Wintersportort der Schönen und Reichen, 1.774,95 Meter über dem Meer gelegen, geht es los. Über die Albula-Linie, die zum Unesco-Welterbe zählt, hinab bis nach Chur. Im Rheintal führen die Schienen die Schmalspurbahn dann wieder bergauf nach Disentis. Es folgen Andermatt und Brig, bevor der Glacier-Express mit Zermatt am markanten Matterhorn seinen Zielbahnhof erreicht. Es ist eine wunderschöne Berg- und Talfahrt, ganz ohne Umsteigen, auf der die Fahrgäste ein Highlight nach dem nächsten erwartet.

Zum Beispiel die Albulalinie mit dem Solis-Viadukt und mehrerer Kreiskehrtunnel, die den Zug je nach Fahrtrichtung in kürzester Zeit 400 Höhenmeter hinabrollen oder erklimmen lassen. Oder der Wiesner-Viadukt, 210 Meter lang und 88 Meter hoch – bis heute die höchste gemauerte Brücke der Rhätischen Bahn. Oder der Landwasserviadukt in der Nähe des Bahnhofs Filisur, der im Bogen zwischen zwei Felswänden verläuft und mit seinen 65 Metern Höhe und 136 Meter Länge als das Wahrzeichen der Rhätischen Bahn gilt. Oder die Rheinschlucht zwischen Reichenau, wo sich Vorder- und Hinterrhein vereinen, und Ilanz. Die bizarren Gesteinsformationen entlang des Rheins präsentieren sich als einmalige Naturkulisse, die zurecht auch „Swiss Grand Canyon“ genannt wird.

Von da an schlängelt sich der Glacier-Express auf seinem Weg nach Zermatt erst einmal eine ganze Weile entlang des Vorderrheins und die Fahrgäste haben einen guten Blick auf die in blau und grün changierenden Farbtöne des Wassers. Der Zug folgt der Fließrichtung des Rheins.

Weitere Reisehöhepunkte sind die Fahrt über den knapp 2.050 Meter hohen Oberalppass, durch den 15,38 Kilometer langen Furka-Basistunnel zwischen Realp und Oberwald und schließlich durch das Mattertal vor Zermatt. Es ist das tiefste Tal der Alpen, umgeben von 29 Viertausendern.

Mit der Ankunft im bunkerähnlichen Bahnhof von Zermatt auf 1.610 Metern Höhe blicken die Fahrgäste endlich auf das Matterhorn, das der Reise die Krone aufsetzt. Wie eine Kathedrale aus Fels erhebt sich der 4.478 Meter hohe Berg über den Ort und ist eine der meistfotografierten Touristenattraktionen der Schweiz. Wer dem Matterhorn noch ein bisschen näher kommen mag, sollte mit der Zahnradbahn hoch zum Gornergrat fahren. Schon die Fahrt auf 3.100 Meter Höhe mit dem stetigen Blick aufs Matterhorn ist ein echtes Erlebnis. Berge und Gletscher, soweit das Auge reicht. Ein krönender Abschluss einer besonderen Zugreise.

Bernina-Express: Über die Alpen vom Norden Europas in den Süden

Wer mit dem Bernina-Express die Alpen überquert, erlebt eine Reise der Kontraste und beeindruckenden Bauwerke. 196 teil schwindelerregende Brücken, 55 in den Fels gehauene Tunnel, vorbei an Gletschern, aber auch an Palmen.

Die Zugfahrt in den Süden Europas beginnt für Fahrgäste entweder im mondänen St. Moritz, in Davos oder in Chur, der Hauptstadt des Kantons Graubünden. 

Die Strecke durch das Albulatal und über den Berninapass gehört zum Unesco-Welterbe. Kein Wunder, wenn man sich die Bahntechnik und die Linienführung anschaut. Landschaft und Eisenbahn verschmelzen bestmöglich dank raffinierter Kunstbauten. Der Solisviadukt, der Landwasserviadukt und die Kehrtunnel zwischen Bergün und Preda sind ein Markenzeichen der Rhätischen Bahn und lassen sie ganz ohne Zahnradunterstützung auf mehr als 1.000 Höhenmeter klettern.

Dieser Teil der Strecke überschneidet sich mit dem Streckenverlauf des Glacier-Expresses. Der Bernina-Express ist auch ähnlich langsam unterwegs. Aber so bleibt auch hier mehr Zeit, die Reise durch die Alpen mit den beeindruckenden Panoramen zu genießen.

Bis zum Bahnhof Ospizio Bernina auf 2.253 Metern über Meer – und damit die höchstgelegene Bahnstation im Netz der Räthischen Bahn – schlängelt sich der feuerrote Zug durch die Berge. Eine Steigung von bis zu 70 Promille meistert er dabei ohne Probleme. Die Fahrgäste erhalten einen beeindruckenden Ausblick auf den Morteratschgletscher und die berühmte Montebello-Kurve. Dort beschreibt die Bahn eine 180-Grad-Kurve, quert die Straße – und das vor dem Morteratschgletscher mit seinem Kranz von Bergen. Für Eisenbahnfans ist das DER Fotopunkt.

Die Schienen führen den Bernina-Express weiter entlang des Stausees Lago Bianco mit seinem tiefblauen Wasser und dem Bergsee Laj Neir bis zum Bahnhof Alp Grüm, 2.091 Meter über dem Meeresspiegel . Von dort aus haben die Bahnreisenden einen unvergesslichen Ausblick auf den Palügletscher, das Berninamassiv, die Bergamasker Alpen und das ganze Valposchiavo.

Dorthin führt auch die Weiterfahrt. Im Zick-Zack-Kurs folgt der Bernina-Express den Schienen talabwärts. Bei Brusio dreht der Zug dann auf dem berühmten Kreisviadukt eine Extrarunde. Nur so kann er den Höhenunterschied in dem engen südalpinen Tal bewältigen.

Kurz darauf passiert der Zug die italienische Grenze und die Bahngäste erreichen mit Tirano den Zielbahnhof.

Tipp: Hier muss die Reise aber noch nicht vorbei sein. Wer mag, kann sich vom Bernina-Express-Bus zurück in die Schweiz nach Lugano bringen lassen. Der Bus fährt allerdings nur zwischen Mai und Oktober.

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