Ikone auf Schienen Alaska Railroad feiert Jubiläum

Von Brigitte von Imhof | 20.05.2023, 06:00 Uhr

100 Jahre und kein bisschen müde: Auf der Bahnstrecke gibt es neben grandiosen Landschaften auch Bär, Elch & Co. zu sehen.

Wir schreiben den 15. Juli 1923. US-Präsident Warren Harding hat die weite Reise von Washington D.C. in das entlegene US-Territorium Alaska auf sich genommen, um symbolisch den „goldenen Nagel“ ins Gleis zu schlagen. Die Alaska Railroad kann ihren Betrieb aufnehmen.

Gegründet wurde die Bahngesellschaft bereits 1903 mit dem Ziel, die Goldfelder bei Fairbanks im Landesinneren und die Kohlevorräte im Matanuska-Gebiet mit dem Seehafen Seward zu verbinden. Das Land, das die Amerikaner 1867 den Russen zum Schnäppchenpreis von 7,2 Millionen Dollar abgekauft hatten, war reich an Bodenschätzen. Erdöl und Erdgas wurden erst später gefunden und gefördert.

1915 entstand dann am Ufer des Ship Creek für den Bau der Bahntrasse eine Zeltstadt, die den Namen Anchorage bekam und sich zur größten Stadt Alaskas mit heute 300000 Einwohnern entwickelte. Erdrutsche, Permafrost, Lawinenabgänge und Steinschlag stellten die größten Herausforderungen beim Bau des Schienennetzes dar.

Mit dem Nagelschlag begann für die Alaska Railroad eine Erfolgsgeschichte, die aber auch zahlreiche Tiefschläge verkraften musste. Der markanteste spielte sich am Karfreitag des 27. März 1964 ab, als das zweitstärkste, jemals gemessene Erdbeben Alaska heimsuchte. 9,2 Punkte auf der Richterskala, viereinhalb verheerende Minuten lang. Ganze Teile von Anchorage stürzten ins Meer. Auch das Schienennetz der Alaska Railroad wurde stark in Mitleidenschaft gezogen, auf rund 30 Millionen Dollar belief sich der Schaden. Doch bereits zwei Wochen nach dem sogenannten Good Friday Earthquake fuhren die Passagierzüge wieder, wenige Tage später konnte auch der Frachtbetrieb aufgenommen werden.

Längst ist die Alaska Railroad eine Touristenattraktion geworden

Wenn der Zug in seinem appetitlichen blau-gelben Anstrich um die Ecke gebogen kommt, geht unweigerlich die Sonne auf - auch wenn die echte gar nicht scheint oder zur Mittsommernachtszeit gar nicht untergehen will.

Das 750 Kilometer lange Schienennetz der Alaska Railroad erstreckt sich vom Seehafen Seward im Süden nordwärts nach Fairbanks. Es geht zunächst mitten durch den Chugach National Forest mit seinen Bergwäldern und Gletscherlandschaften, vorbei an Seen und am Turnagain Meeresarm entlang bis zur Metropole Anchorage. Auf dem Weg zum Denali Nationalpark durch das fruchtbare Matanuska Valley überquert die Bahn tiefe Schluchten und schon bald schiebt sich der Mount Denali ins Blickfeld, der höchste Berg Nordamerikas, der strahlend weiß und mächtig 6194 Meter in den Himmel ragt.

Dreh- und Angelpunkt der Alaska Railroad ist Anchorage. Die Stadt am Cook Inlet ist zauberhaft eingerahmt von den schneebedeckten Bergen der Chugach Mountains. Im Stadtzentrum um die 4th und 5th Avenue reihen sich Hotels, Restaurants, Craft-Brauereien, Pubs, Galerien und Souvenirgeschäfte aneinander. An den Food-Ständen kann man so exotische Snacks wie Rentier-Burger probieren. Vom Lake Hood, dem größten Wasserflughafen der Welt, starten ohne Unterlass Flugzeuge, die alle Ecken Alaskas ansteuern. Weite Teile des Bundesstaats sind nicht an ein Straßennetz angebunden und nur aus der Luft zu erreichen.

Auch die Alaska Railroad dringt in abgelegene Wildnisgebiete vor, die anders auf dem Landweg nicht zugänglich wären: Mit dem „Glacier Discovery Train“ geht es zum Fuße des Spencer Glacier - eine mächtige Eiswand, die im Spencer Lake mündet. Passagiere haben auch die Möglichkeit, vom Seeufer aus mit dem Kajak bis zum Placer River zu paddeln. Die sportliche Tour endet in Portage, wo der Zug schon wartet. Die Strecke zurück bis Anchorage führt malerisch am Turnagain Meeresarm entlang, in dem sich die gegenüberliegenden Berge spiegeln. Unterwegs kann man dem Ort Girdwood einen Besuch abstatten, einem beliebten Freizeitziel bei Einheimischen und Touristen. Rund um den Mount Alyeska laden zahlreiche Routen zum Wandern und Radfahren ein.

Auf der Strecke von Anchorage nach Norden ist der „Denali Star“ unterwegs. Ein Halt ist unter anderem in Talkeetna, einem sympathischen Ort mit viel buntem Blumenschmuck, der aus der Hippie-Zeit gefallen scheint. Im Frühjahr dient Talkeetna als Basislager für die Teilnehmer von Denali-Expeditionen. Der weiße Riese ist eine harte Nuss selbst für die erfahrensten Bergsteiger, er gilt als der kälteste Berg unter den prominenten Bergriesen dieser Welt. Von hier starten auch die Rundflüge über den Denali, auf Wunsch mit einer Gletscherlandung.

Ein Höhepunkt auf dem Weg zwischen Anchorage und Fairbanks ist der Denali Nationalpark. Hier steigen viele aus, immerhin ist der Park mit seinen reichen Wildtierbeständen Alaskas Besucherattraktion Nummer 1. Doch auch entlang der Bahnstrecke gibt es mit etwas Glück Elche, Bären, Karibus und Wölfe zu sehen. Die Waggons sind teilweise glasverkuppelt und geben den Passagieren das Gefühl, mittendrin zu sein.

„All aboard“, alles einsteigen! Es geht weiter Richtung Norden. Der „Denali Star“, überwindet unterwegs die Hurricane Gulch, eine 100 Meter tiefe Schlucht, die der Zug auf einem 300 Meter langen wackeligen Viadukt überqueren muss. Irgendwann ist die Endstation Fairbanks erreicht. Ein Ausflug mit dem Schaufelraddampfer auf dem Chena River führt vorbei an der Hundeschlittenfarm von Susan Butcher, die das berühmte Iditarod-Rennen viermal gewinnen konnte. Die Besucher halten auch an einem Athabascan-Indianerdorf und bekommen bei einem kurzen geführten Spaziergang einen guten Eindruck vom Leben der Ureinwohner.

Mehr Informationen:

Anreise: Condor und Eurowings fliegen zwischen Mai und Oktober mehrmals wöchentlich von Deutschland direkt nach Anchorage. Hin- und Rückflug ab ca. 1200 Euro.

Einreise: EU-Bürger brauchen einen gültigen Reisepass sowie die ESTA-Einreisegenehmigung, die vor dem Abflug via Internet beantragt werden muss.

Zugreise: Die Alaska Railroad verkehrt zwischen dem Seehafen Seward und Fairbanks. Hauptstrecke ist die Verbindung von Anchorage über den Denali Nationalpark nach Fairbanks mit dem „Denali Star“. Die Bahngesellschaft bietet zahlreiche Reisepackages rund um die Zugfahrt an.

Fairbanks, die „Golden Heart City“, erlebte seine Blütezeit während des Goldrausches Ende des 20. Jahrhunderts, die Goldrush-Atmosphäre ist noch in allen Ecken und Winkeln zu spüren. Es gibt auch die Möglichkeit, selbst Gold zu schürfen und dabei die Aufregung zu spüren, wenn man in der Goldwaschpfanne etwas Funkelndes entdeckt. Übrigens: US-Präsident Harding hatte nach der feierlichen Einweihung der Alaska Railroad keine Gelegenheit mehr, seinen Kollegen im Weißen Haus von Alaska vorzuschwärmen. Auf dem Rückweg erlag er in San Francisco einem Herzinfarkt; in anderen Quellen ist von einem Schlaganfall oder Lebensmittelvergiftung die Rede.

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