Ägypten: Nationalpark mit Unterwasserwelt und Tour mit Beduinen Korallen, Seekühe und der Ruf der Wüste

Von Christian Boergen | 09.09.2023, 06:00 Uhr

Der Wadi-el-Gemal-Nationalpark glänzt auch mit Smaragden und antiken Tempeln. Ababda-Beduinen führen zu Dromedaren und Sternen, während ein Hotel im Park auf Ökotourismus setzt.

Wie bunt und lebendig das ist! Feuer-, Fächer-, Hirn-, Leder- und Salatkorallen leuchten in allen Farben und Formen um die Wette. Das Hausriff vor dem Gorgonia Beach Resort bei Marsa Alam ist ein Juwel und Teil des Meeresdrittels des Wadi-el-Gemal-Nationalparks. Mit knapp 7.000 Quadratkilometern ist er der kleinste der drei ägyptischen Nationalparks. Seine fast unberührte Unterwasserwelt stellt die großen Badeorte Hurghada und Sharm-el-Sheikh locker in den Schatten, obwohl auch hier Plastikflaschen und -netze im Roten Meer treiben. Falter- und Drückerfische, Kugel-, Papageien- Schmetterlings- und Wimpelfische, Barsche und Schnapper umschwärmen die Korallen. Unheimlich bewegen sich zwischen ihnen die blauen, geschwungenen Lippen der Riesenmuscheln. Sollte der Doktorfisch nicht helfen, dann tun es vielleicht ein paar „Nemos“ aus der Gattung der Anemonenfische.

Korallenriff, Tauchspots und nachhaltiger Tourismus

Dementsprechend ist der Park ein Eldorado für Taucher. Weichkorallen und Gorgonien pflastern das 700 Meter lange Korallenriff Sha‘ab Sharm, das zwölf Kilometer vor der Küste bis 200 Meter in die Tiefe reicht und Tummelplatz von Hammer- und Grauen Riffhaien ist. Porites- und rote Weichkorallen finden sich an den Tauchspots Sha‘ab Gad es Nos und Sha‘ab Eshta, während Spinnerdelfine am Sataya-Riff, Rotfeuerfische und Segelflossendoktoren vor der Insel Siyul zuhause sind. Am Hankorab-Strand kann auch geschnorchelt werden. Dort gibt es Riffbarsche, Papageien- und Schmetterlingsfische zwischen Acroporen und Himbeerkorallen. Der Schutz des Nationalparks hat im 350-Zimmer-Hotel Gorgonia Priorität. Johannes Girardi, Repräsentant der italienischen Eigentümer, die dort eine Baufirma betreiben und Weingüter besitzen, engagiert sich für nachhaltigen Tourismus. Um das Hausriff zu schützen, ließ er einen langen, rollstuhltauglichen Steg ins Rote Meer bauen. Bojen am Strand markieren weitere Zugänge; über alles informiert eine viersprachige Ökobroschüre auf den Zimmern, auch auf Deutsch. Unter Anleitung der Marinebiologin Miriam Tercon reinigen vier Gäste-Teams einmal wöchentlich die Strände, einmal im Monat auch außerhalb des Resorts. Mit Erfolg: Schnorchler sehen an der Riffkante problemlos bis zum Boden in zehn bis 25 Metern Tiefe, mit etwas Glück sogar die Gabelschwanz-Seekuh Dugong, Schildkröten, Rochen oder einen Hai. Selbst der Hotelname signalisiert Naturnähe: Gorgonien sind Hornkorallen oder Seefächer.

Nationalparktouren mit Ababda-Beduinen, die Dromedare züchten

Doch die Wüste ruft! Das ist der größere Teil des „Tals der Kamele“, wie das Wadi el Gemal auf Deutsch heißt. Mohamed Gad veranstaltet in Kooperation mit dem Gorgonia-Hotel Nationalparktouren mit den hier ansässigen Ababda-Beduinen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen stammen sie aus dem Sudan und führten als ein Stamm der Beja Kriege gegen die Römer, von denen schon Plinius der Ältere berichtete. Heute sind die Ababda Fischer, Hirten, züchten Dromedare, fertigen Kunsthandwerk und verdienen ihr Geld mit Urlaubern. Mohamed nimmt die inzwischen sesshaften Beduinen gegen Faulpelzvorwürfe anderer Ägypter in Schutz: „Weniger aktive Menschen sind genau das Richtige für diese Umgebung mit ihren begrenzten Ressourcen.“ Er, selbst kein Ababda, war Direktor des Nationalparks, bis zu seinem Rücktritt wegen einer Granitabbaugenehmigung der Regierung innerhalb des Parks.

Promovierter Marinebiologe begleitet Touren durch den Nationalpark

Das Wadi ist mit zahlreichen Nebentälern das weite Tal eines ausgetrockneten Flusses, der vor rund 15.000 Jahren in den Bergen am fast 2.000 Meter hohen Gebel Hamata entsprang. Viele Erhebungen sind ehemalige Korallenriffe. Das wird schon beim ersten Stopp deutlich, wo Islam Mohammad Elsadek mehrere Korallen unter einer versteinerten Riffkannte präsentiert. Als Ranger begleitet der promovierte Marinebiologe Touren durch den Nationalpark, das ist Vorschrift. Den Ökotourismus im Wadi el Gemal hat auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft gefördert. Dort lebt die Arabische Wüste. Über 140 verschiedene Pflanzen und Sträucher wachsen hier, die Hälfte davon sind Heilpflanzen. Während Mohamed auf einen vorbeifliegenden Lannerfalken aufmerksam macht, weisen Islam und die Ababda auf Araksträucher hin und zeigen zähnefletschend, wie man deren Zweige nutzen kann: Salvadora persica ist der legendäre Zahnbürstenbaum. Da schmeckt das Putzen ganz ohne Plastiktube.

Das Wadi trug zum Warenverkehr bei

Karawanen, die in ptolemäischer Zeit hier entlangzogen, wussten es zu schätzen. Das Wadi el Gemal war ein wichtiger Kreuzungspunkt von Handelswegen, durch den die Karawanenroute von Koptos (Qift) am Nil zum Hafen Berenike (Baranis) am Roten Meer verlief. Lapislazuli aus Afghanistan, Elfenbein, Glasperlen und Teakholz aus Indien, Myrrhe aus dem Jemen, Holz der Libanonzeder und sogar Bernstein von der Ostsee wurden auf dem Rücken der Dromedare transportiert, berichtet Mohamed. Das Wadi selbst trug zum Warenverkehr bei. Die Ababda halten an einer Mine aus der Ptolemäerzeit neben den Ruinen der Arbeiterunterkünfte. Ptolemaios I. war ein Offizier Alexanders des Großen und Urahn der ägyptischen Pharaonendynastie. Die geförderten Smaragde waren die Lieblingssteine der letzten Ptolemäerkönigin Kleopatra. Die Ababda schauen sich nur kurz um, greifen in den Boden und präsentieren das grüne Gold. Die Smaragde sind zwar klein und haben keine Juwelierqualität, zeigen aber, dass die bis in die byzantinische Zeit aktive Mine noch nicht erschöpft ist. Mitnehmen ist streng verboten, darauf achtet der Ranger.

Blick von Tempeln auf Ruinen der Antiken Stadt

Gleich nebenan haben die Minenarbeiter zwei Tempel in den Fels gehauen und mit von Kobras bewachten Sonnensymbolen verziert. Archäologen der Neuzeit türmten Gesteinssäulen auf, um den kleinen und den großen Tempel von Sikait, des antiken Senskis, vor dem Einsturz zu bewahren. Am kleineren hat der italienische Abenteurer und Ägyptologiepionier Giovanni Battista Belzoni (1778 bis 1823) die Inschrift „Göttin Isis, Herrin von Senskis“ entdeckt. Leider ist sie inzwischen verwittert. Dafür entschädigt der Blick von den Tempeln auf die Ruinen der antiken Stadt. Besonders beeindruckt das große Verwaltungsgebäude mit zwei Stockwerken und hohen Mauern. Das macht hungrig. Die Ababda-Beduinen parken ihre Landcruiser im Schatten einzeln stehender Akazien, an denen Dromedare knabbern, was dem Namen des „Tals der Kamele“ alle Ehre macht. Mit gesammelten Steppenrollern (Chamaechorien) und Akazienzweigen entfachen sie Feuer. Ein altes Stammesgesetz und die Nationalparkverwaltung untersagen das Abholzen der kostbaren Vegetation. Die Glutreste machen eine Mulde im warmen Wüstensand richtig heiß. Hinein kommt der mit „schwarzem“ Roggenmehl in Pizzaform frisch zubereitete Teig des Gabani-Brotes der Ababda. Obendrauf noch eine Schicht Glut und der Backofen ist fertig.

Gemüse, Ingwerkaffee, Fladenbrot und ein Sternenzelt

Auf einem anderen Feuer garen Paprika, Tomaten und Bohnen mit Zwiebeln, gewürzt mit Salz und Pfeffer. Das ist vegetarisch und alles andere als Fastfood. Die Ababda lehren ihre Gäste Geduld, Alkohol ist tabu. Dafür schmeckt ihr Ingwerkaffee umso besser. Die Ababda rösten frische, grüne Kaffeebohnen über dem offenen Feuer, mörsern sie mit getrocknetem Ingwer, um sie dann in der länglichen Jabana-Kanne aufzukochen. Das fertige Fladenbrot wird sorgfältig abgeklopft und in den Gemüseeintopf getunkt. Kein einziges Sandkorn ist an der krossen Kruste hängengeblieben; es schmeckt köstlich. Noch mal so gut ist ein Abendessen im Wadi el Gemal, dann auch mit Hähnchen. Das helle Sternenzelt über der Wüste, wie es moderne Großstädter kaum noch kennen, ist ein wahres Wunder. „Der Himmel hier hat Millionen Sterne, das Gorgonia Beach Resort nur fünf“, kommentiert Mohamed Gad. Vom Wüstenhimmel fallende Sternschnuppen begleiten das Essen. Kein Licht-Smog stört. Was soll man sich da noch wünschen?

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