Zweifel an Wirksamkeit Vorbild für Deutschland? Frankreich streicht Homöopathie als Kassenleistung

Von afp und dpa | 10.07.2019, 18:27 Uhr

Viele Experten lehnen homöopathische Arzneimittel ab – trotzdem übernehmen manche Krankenkassen einen Teil der Kosten.

Patienten in Frankreich müssen homöopathische Mittel künftig aus eigener Tasche bezahlen: Ab 2021 werden solche Medikamente nicht mehr von der Krankenkasse erstattet, wie das Gesundheitsministerium am Dienstagabend in Paris mitteilte. Grund sind massive Zweifel an der Wirksamkeit. An dem Beschluss gibt es Kritik von Patienten und von Herstellern. Diese warnen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen.

Weiterlesen: Böhmermanns Homöopathie-Wutrede: "Verdünnen, Schütteln, Scheiße labern"

Nach Angaben der französischen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn wird die derzeitige Erstattung von 30 Prozent der Kosten zunächst zum Jahreswechsel auf 15 Prozent gesenkt. 2021 soll es dann gar keine Kostenübernahme mehr geben.

Großer Druck der Unternehmen

Die französische Gesundheitsbehörde HAS war Ende Juni zu dem Schluss gekommen, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie gebe, um ihre Erstattung durch die öffentliche Krankenkasse zu rechtfertigen. Die alternative Medizin mit den winzigen Globuli ist so beliebt wie umstritten. Zahlreiche Wissenschaftler sprechen ihr jegliche Wirksamkeit ab. Viele französische Schulmediziner begrüßten deshalb die Ankündigung.

Buzyn räumte ein, dass es vor dem Beschluss "massiven Druck" gegeben habe. Französische Gewerkschaften fürchten den Verlust von mehr als tausend Arbeitsplätzen bei Herstellern homöopathischer Mittel und Händlern. Der französische Marktführer Boiron spricht von rund 1300 gefährdeten Jobs.

Placebo-Effekt kein ausreichender Grund

Es gebe viele Franzosen, "die aufrichtig daran glauben", sagte die Ministerin dem Sender RTL zu der umstrittenen Wirkung der Globuli. "Aber es ist wichtig, dass jeder Euro der Sozialversicherung mit gutem Grund ausgegeben wird." Ein reiner Placebo-Effekt reiche nicht aus. Nach Angaben der Ministerin nutzt rund jeder zehnte Franzose homöopathische Mittel, etwa für Schnupfen und Halsschmerzen. Solche Krankheiten gingen aber von selbst wieder weg, betonte sie.

Die Entscheidung kommt zu einer Zeit relativ ausgeglichener Kassen: In den vergangenen Jahren war es der französischen Krankenversicherung gelungen, ihr Milliardendefizit deutlich abzubauen.

Diskussion auch in Deutschland

In Deutschland zählen homöopathische Arzneimittel wie auch Gesundheitskurse zu den freiwilligen Leistungen der Krankenkassen. An der Erstattung gibt es immer wieder Kritik. So spricht sich etwa der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dagegen aus, dass Krankenkassen für Homöopathie aufkommen. "Wir müssen in der Groko darübr reden", sagte er erst Anfang Juli gegenüber dem "Tagesspiegel".

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der über die Pflichtleistungen der gesetzlichen Kassen entscheidet, unterstützt Lauterbach. Behandlungsmethoden ohne klaren Beleg für Wirksamkeit und Nutzen sollten "nicht noch dadurch geadelt werden, dass sie von Kassen als Satzungsleistungen bezahlt werden", sagte der GBA-Vorsitzende Josef Hecken dem "Tagesspiegel".

Kritik an Lauterbachs Vorschlag kommt aus der Union. Deren gesundheitspolitische Sprecherin, Karin Maag, findet es falsch, die freiwilligen Leistungen der Versicherer zu beschränken. "Wir führen keinen Kreuzzug gegen Heilpraktiker und Naturheilverfahren", sagte sie dem "Tagesspiegel". Sie halte es für richtig, die Entscheidungsfreiheit der Patienten zu wahren.

TEASER-FOTO: