Unterwegs auf Impffrei:Love Ungeimpft daten zum Valentinstag – ein Selbstversuch

Von Redaktion | 14.02.2022, 18:09 Uhr

Wer ohne Impfung daten will, registriert sich beim alternativen Datingportal Impffrei:Love. Wer tummelt sich da in Norddeutschland? Und wie ticken die Menschen dort?

Marie* ist 23, wohnt in Schwerin und ist ungeimpft. „Suche ein Date zum Valentinstag“ schreibt sie in ihr Profil und als Vision „Frieden, Freiheit, Selbstfindung“. Um endlich unter Gleichgesinnten zu daten, hat sie sich kurz vor dem 14. Februar auf dem alternativen Portal Impffrei:Love angemeldet. Gegründet vom Schweizer Verein „Generation Freiheit“ für „bewusste, impffreie Menschen für Freundschaft, Verbindung, Dating“, so steht es auf der Website.

Bereits bei der Anmeldung muss Marie ihren Impfstatus preisgeben: „Covid Gentherapie?“ „Nein“ oder „Keine Angabe - Datenschutz“ sind die Optionen. Foto, Geschlecht und Sexualität sind ebenfalls Pflicht. Marie steht auf beide Geschlechter, bekommt aber nur Anfragen von Männern. Nach 15 Minuten hat sie die ersten sechs Profilbesuche und zwei Nachrichten. Drei Stunden später 29 Benachrichtigungen. Insgesamt chattet sie mit 13 Männern.

Ungeimpfte Singles in Mecklenburg-Vorpommern

Laut Website sind 12.000 Menschen angemeldet, laut der interaktiven Karte knapp 80 Mitglieder mit dem Standort Mecklenburg-Vorpommern. Sie wohnen in Crivitz, Parchim, Rostock, Stralsund. Es sind Schüler, Angestellte, Damen in den 50ern, Elektroingenieure, Studenten. Sie inspiriert, dass „in meinem Bekanntenkreis die Coolen nicht geimpft sind“ oder teilen ihr Bewusstsein „im morphogenetischen Feld“. Sie schreiben in ihr Profil, dass sie nicht im Nebel stehen, Gesellschaft verändern wollen sowie „lernen, lehren, helfen, heilen“.

Die Plattform ist geprägt von Spiritualität, Bewusstsein und emotionaler Heilung. Im Feed entdeckt Marie Fotos von Frauen beim Yoga im Wald oder Männer, die Bäume umarmen. Manche glauben an Kristalle, das ist eher die Minderheit. Viele zeigen normale Selfies, manche Corona-Demoplakate.

Suche nach Gleichgesinnten

Die Menschen aus ihrer Region kann Marie nicht anschreiben, sie ist nur kostenfreies Mitglied. Nach zehn Profilbesuchen pro Tag ist Schluss, auch darf sie nicht swipen. Anfragen bekommt sie trotzdem – aus ganz Deutschland und Österreich. Manche Männer kommen direkt auf das Ungeimpftsein zu sprechen – „Was hat dich durch diese besondere Zeit geprägt?“ oder „Wie geht es dir damit?“ 

Der Impfstatus ist entscheidend. Im Profil eines 27-Jährigen steht: „Ungeimpfter sucht Ungeimpfte“. Ein 29-jähriger Berliner sucht eine „Ungepiekste“, „jedoch leider im Moment nicht so leicht zu finden“.

Ob sie jemand Ungeimpften daten würden? Maries Chatpartner, laut Profilbeschreibung ein „langjährig trainierter Gegen-den-Strom-Schwimmer“, findet es „angenehm, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen.“ Warum er hier ist? Der 36-Jährige fand es eine „coole Idee sowas für die Leute hinzustellen, die sich nicht mit dem ganzen Geschehen identifizieren.“ Ein 21-jähriger Mechatroniker erklärt: „Meine Freundin sollte ungeimpft sein, falls ich Kinder haben will und wir sollten auch ähnlicher Meinung sein, sonst gibt’s zu oft Streit. Hab ich schon gehabt.“

Ohne Coronatest zum Date

Für ihn ist klar, wenn Date, dann „natürlich auch kein Test. Ich hab keine Angst vor dem ‘Virus’“. Seiner Meinung nach existiert Corona gar nicht, stattdessen verdrehe das RKI die Grippezahlen. Ein anderer schreibt: „Wenn ich die ÖR schauen würde, hätte ich wahrscheinlich auch Angst. Das sind Geschichten aus dem Gruselkabinett mit Long Covid, etc.“

Maries Chatpartner verharmlosen das Virus. Jeder der Gefragten will auf Test und Maske beim Date verzichten. Und auch die Meinung zu den Vakzinen ist klar: „Das ist kein Impfstoff, das ist ein Genexperiment!“ Wer hier datet, hat sich bereits entschieden. Wie auch die Eingangsfrage nach der Covid-Gentherapie und die Social-Media-Ansprache der Plattform zeigen.

Gefährliches Paralleluniversum

Was Marie allerdings erschreckt, ist, dass sich manche Chatpartner bereits in einer Parallelwelt leben. Ein 20-jähriger Student erzählt Marie, dass er sich in Dresden der studentischen Widerstandsgruppe „Studenten stehen auf“ angeschlossen hat und leitet ihr ungefragt das Schweriner Pendant weiter. Ein Österreicher berichtet ihr von einem Vernetzungstreffen für Ungeimpfte und Systemaussteiger. Sie suchen „Pädagogen, Lehrer, Pfleger, Juristen, Handwerker, um uns vom System frei zu machen.“ Er wolle auswandern, wenn die Impflicht kommt, und glaubt an einen Plan der Weltregierung, der die Bevölkerung reduzieren will. 

Aber nicht alle sind Verschwörungstheoretiker oder Coronaleugner. Manche distanzieren sich von Corona-Demos. Sie wollen hier einfach reden. Mal offen und frei. Nahezu jeder Chatpartner fragt, ob sie nicht lieber auf Telegram schreiben wollen. Das sei bequemer, das recht rudimentäre Online-Portal hänge manchmal.

„Lass uns in Telegram weiterquatschen“

„Auch über das böse Telegram erreichbar“, hat einer im Profil stehen. Dort ist auch Impffrei:Love vertreten. Als Marie Skepsis gegenüber dem Messengerdienst zeigt, schreibt ein 19-Jähriger: „Die Verschwörungsmythen sind eigentlich eher eine Legende, die ihren Ursprung in den Staatsmedien hat.“ Marie aber entscheidet sich gegen Telegram, und so auch gegen ein Valentinstagsdate.

Dabei hatten einige Männer ihre Datesuche zum Anlass genommen und wollten ihr Valentin werden. Als Marie einwirft, dass der 14. Februar ja auf einen Montag fällt, schreibt einer: „Das wär ja mal ein Date, an Valentinstag auf den Montags-Demos. Wäre auf jeden Fall ne erzählenswerte Anekdote.“

*Marie existiert nicht im realen Leben, ihr Profil nur für diese Recherche.

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