Paarungssysteme Monogamie oder Polygamie: Was ist die Natur des Menschen?

Von Julia Skaberna | 29.08.2022, 20:10 Uhr

Die Partnerschaft ist ein wichtiger Teil im Leben vieler Menschen. Oft wird behauptet, dass eine monogame Beziehung nicht möglich sei – sie widerspräche der Natur des Menschen. Stimmt das?

Heutzutage wird in den meisten Kulturen vor allem das monogame Paarungssystem gesellschaftlich befürwortet. Dennoch gibt es viele ethnografische Unterschiede zwischen Heiratsmustern, außerehelichen Affären und der Stabilität von Beziehungen, die durch Polygamie zum Ausdruck kommen.

Auch in der Wissenschaft ist bisher noch kein Konsens über das typische Paarungssystem der Menschen gefunden worden. Viele Studien deuten jedoch darauf hin, dass die serielle Monogamie, also eine exklusive Partnerschaft, die nicht unbedingt mit Fortpflanzung verbunden ist, für die Natur des Menschen heute am meisten Sinn ergibt. Das hat vor allem mit unserer Entwicklung zu tun.

Anatomische Merkmale für Monogamie

Der verbreitete Mythos, dass Monogamie nicht für Menschen gemacht ist, geht vor allem auf die Beobachtungen von vielen Affenarten und Primaten zurück, die in polygamen Gemeinschaften leben.

Laut einer Studie, die im „frontiers“, einem Herausgeber für wissenschaftliche Zeitungen, veröffentlicht wurde, unterscheidet sich trotz der Verwandtschaft die sexuelle Selektion der Menschen von denen der Affen. Dies ist auf den menschlichen Sexualdimorphismus und die relative Hodengröße zurückzuführen.

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Frauen und Männer unterscheiden sich gar nicht so sehr

Zumindest aus biologischer Sicht ist der Sexualdimorphismus, also der Unterschied zwischen den Geschlechtern bei den Menschen nicht sehr ausgeprägt. Dabei geht es nicht nur um die Beschaffenheit der Geschlechtsorgane, sondern auch um Größe und Aussehen. Im Vergleich zu vielen anderen Säugetierarten ist der Unterschied bei Menschen deutlich geringer, wobei dieser auch im Laufe der Evolution abgenommen hat.

Unser Sexualdimorphismus ist deshalb eher vergleichbar mit dem von monogamen Primaten und weniger mit denen der polygenen Arten. Ein hoher Sexualdimorphismus deutet auf einen intensiven Fortpflanzungswettbewerb zwischen Männchen hin. Das ist besonders bei polygynen Arten der Fall, also bei denen ein Männchen eine Beziehung mit mehreren Weibchen eingeht. Dieser Wettbewerb ist bei uns Menschen jedoch relativ gering, weshalb wir genetisch vermutlich eher zur Monogamie veranlagt sind.

Männer haben zu kleine Hoden für Polygamie

Laut den Wissenschaftlern ist die Hodengröße ein häufig verwendeter Maßstab für ein Paarungssystem. Große Hoden im Verhältnis zur Körpergröße weisen auf eine Mehrfachpaarung von Weibchen hin. Im Vergleich zu den nächsten Verwandten des Menschen sind die menschlichen Hoden erheblich kleiner als die von Schimpansen.

Die Forscher betonen jedoch, dass die Hodengröße kein direkter Indikator für Monogamie ist, da bei Menschen eine gleichzeitige Befruchtung von Frauen mit mehreren Männern nicht möglich ist und deshalb kein großer Spermienwettbewerb besteht. Dennoch macht es Monogamie wahrscheinlicher.

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Babys brauchen mehr Pflege

Ein weiterer Grund, warum das monogame Paarungssystem bei den Menschen genetisch gesehen mehr Sinn ergibt, ist die Fürsorge für Babys. Im Vergleich zu anderen Arten brauchen menschliche Babys nämlich deutlich mehr Pflege, als die Brut vieler anderer Arten.

Der Kopf von Neugeborenen muss durch die Hüfte von Frauen passen, die sich durch die Evolution und die Tatsache, dass Menschen auf zwei Beinen laufen, deutlich verkleinert hat. Deshalb werden die Nachkommen von Menschen im Verhältnis zu anderen Arten sehr früh geboren und brauchen mehr Brutpflege.

Auch das ist ein Indikator für Monogamie. Denn je mehr Pflege der Nachwuchs braucht, desto mehr Artgenossen müssen sich darum kümmern und desto wahrscheinlicher ist eine monogame Partnerschaft. Diese Monogamie ist auch bei vielen Tierarten, die früh gebären, zu beobachten.

Die Natur des Menschen kann deshalb zwar nicht grundsätzlich als monogam bezeichnet werden, dennoch weisen die genetischen und anatomischen Merkmale des Menschen eher auf die Monogamie, als auf andere Paarungssysteme hin.

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