Wer bei Singlebörsen partout keinen Erfolg hat, kann sich Hilfe beim "Date-Doktor" holen: Markus Dobler berät Menschen, die online die große Liebe suchen und übernimmt für sie die erste Kontaktaufnahme. Ist das moralisch verwerflich?
Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland hat sich schon einmal bei einer Online-Partnervermittlung angemeldet. Während der Corona-Pandemie berichteten einige Plattformen von explodierenden Nutzerzahlen. „Dieser Schub war im Grunde gar nicht notwendig, da Onlinedating eine Rakete ist“, sagte Markus Dobler, Gründer von „weedate.de“, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es gibt Umfragen, wonach erwartet wird, dass in 15, 20 Jahren jedes zweite Baby ein sogenanntes E-Baby ist.“
Das setzt jedoch voraus, dass die Online-Anbandelung Erfolg hat – und dabei hapert es bei manchen Singles gewaltig. Hier kommt Dobler ins Spiel. Der 46-Jährige beschäftigt sich seit 1999 mit Online-Plattformen für die Partnersuche. Zunächst nur privat, seit 2014 als Date-Assistent.
Dabei berät Dobler nicht nur Flirtwillige zur Optimierung von Profil und Foto-Auswahl, sondern schreibt auch an ihrer Stelle andere Singles in Datingportalen an. Ein Ghostwriter für den ersten Kontakt – moralisch klingt das fragwürdig.
Kleine Lüge für ein Date?
„Das ist ein ganz heikler Punkt“, räumt Dobler ein. „Soll die mögliche Partnerschaft mit so einer kleinen Lüge entstehen? Die Frage ist, ob es das wirklich ist.“ Manchen Singles sei das Onlinedating schlicht noch fremd. Gerade Älteren – Doblers älteste Kunden seien um die 60 Jahre – ginge es so. „Da bin ich wie ein Fahrlehrer, der ihnen zeigt, wie man sich auf den Portalen bewegt.“
So geht der Flirtprofi vor
Konkret sieht der Service des „Ghostdaters“ dann so aus: Singles mit Online-Flirthemmung melden sich über Doblers Webseite bei ihm. Sie bekommen einen persönlichen Fragebogen im Tausch gegen Fotos von sich. „Vier von fünf Leuten schicke ich zum Fotografen – drei von fünf gehen auch hin.“
Dann beginnt die Beratung: Hat derjenige schon ein Profil oder muss ein neues erstellt werden? Der Kunde teilt seine Login-Daten mit. Dobler gibt Feedback zum Profil und gemeinsam wird ein „Schlachtplan“ erarbeitet.
Möglichst schnell eine Verabredung vereinbaren
Am liebsten nutzt Dobler die Singlebörse „Parship“: „Die bevorzuge ich, sowohl was die Vermittlungsquote betrifft als auch die Ernsthaftigkeit der Anzeigen.“ Anhand der ausführlichen Steckbriefe versucht er, passende Partner ausfindig zu machen und schreibt sie an. „Oft geht es in die gleiche Richtung, ich habe da ein Grundgerüst. Es geht darum, kreativ zu sein und auf den anderen einzugehen.“
Wochenlanges hin- und herschreiben will er vermeiden. „Ich möchte eine erste witzige Mail schreiben, eine kreative Nachricht. In der zweiten Mail erzähle ich ganz oberflächlich von meinem Kunden, ‚Wer bin ich?‘. In der dritten oder vierten Mail frage ich dann schon, ‚Wollen wir uns nicht mal treffen?‘.“
Einen Kontrollblick auf das Geschriebene gibt es für die Kunden nicht. „Das wäre viel zu aufwendig“, sagt Dobler. Einige würden sich sowieso komplett raushalten. „Manche loggen sich selber nie bei der Datingseite ein, die bekommen dann einen Screenshot von mir oder wir telefonieren. Andere sind da ganz aktiv und schauen jeden Tag nach, was sich so entwickelt.“ Letztlich sei er selbstständig tätig. Rücksprache halte er, wenn Fotos freigeschaltet wurden. Dann frage er: „Würde dir diese Person gefallen?“
Fotos im Onlinedating-Profil am wichtigsten
Die Fotos sind Doblers Erfahrung zufolge nämlich das wichtigste Merkmal beim Onlinedating. Optisch vermeintlich unattraktive Menschen hätten es somit schwer. Als Beispiel erzählt Dobler von einer Frau, die in einem Haus am Meer wohnte und witzig und interessant zurückschrieb – aber äußerlich seinem Kunden missfiel.
- Fotos: "Nicht nackt, nicht nur Gesichtsbilder, nicht nur mit Sonnenbrille auf. Professionelle Fotografen machen die besten Bilder."
- Dogfishing: Einen Hund aufs Profilbild zu zerren, kann auch in die Hose gehen. "Wirkt schön, aber stößt auch ab."
- Erste Ansprache: "Hallo, wie geht's?" führt schnell ins Leere. "Hallo Lady" oder "Hallo Süße" kommen nicht gut an. Statt Floskeln lieber von der Masse abheben, kreativ auf Informationen im Profil eingehen, möglichst witzig formulieren. "Notfalls schreibt man 'Hallo, wir haben ein Match, was sollen wir draus machen?' Das ist immerhin eine offene Frage."
- Kennenlernphase: Grundlegende Basics über sich austauschen: Interessen, Job, Urlaubspläne...bei der dritten oder vierten Mail Telefonnummern tauschen oder um ein Date bitten.
- Ehrlichkeit: Wer alte Fotos von sich einstellt oder über seine Absichten flunkert, fliegt beim ersten Date sicherlich auf.
Männer, bleibt in eurer "Liga"
Dobler sagt, er glaube an das Sprichwort, für jeden Topf gibt es einen Deckel. „Aber wer optisch in der Kreisliga spielt, kann in der Champions League nicht mithalten.“ Vor allem Männer hätten manchmal Probleme damit, das zu akzeptieren. Besonders schwer vermittelbar sei „der kleine Mann, der auch noch 100 Kilo wiegt und eine Glatze hat.“ Vermittlungsprobleme bekomme der Date-Assistent aber auch bei „Männern über 45 Jahren, die unbedingt eine jüngere Frau wollen, aber kein Kind.“
In solchen Fällen lege er Wert auf Ehrlichkeit: „Ich bin schon ein paar Mal so weit gewesen, dass ich gesagt habe, ‚Mach lieber kein Online-Dating, das führt nur zu Enttäuschung und Frustration‘“, sagt Dobler. „Das gehört auch zur Wahrheit dazu.“
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Die Wahrheit zu verschweigen, rät er an anderer Stelle: „Ich empfehle meinen Kunden, nicht zu verraten, dass die ersten Nachrichten von mir kamen – zumindest nicht beim ersten Date.“
Die Gefahr, dass er sich als Ghostwriter zu tief in einen Flirt verwickele, sehe er nicht. „Es darf auf keinen Fall passieren, dass sich die Frau in den Schreiberling verliebt“, betont Dobler. Zumal er verheiratet ist. Seine Frau konsultiere er manchmal für eine weibliche Einschätzung seiner Kundenprofile. Getroffen hat er sie übrigens ganz „real“ über Arbeitskollegen, nicht im Internet.