Jeder zehnte junge Mensch in Deutschland identifiziert sich als Teil der LGBTQIA+-Community. Aber was bedeutet diese Abkürzung überhaupt? Welche sexuellen Orientierungen und Geschlechteridentitäten es gibt.
In diesem Artikel erfährst Du:
- Dass sich sexuelle und romantische Anziehungen unterscheiden können.
- Welche Arten der sexuellen Orientierung es gibt.
- Warum Du andere nicht labeln solltest.
Es kommt auf das Gefühl an, nicht auf das Label. Wenn Du einen – oder auch mehrere – Menschen liebst und begehrst, ist es egal, wie ihr das nennt. Trotzdem hilft es manchen Menschen, ihre sexuelle, romantische oder geschlechtliche Orientierung mit einem Label zu definieren, um sich mit anderen besser über ihre Gefühle und Erfahrungen austauschen zu können.
Wie und ob man sich selbst labelt, ist jeder Person selbst überlassen und sollte nicht von anderen übergestülpt werden. Doch welche sexuellen und romantischen Orientierungen gibt es überhaupt und welche Formen der geschlechtlichen Identifikation? Wir haben einen Überblick für Dich.
Sexuelle Orientierung ungleich romantische Orientierung
Du findest jemanden sexy, könntest Dir aber nicht vorstellen, mit dieser Person jeden Abend auf dem Balkon die Probleme des Tages zu besprechen und euch dann tief in die Augen zu sehen? Oder Du fühlst, dass jemand Dein Seelenverwandter ist, hast aber kein Bedürfnis, mit der Person intim zu werden? Wenn Du solche Gefühle kennst, verstehst Du, dass sexuelle und romantische Anziehung nicht dasselbe sind. Es kann zum Beispiel sein, dass sich jemand sexuell eher zu männlich gelesenen Personen hingezogen fühlt, romantisch aber eher zu Frauen. Romantische Orientierung ist also genauso vielfältig wie sexuelle Orientierung.
Wo die rechtliche Diskriminierung von LGBTQIA+-Personen besonders stark ausgeprägt ist, zeigt diese Karte:
Überblick über sexuelle Orientierung
Unsere Gesellschaft ist heteronormativ geprägt. Das bedeutet, dass wir es als „normal“ ansehen, dass es nur zwei Geschlechter gibt, nämlich männlich und weiblich, und dass Beziehungen zwischen den Geschlechtern als Regelfall angesehen werden. Was nicht in diese Weltanschauung passt, ist „anders“.
Dabei ist Sexualität so viel vielfältiger, wie diese Grafik zeigt:
Diese sexuellen Anziehungen solltest Du kennen:
- Abrosexualität: Die Sexualität von abrosexuellen Menschen ist fluid und kann sich – bei manchen häufig, bei anderen sehr unregelmäßig – ändern.
- Androsexualität: Mit diesem Begriff wird die sexuelle Anziehung zu Männern oder maskulinen Personen beschrieben.
- Asexualität: Wer asexuell ist, spürte keine oder wenig sexuelle Anziehung zu anderen Menschen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese automatisch auch aromantisch sind.
- Bisexualität: Für Bisexualität gibt es unterschiedliche Definitionen. Mit diesem Begriff kann die sexuelle Anziehung zu zwei, mehreren oder allen Geschlechtern bezeichnet werden. Manche Menschen verwenden den Begriff, um zu definieren, dass sie sich zu Männern und Frauen hingezogen fühlen, andere sehen Bisexualität als Übergriff und verwenden ihn synonym zu Pansexualität.
- Demisexualität: Damit eine demisexuelle Person eine sexuelle Anziehung zu einer Person fühlt, muss sie zu dieser erst eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut haben. Das Gegenteil dazu ist fraysexuell. Diese Menschen können nur sexuelle Anziehung zu Menschen empfinden, zu denen sie (noch) keine emotionale Beziehung aufgebaut haben.
- Homosexualität: Homosexuelle Personen fühlen sich zu Menschen mit dem eigenen oder einem ähnlichen Geschlecht hingezogen. In der LGBTQIA+-Community werden die Bezeichnungen schwul für homosexuelle Männer und lesbisch für homosexuelle Frauen präferiert.
- Gynosexualität: Gynosexuell ist das Gegenstück zu Androsexuell. Mit diesem Begriff wird die Anziehung zu Frauen oder weiblichen Personen beschrieben.
- Pansexualität: Pansexuelle Menschen fühlen sich zu Personen jeden Geschlechts sexuell hingezogen. Ihre sexuelle Anziehung ist unabhängig vom Geschlecht der anderen Person.
- Skoliosexualität: Die sexuelle Anziehung zu nicht-binären und oder trans Personen wird mit diesem Begriff beschrieben. Synonym wird auch der Begriff ceterosexuell verwendet. Beide Begriff sind umstritten, da das lateinische Wort „skolio“ krumm bedeutet.
- Queer: Früher als abwertende Bezeichnung verwendet, ist der Begriff heute eine positive Selbstbezeichnung für Menschen außerhalb der Cis-Hetero-Norm.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Labels.
Geschlechtliche Identität
Ein Mensch mit Penis ist ein Mann, ein Mensch mit Vagina eine Frau: Das trifft es nicht. Dieser einschränkenden Definition widerspricht nicht nur der Queerbeauftragte der Regierung, Sven Lehmann, der sich in einem Interview mit der „Welt“ klar positionierte: „Transgeschlechtliche Frauen sind Frauen. Alles andere ist transfeindlich“. Auch der „Bundesverband Trans*“ kritisierte Ende März öffentlich Alice Schwarzer und ihren Sammelband „Transsexualität, Eine Streitschrift“. In diesem seien „ausschließlich überholte Perspektiven auf Trans*geschlechtlichkeit, die die gesellschaftliche Akzeptanz von trans* Personen bedrohen und Diskriminierung gegenüber ihnen rechtfertigen sollen“ zu finden.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilt die Aussagen Lehmanns. „Transgeschlechtliche Menschen sind beispielsweise trans*Frauen (Frauen, deren Geschlechtseintrag bei der Geburt männlich war), trans*Männer (Männer, deren Personenstandseintrag bei der Geburt weiblich war), aber auch Menschen, die sich geschlechtlich nicht verorten (lassen) möchten.“ Nicht nur, weil es intergeschlechtliche Personen gibt, deren körperlichen Merkmale sich nicht als nur männlich oder nur weiblich einordnen lassen, sondern weil sich manche Menschen nicht mit dem Geschlecht identifizieren können, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Wenn Du Dich mit dem Geschlecht identifizierst, das Dir bei der Geburt zugeordnet wurde, bist Du „cis“.
Diese geschlechtlichen Identitäten solltest Du kennen:
- Genderfluid: Bei einer genderfluiden Person kann sich die Geschlechtsidentität im Lauf der Zeit ändern. Diese Personen können sich mal weiblich, mal männlich identifizieren.
- Genderqueer: Genderqueer ist ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht als geschlechterbinär identifizieren.
- Intersexuell/Intergeschlechtlich: Intersexuelle Menschen sind Menschen, deren körperliches Geschlecht (beispielsweise die Genitalien oder die Chromosomen) nicht der medizinischen Norm von ‘eindeutig’ männlichen oder weiblichen Körpern zugeordnet werden kann
- Nicht-binär: Nicht-binär ist ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht (oder nicht zu 100%) als Mann oder Frau identifizieren, sondern etwa als beides gleichzeitig, zwischen männlich und weiblich oder als weder männlich noch weiblich.
- Trans: Eine trans Person fühlt sich einem anderen Geschlecht zugehörig als dem, das ihr bei der Geburt zugeordnet wurde. Ein Mensch, der bei der Geburt das Geschlecht männlich zugeordnet wurde, sich aber als Frau fühlt, ist eine Trans Frau; andersherum ein Trans Mann.
Darüber hinaus gibt es noch weitere geschlechtliche Identitäten.