Glatt, fest, eng und verschlossen - so soll er angeblich aussehen, der perfekte weibliche Genitalbereich. Immer mehr Frauen legen sich unters Messer, um diesem Idealbild zu entsprechen. Manche leiden auch körperlich unter der Größe ihrer Schamlippen.
Der Gedanke, dass bei ihr „da unten“ etwas nicht so ist wie bei anderen Frauen, kam Theresa Schulze (Name geändert) früh. Sie erinnert noch genau, wie sie - gerade mal neun Jahre alt - nach dem Baden aus der Wanne stieg. Ihre Mutter bat sie, sich aufs Bett zu legen, betrachtete sie zwischen den Beinen, sagte aber nichts. Verunsichert blieb die Tochter zurück.
Der Wunsch nach einer „Designer-Vulva“
„Ich habe natürlich gemerkt, dass meine Mutter das macht, weil da etwas ist, was da vielleicht nicht hingehört“, sagt die 35-jährige Krankenschwester aus Aalen in Baden-Württemberg heute. Mit „da“ meint sie ihren Genitalbereich und ihre nach eigenen Aussagen viel zu langen inneren Schamlippen, für die sie sich jahrelang schämte. Bis sie entschied, diese operativ verkleinern zu lassen.
Wenige Wochen liegt der Eingriff in einer Münchener Schönheitsklinik jetzt zurück. „Ich wollte da unten einfach normal sein“, sagt Schulze. Aber kann für den weiblichen Intimbereich überhaupt eine körperliche Norm gelten? Warum gibt es den Wunsch nach der „Designer-Vulva“?
Intimkorrekturen liegen im Trend
Schönheits-Operationen im Genitalbereich sind längst keine Seltenheit mehr. In einer Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie landete die Intimkorrektur mit 4,7 Prozent auf Platz sechs in der Auflistung der am häufigsten durchgeführten Behandlungen des vergangenen Jahres. Beliebter waren nur Botox-Behandlungen, Faltenunterspritzung, Oberlidstraffung, Brustvergrößerung und Fettabsaugung.

Vor allem junge Frauen ziehen in Erwägung, sich im Intimbereich operieren zu lassen. Bei den unter 30-Jährigen landet die Intim-OP mit 11,6 Prozent auf Platz zwei bei der Frage nach den Behandlungswünschen.

Die Korrektur der sogenannten Labien (Schamlippen) wird im Bereich der Intimchirurgie am häufigsten vorgenommen. Seinen Ursprung hat der Trend in den USA, wo ein verstärkt mädchenhafter Intimbereich als erstrebenswertes Ideal sowohl medial als auch von Schönheitschirurgen beworben wird. Die äußeren Schamlippen sollen die inneren Schamlippen und die Klitoris verdecken. Auch Darstellungen in Medizinbüchern suggerieren dieses Bild. Dabei zeigt die Realität, dass dies nur eine von sehr vielen verschiedenen Ausprägungen ist.
Dass sich immer mehr Frauen den Intimbereich rasieren, führt außerdem dazu, dass sie mit dem Aussehen ihrer eigenen Vulva konfrontiert werden. Entspricht diese nicht dem in der Gesellschaft vorherrschenden Schönheitsideal, kann dies zu Scham, Unsicherheit und Minderwertigkeitskomplexen führen, wie Beratungsorganisationen wie Pro Familia bestätigen.
Theresa Schulze schämte sich für ihre Schamlippen
Bei Theresa Schulze wurde die Scham immer größer. Stand sie nach dem Schwimmunterricht in der Schule unter der Dusche, betrachtete sie den Intimbereichihrer Mitschülerinnen und stellte fest, dass „da nichts raushängt“. Sie fühlte sich immer unwohler in ihrem Körper.
Doch nicht nur das Aussehen ihres Genitalbereichs störte sie, die Länge ihrer Schamlippen führte auch zu körperlichen Beschwerden. Beim Reiten, ihrem leidenschaftlichen Hobby, verspürte sie eine schmerzhafte Reibung und auch beim Geschlechtsverkehr habe es Einschränkungen gegeben. „Ich habe zwar Techniken entwickelt, damit es nicht wehtut, manchmal war das aber doch der Fall.“ Außerdem sei der Urinstrahl beim Toilettengang durch die Länge der Labien zu einer Seite abgewichen.
„Ich habe meine Frauenärztin auf mein Problem angesprochen, aber sie nahm mich nicht ernst, sagte, es gäbe Frauen, mit einer viel ausgeprägteren Labienhyperplasie.“ Vergrößerte Schamlippen werden in der Intimchirurgie von Experten als Labienhyperplasie bezeichnet. Sie entstehen bereits im Kindes- beziehungsweise Teenager-Alter oder mit Voranschreiten der Pubertät und sind in den meisten Fällen angeboren.

Schönheitschirurg Stefan Gress: „Der Labien-Papst Deutschlands“
Obwohl Schulze extrem unter dem Aussehen ihrer Vulva litt, sah sie von einem operativen Eingriff immer wieder ab - auch aus Angst. „Ich habe im Internet immer wieder negative Erfahrungsberichte über verpfuschte Operationen gelesen.“ Doch schlißelich landete sie auf der Seite der Privatklinik von Professor Stefan Gress.
Als „Vagina-Picasso“ bezeichnet die Instyle den Schönheitschirurgen aus München, die Bunte predigt ihn als den „Labien-Papst Deutschlands“. Der 59-Jährige scheint stolz auf die Titel der Klatsch- und Frauenzeitschriften zu sein, die Lobeshymnen laufen präsent über seine Webseite. „Meine Operationstechnik ist die beste“, sagt er ebenso wenig bescheiden im Interview mit unserer Redaktion.
Zehn bis zwölf Frauen verpasst er pro Woche ein „filigranes Kunstwerk“ zwischen den Beinen, wie er es nennt. Während er operiert, läuft klassische Musik. Seine Patientinnen kommen aus der ganzen Welt zu ihm.

Was schlaff und unförmig ist, gilt als unattraktiv
Geht es nach Gress, gibt es sie, die Idealform der äußeren weiblichen Genitalregion. Was „schlaff und unförmig herabhängt“, gelte als „unattraktiv“, heißt es auf seiner Seite. „Die Idealform der kleinen Schamlippen besteht in einer sanft geschwungenen Kontur mit einem straff anliegenden Klitorismantel. Bei geschlossenen Beinen werden sie von den äußeren Schamlippen nahezu vollständig bedeckt.“ Ein Bild von „festen, wohlgeformten äußeren Schamlippen“ gibt es zur Veranschaulichung ebenfalls zu sehen.

Vaginalstraffung nach der Geburt für mehr Lustempfinden
„Frauen müssen das Aussehen ihres Genitalbereichs nicht einfach schicksalhaft hinnehmen“, sagt Gress und berichtet von Frauen, die psychisch unter dem Aussehen ihrer Schamlippen leiden, Schmerzen beim Sex haben oder unter wiederkehrenden Pilzinfektionen leiden. Andere würden nach der Geburt eines Kindes weniger beim Geschlechtsverkehr empfinden.
Vaginalstraffung lautet der medizinische Eingriff, mit dem sich dieses Problem laut Gress beheben lässt. Dabei werden unter anderem die Beckenbodenmuskeln gestrafft und die Vaginalhaut mit Eigenfett aus den Oberschenkeln unterfüttert und somit verengt. Mindestens 7800 Euro kostet die Operation, die zu mehr Lustempfinden verhelfen soll.
Vulva-Workshops für mehr Akzeptanz
Dass Frauen sich im Intimbereich operieren lassen, weil sie glauben, einem Schönheitsideal entsprechen zu müssen, das ihnen von der Gesellschaft vorgegeben wird, glaubt Gress nicht. „Keine Frau kommt zu mir, weil sie sich einen Porno angesehen hat und jetzt auch so aussehen will.“ Seine Patientinnen von ihrem immensen Leidensdruck befreien zu können, sei etwas „Großartiges“.
Nicht mit einem Skalpell, sondern mit den richtigen Worten versucht Rosa Schilling die Vulva von Tabus und Schönheitsnormen zu befreien. Die Sexualpädagogin aus Hamburg veranstaltet regelmäßig Vulva-Workshops, um Teilnehmenden einen Raum für Auseinandersetzungen mit Scham und Schönheit zu geben. „Es ist sehr wertvoll, sich in einer Gruppe von Menschen mit so einem persönlichen und intimen Thema auseinanderzusetzen.“
Weibliche Intimchirurgie: Befreiung oder Unterwerfung?
Schilling, die einen feministischen Sexshop gegründet hat, spricht nicht von Scham- sondern Vulvalippen und kritisiert, dass diese in der Idealvorstellung klein, hell und unauffällig aussehen sollen. „Menschen mit Vulva werden noch immer diskriminiert und benachteiligt, sie wachsen ohne die passenden Worte für ihr Genital auf und auch beim Thema Sexualität gibt es das vorherrschende Verständnis, dass der Penis in die Vagina eindringen muss - erst das gilt als richtiger Sex.“
Zwar will sie keiner Person die Selbstbestimmung über ihren Körper nehmen, macht aber auf problematische Schönheitsnormen aufmerksam, die zu einem enormen Leidensdruck führen können. „Ich würde mir wünschen, dass Menschen sich Zeit nehmen und eine informierte Entscheidung treffen.“
Theresa Schulze fühlt sich seit ihrer Schamlippenverkleinerung befreiter denn je, wie sie sagt. „Ich bin so froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin. Das einzige, was ich bereue, ist, dass ich mich nicht schon viel eher für die Operation entschieden habe.“