Entstehender Stress ist ein Gesundheitsrisiko Einsamkeit: Was, wenn nicht mal Freunde helfen?

Von Elena Werner | 07.06.2023, 16:39 Uhr

Wer einsam ist, ist auch allein? Das ist ein Trugschluss – denn das bittere Gefühl kann auch trotz großem Freundeskreis entstehen. Doch Einsamkeit war in der Vergangenheit wichtig.

Ein Ehrenamt, ein neuer Sportverein oder mehr Kontakte zu Arbeitskollegen: In der Theorie sollen diese Möglichkeiten Einsamkeit vorbeugen. Doch die Realität sieht anders aus; auch Menschen mit vielen sozialen Kontakten können sich einsam fühlen.

Qualität gegen Quantität in Freundschaften

Das Kompetenznetzwerk Einsamkeit definiert darum das dumpfe Gefühl als „eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen“. Die Qualität der sozialen Beziehungen sei deutlich wichtiger als die Taktung der Treffen. Denn wer sich in Gegenwart anderer Menschen oft einsam fühlt, der empfinde die Beziehung zu seinem Umfeld oft als mangelhaft. So werde in Deutschland Einsamkeit oft als Synonym zum Alleinsein verwendet, doch genau das kann eine bewusste Entscheidung sein und in den richtigen Momenten sehr guttun.

Das Kompetenznetzwerk ist eine 2022 eingerichtete Forschungsstelle, die von dem Bundesfamilienministerium unter Lisa Paus gegründet wurde. Mit der sogenannten „Strategie gegen Einsamkeit“ soll nun in einem Themenschwerpunkt Aufklärung und Präventionsarbeit geleistet werden. Aus verschiedenen Richtungen der Gesellschaft werden Impulse und Ideen gesammelt, um gegen das Problem vorzugehen.

Auch wenn Einsamkeit unangenehm und schwer zu ertragen ist, habe sie eine wichtige Funktion, wie die Psychologin Susanne Bücker im Gespräch mit dem RND erklärt: „Einsamkeit motiviert Menschen, ihr Grundbedürfnis nach sozialen Kontakten zu befriedigen.“ In der Evolutionsgeschichte sei das Gefühl als Warnsignal sehr wichtig gewesen; wer viele und gute soziale Beziehungen hatte, konnte sich leichter vor Gefahren schützen und überleben.

Grafik: Besonders während der Corona-Zeit stiegen die Zahlen der Menschen, die sich einsam fühlen.

Das Kompetenznetzwerk Einsamkeit unterscheidet daher zwischen „sozialer Einsamkeit“ und „emotionaler Einsamkeit“.

Einsamkeit bedeutet Stress

Einsamkeit kann auch schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben – denn sie bedeutet Stress. Der kann viele Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen, Diabetes und Bluthochdruck nach sich ziehen.

Was kann also helfen? Leider lässt sich nicht gegen alle Ursachen von Einsamkeit etwas unternehmen – denn Menschen, die diskriminiert werden, fühlen sich besonders oft einsam. Laut Erhebungen des Kompetenznetzwerkes seien besonders oft arme, queere und behinderte Menschen betroffen. Gleichzeitig ist eine stark betroffene Gruppe die der älteren Menschen: Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2021 ergab, dass sich mehr als jeder fünfte Rentner ab 75 Jahren häufig einsam fühlt.

Das Problem erkannt – und nun?

Wer weiß, welche Art der Beziehung er sich wünscht, kann seine Beziehungen entsprechend gestalten. Wollen Sie gern eine unverbindliche Freundschaft führen? Oder suchen eine tiefgründige Beziehung? Die Antwort darauf führt nicht nur zu mehr Selbstbestimmung, sondern kann auch einen Weg aus der Einsamkeit aufzeigen.

Nur liegt eine weitere Krux auch darin, dass Menschen bei Treffen mit Freunden nicht vor Einsamkeit sicher sind. Denn auch Beziehungen zu Menschen, die wir mögen, können sich als nicht ausreichend anfühlen – schließlich spielt auch der Alltagsstress in das Miteinander hinein. Darum rät Susanne Bücker vom Kompetenznetzwerk Einsamkeit dazu, bewusst über eigene Schwächen und Probleme zu sprechen. Das koste zwar Überwindung, schließlich mache man sich verletzlich. Wer aber offen spricht, vertieft die Beziehung zu seinem Gegenüber.

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