Nachdem in den vergangenen Jahren in Deutschland bereits Brustkrebs-Medikamente fehlten, werden in den Apotheken nun Schmerz- und Fiebermittel knapp. Besonders Medikamente für Kinder sind betroffen. Das können Eltern jetzt tun.
„Entschuldigen Sie, das haben wir gerade nicht vorrätig. Aber vielleicht würde Ihrem Kind auch ein anderes Medikament helfen.“ Diesen Satz hören Eltern aktuell häufiger in Apotheken. Besonders Fiebersäfte sind knapp – dabei bräuchte man diese doch besonders jetzt, wie der Kinderarzt Dr. Sebastian Groth aus Rendsburg erklärt.
Kinderarzt: Pandemiemaßnahmen haben Einfluss auf Immunsystem
„Wir gehen davon aus, dass die Pandemiemaßnahmen Einfluss auf das normalerweise durch die saisonalen Infekte bedingte Training des Immunsystems der Kleinkinder hatten“, sagt Dr. Groth. Der Rendsburger Mediziner erkennt in seiner Praxis eine Verschiebung der üblichen Infektzeiten: „Lockdown, Maskentragen und Kontaktvermeidung in den letzten zwei Jahren führen nun dazu, dass Infektwellen zu Unzeiten außerhalb der üblichen Infektzeiten die Kinder befallen.“
Rendsburger Apotheker erkennt Ansturm auf Fiebersäfte
Dies bestätigt auch der Rendsburger Apotheker Andreas Klauder. In seinen Apotheken seien Mittel wie Ibuprofen, Ibuflam und Paracetamol aktuell schnell vergriffen: „Es sind überdurchschnittlich viele Kinder krank. Auf Fiebersäfte gab es einen richtigen Run“, erzählt Klauder Die Produzenten der Mittel hätten den gestiegenen Bedarf nicht eingeplant. „Bisher konnten wir zum Glück in etwa 99 Prozent der Fälle mit anderen Medikamenten aushelfen.“
Damit das weiterhin so laufen könne, müssen sich jedoch noch weitere Probleme klären: „Es kommt aktuell vieles zusammen. Es gibt nicht den einen Grund, warum die Medikamente knapp werden“, meint Klauder. Fakt sei aber: „Schmerz- und Fiebersäfte sind größtenteils nicht mehr bestellbar. Wir haben zum Glück noch einige auf Lager, aber wenn die weg sind, müssen wir auf Zäpfchen umsteigen. Aber auch die werden irgendwann knapp.“
Lieferengpässe aus China sorgen für leere Schubladen in Schacht-Audorf
In der Holsten-Apotheke in Schacht-Audorf ist die Bestandsdecke bereits dünn: Noch zwei Packungen Ibuprofensaft liegen in der Schublade hinter dem Tresen. „Wir geben in unserer Landapotheke knapp 1000 Packungen Fiebersäfte im Jahr ab. Seit Beginn der Knappheit vor vier Monaten konnten wir nur noch ein Drittel der Anfragen zu bedienen, Tendenz weiter sinkend“, zieht Inhaber Yannick Detampel ein bedrückendes Resümee.

Einen Hauptgrund für die Knappheit sieht Detampel in Lieferengpässen aus Fernost: „Durch das Outsourcing der Produktion in Länder wie China haben wir uns abhängig gemacht. Das ist wie bei den Gaslieferungen.“ Die Schließung wichtiger Häfen in Asien habe für Lieferschwierigkeiten gesorgt: „Vielleicht ist es bei lebenswichtigen Medikamenten langfristig nicht der richtige Weg, die Produktion auszulagern“, überlegt der Apotheker.
Problematisch sind laut Yannick Detampel auch die Sparmaßnahmen der Bundesregierung: „Die Budgetkürzungen der Politik im Gesundheitssektor haben dafür gesorgt, dass das deutsche Gesundheitssystem einfach nicht mehr konkurrenzfähig ist.“
Weil gesetzliche Krankenkassen in Deutschland nur wenig Geld für Medikamente erstatten dürften, würden Hersteller oft andere Länder besser beliefern, so Detampel: „Für die Pharmaunternehmen lohnt sich die deutsche Vergütung nicht mehr.“ Der Schacht-Audorfer sieht die Politik in der Pflicht: „Vielleicht sollte uns der Gesundheitssektor einfach mehr Wert sein. Das betrifft uns schließlich alle.“
Kinderarzt gibt Rat an Eltern
Dr. Sebastian Groth rät Eltern wegen der fehlenden Kindermedikamente: „Wir müssen vorübergehend auf Schmerz- und Fiebermittel für Erwachsene in Tablettenform zurückgreifen, die dann geteilt oder geviertelt werden und sich dann zerstoßen mit einem Löffel zum Beispiel mit Joghurt vermischt verabreichen lassen.“ So kann auch den Kleinsten weiterhin geholfen werden: „Von 125mg Paracetamol sollten Sie für Kleinkinder die übliche 500mg-Tablette vierteln, um auf die gewünschte Dosis zu kommen.“