Kinderarzt schlägt Alarm „Katastrophenzustände“: Kinderkliniken wegen RS-Virus am Limit

Von dpa | 25.11.2022, 08:25 Uhr

Das RS-Virus, es ist wieder auf dem Vormarsch. Betroffen von der Atemwegserkrankung sind vor allem kleine Kinder. In manchen Bundesländern gibt es kaum noch freie Kinderbetten in den Kliniken. Ein Notfallmediziner spricht von einem „dramatischen epidemischen Geschehen“.

Wegen zunehmender Fälle von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) bei Kindern in Deutschland schlägt ein Kinderarzt Alarm. Es handle sich auf der Nordhalbkugel um ein „dramatisches epidemisches Geschehen“, sagte Florian Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München.

Bereits im Spätsommer 2021 hatte es eine unüblich hohe RSV-Welle gegeben – die Lage aktuell sei aber schlimmer, sagte Hoffmann. Betroffen seien viele Kinder von ein oder zwei Jahren, die – unter anderem angesichts der Corona-Pandemie und der dagegen getroffenen Maßnahmen – bisher keinerlei Kontakt zum RSV hatten, erklärte Hoffmann.

Infektionen mit dem Virus führen auch dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge insbesondere bei Kleinkindern vermehrt zu Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen. In den kommenden Wochen sei mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen, heißt es im RKI-Wochenbericht zur Entwicklung der Corona-Pandemie von Donnerstagabend.

Kinderarzt warnt: Werden diesen Winter nicht alle versorgen können

In mehreren Bundesländern, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gebe es schon jetzt kaum ein freies Kinderbett in Kliniken mehr, sagte Hoffmann. Er sprach von „Katastrophenzuständen“ – Familien mit kranken Kindern müssten teils in der Notaufnahme auf einer Pritsche schlafen. Das sei für Deutschland ein Armutszeugnis. Viele betroffene Kinder seien schwer krank und müssten beatmet werden.

Zur Situation in der Kinderintensivmedizin will die Divi kommende Woche in Hamburg neue Zahlen – und damit einhergehende Forderungen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgung schwerstkranker Kinder – vorstellen. „Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können. Die Kollegen landauf landab wissen nicht wohin mit unseren kleinen Patienten.“

Strukturen zur Bewältigung der Situation seien nicht vorhanden und die vorhandenen Register zur Bettensituation aus Zeitmangel oft nicht aktuell. „Wir müssten nun eigentlich Notfall-Mechanismen aktivieren, zum Beispiel Pflegepersonal aus der Erwachsenenmedizin hinzuziehen.“

Risikopatienten sind Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen

An RSV kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

Beim RKI heißt es unter Berufung auf Schätzungen, dass RSV-Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kinder im ersten Lebensjahr vorkommen. Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.

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