Angst vor hohen Energiepreisen Schon jetzt hunderte Haushalte in Norddeutschland wegen Schulden ohne Strom

Von Thomas Volgmann | 19.09.2022, 16:23 Uhr | Update am 20.09.2022

Wie hoch die Energiepreise in den kommenden Monaten steigen, weiß keiner. Schuldnerberater bereiten sich auf einen „drastischen Ansturm“ vor.

Schuldnerberater in Mecklenburg-Vorpommern blicken mit Sorge auf die bevorstehenden Steigerungen bei den Energiepreisen. „Wir rechnen mit einem drastischen Ansturm“, sagte Katja Rosendahl von der Schuldnerberatung der Volkssolidarität in Schwerin. Schon jetzt wachse der Anteil derer, die wegen Schulden gegenüber Energieversorgern Beratung suchen. „Von unseren derzeit 242 Klienten in Schwerin sind 162 hier, weil sie Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können und Angst vor einer Sperre haben“, so Rosendahl. Das macht einen Anteil von 67 Prozent aus, früher waren es im Durchschnitt um die 50 Prozent.

3500 Mahnungen im Monat

Wer nicht zahlt, dem droht die Abschaltung vom Stromnetz. Die Stadtwerke Schwerin beliefern etwa 43.000 Haushaltskunden im Stadtgebiet mit Strom und weitere 40.000 Haushalte bundesweit. Nach eigenen Angaben sperrten die Stadtwerke im vergangenen Jahr 800 Haushalten wegen ausbleibender Zahlungen den Strom. „Wissend um die negativen Konsequenzen, setzen wir dieses letztes Mittel nur in den äußersten Fällen ein“, sagte eine Sprecherin. Pro Monat würden etwa 3500 Mahnungen verschickt.

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Katja Rosendahl berichtete über einen besonders drastischen Fall in Schwerin. Ramona M. (Name von der Redaktion geändert) lebt mit ihrem Mann und den fünf gemeinsamen Kindern in einem Haushalt. „Beide sind Niedriglohnempfänger“, erzählte die Schuldnerberaterin. Vor zwei Monaten kam Ramona M. in die Beratung, weil die Schweriner Stadtwerke mit Sperrung gedroht hatten. Ihre Schulden gegenüber dem Versorger waren auf 1000 Euro angewachsen.

Familie mit fünf Kindern ohne Strom

Auf erste Mahnungen hatte das Ehepaar nicht reagiert, so Rosendahl. Ein Fehler. Mit einer roten Karte kam schließlich die Mitteilung über eine beabsichtigte Sperre. Gemeinsam mit den Stadtwerken konnten Schuldnerberaterin und Schuldnerin eine Ratenzahlung von 170 Euro über sechs Monate vereinbaren. Die Zahlungen blieben aber weiterhin aus. „Zur Rate kamen die laufenden Stromkosten von 150 Euro pro Monat und andere Ausgaben hinzu, das schaffte das Ehepaar nicht“, sagte die Schuldnerberaterin. Der Strom für die siebenköpfige Familie wurde abgeschaltet.

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Die Schweriner Stadtwerke bestätigten gegenüber unserer Redaktion die Stromsperre, schildern den Sachverhalt aber etwas anders. „Aufgrund langfristig ausgebliebener Zahlungen und keinem erkennbaren Willen zur Klärung des Problems kam es zu einer zeitweisen Stromabsperrung“, teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit. Man bedauere, dass die Einschränkungen in diesem Fall eine siebenköpfige Familie betroffen haben. Gemeinsam mit einem sozialen Betreuer der Familie werde nach einer Lösung gesucht. Die Stadtwerke haben nach eigenen Angaben die Versorgung inzwischen wieder geöffnet.

Keine Angaben von den Stadtwerken Rostock

In Rostock scheinen Stromsperren wegen Zahlungsverzugs ein ganz heikles Thema zu sein. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum Zahlungsverhalten unserer Kunden und den daraus resultierenden Maßnahmen keine Auskunft geben. In der Regel finden wir gemeinsam mit den Kunden eine Lösung, die eine Sperrung überflüssig macht“, teilten die Stadtwerke Rostock auf Nachfrage unserer Redaktion mit. Das Unternehmen versorgt 115.000 Privat- und Geschäftskunden.

Transparenter geht man dagegen beim Energieversorger Wemag, der 115.000 Stromkunden vor allem in Westmecklenburg und in der Prignitz hat, mit dem Thema Stromsperrungen um. „Es waren 2021 rund 700 Unterbrechungen der Versorgung notwendig. Das entspricht etwa dem Vorjahr“, sagte eine Sprecherin. Der Strompreis für Bestandskunden sei bei der Wemag seit Januar 2020 immer stabil geblieben. „Zum Jahreswechsel müssen wir aber auf die stark gestiegenen Beschaffungskosten reagieren und die Preise anpassen“, so eine Wemag-Sprecherin.

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