Hoaxmap.org-Gründerin beim EMAF in Osnabrück Wie erkenne ich Falschmeldungen? Karolin Schwarz klärt auf

Von Sarah Engel | 28.04.2017, 08:36 Uhr

Falschmeldungen geistern durch das Internet und werden in sozialen Netzwerken vielfach geteilt. Doch wie erkennt man Gerüchte, und was kann jeder Einzelne dagegen tun? Karolin Schwarz, Mitbegründerin von hoaxmap.org, gibt im Interview Tipps.

Flüchtlinge sollen in Schwerin Pferde von einer Koppel gestohlen und anschließend verspeist haben. Andernorts sollen Asylsuchende solange Supermärkte plündern, bis diese in ihrer Not schließen müssen. Meldungen wie diese geistern durch das Internet und werden in sozialen Netzwerken vielfach geteilt. Häufig handeln sie von Flüchtlingen, häufig sind sie nicht wahr.

Karolin Schwarz und David Häuser sagen der Gerüchteküche im Netz den Kampf an. Im Februar 2016 gingen sie mit einer digitalen Karte an den Start, die Falschmeldungen sammelt und diese entkräftet. Auf hoaxmap.org werden inzwischen mehr als 400 Gerüchte aufgelistet und mit einem Link auf Nachrichtenportale oder Polizeimitteilungen widerlegt. Im Interview verrät Karolin Schwarz, wie man Falschmeldungen erkennt und was man dagegen tun kann.

Frau Schwarz, welche verrückten Falschmeldungen haben Sie immer noch im Gedächtnis?

Besonders kurios fand ich die Reisewarnung, die für Schweden ausgesprochen wurde, nachdem Donald Trump in einer Rede den Eindruck erweckt hatte, dass in Schweden ein Anschlag verübt worden sei. Die AfD hatte das Gerücht von der Reisewarnung gestreut, wenig später wurde es vom Auswärtigen Amt aufgeklärt. Interessant sind aber auch immer wieder Meldungen über Straftaten von Ausländern, die sich als falsch erweisen. So zum Beispiel im thüringischen Suhl. Hier wurde verbreitet, dass Südländer ein Restaurant überfallen hätte. Dann stellte sich heraus, dass es die Mitarbeiter selbst waren, die ihren Chef ausgeraubt hatten.

Worum geht es in der klassischen Falschmeldung? Karolin Schwarz spricht am Samstag im Osnabrücker Haus der Jugend über ihr Projekt hoaxmap.org. Foto: Andi Weiland

Es gibt drei große Themengebiete: 1. Diebstähle und Raubüberfälle, 2. Sexualisierte Gewalt und 3. Gerüchte über das Erschleichen von Sozialleistungen.

Nach Donald Trumps Wahlkampf spricht die ganze Welt von „Fake News“. Wo liegt der Unterschied zur Falschmeldung?

Thematisch unterscheiden sich „Fake News“ und Falschmeldungen nicht, denn oft geht es um Gerüchte rund um Migration. Der Unterschied liegt in der Herangehensweise. Während es in Amerika Propagandaseiten gibt, die gezielt „Fake News“ verbreiten, hat es dieses Phänomen noch nicht nach Deutschland geschafft. Natürlich gibt es hier das Compact Magazin oder PI News, die ab und an Falschmeldungen veröffentlichen. Aber sie bieten daneben auch Geschichten, die nicht erfunden sind. Die typische „Fake News“ würde ich mit Propaganda gleichsetzen, während wir auf hoaxmap.org von Falschmeldungen und Gerüchten sprechen. Diese werden eher über Mund-zu-Mundpropaganda weitergetragen oder von Websites kopiert.

Woran erkennt der Laie eine Falschmeldung?

Das kommt immer auf die Art der Meldung an. Beispielsweise war bei dem Bekennerschreiben zum BVB-Anschlag relativ schnell klar, dass es nicht echt ist, weil der Schreiber nicht über Täterwissen verfügte. Wer über Meldungen stolpert, deren Wortlaut und Geschichte misstrauisch machen, sollte im Netz nach einer zweiten Quelle suchen. Bilder lassen sich über die Google-Suche rückverfolgen. Der Bürger wird in unserer heutigen Zeit immer mehr zum Journalisten, der seine Nachrichten gegenchecken sollte.

Wie kann der Bürger gegen Falschmeldungen vorgehen?

Viele Menschen stoßen auf Facebook über Falschmeldungen. Ich rate dazu, in den aktiven Austausch über die Nachricht zu gehen. Wenn Menschen an dem Wahrheitsgehalt zweifeln, sollten sie dies öffentlich infrage stellen. Zivilcourage ist hier das Stichwort. Auch offizielle Seiten, wie Behörden, müssen sich dem Problem stellen. Über Twitter räumen viele Polizeistellen jetzt schon Gerüchte aus oder stellen zeitig klar, wie aktuelle Lagen wirklich eingeschätzt werden müssen oder wenn sie eine Falschaussage aufgenommen haben, die zunächst zu einer falschen Pressemitteilung führte.

Welche Rolle spielt Facebook dabei?

Facebook ist für Falschmeldungen nur das Mittel zum Zweck und war auf diese Problematik nicht vorbereitet. Leider wird Populismus auf Facebook belohnt. Eine Nachricht, die aufreibend oder skurril ist, wird geteilt und kommentiert. Damit landet sie in immer mehr Newsfeeds von Usern und wird so schneller weiterverbreitet.

In diesem Jahr steht in Deutschland die Bundestagswahl an. Sehen Sie 2017 als besondere Herausforderung im Bezug auf Falschmeldungen?

Nicht nur Bürger setzen Falschmeldungen in die Welt, sondern auch Politiker. So ging die Reisewarnung für Schweden von der AfD aus. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat es mit einer Behauptung auf unsere hoaxmap gebracht. Er erklärte im Herbst 2015, dass sich 30 Prozent aller Flüchtlinge als Syrer ausgeben würden, aber in Wirklichkeit eine andere Nationalität hätten. Diese Aussage konnte weder von seinem Ministerium noch vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) bestätigt werden. Es gilt für jeden Einzelnen, wachsam zu sein und Meldungen gegenzuchecken – egal, von welcher Quelle diese stammen.

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